Meinung

Ein Wirtschaftskrieg: Der US-Dollar, der Energiemarkt und die neuen Akteure

Wie eng der Finanzmarkt und die Geopolitik verbunden sind, zeigen die Verwerfungen der letzten sechs Monate. Ob am Ende der US-Dollar einem neuen Währungskorb weichen und Erdöl neu gehandelt wird, ist eine der wesentlichen Fragen, die sich mit dem Kriegsverlauf stellt.
Ein Wirtschaftskrieg: Der US-Dollar, der Energiemarkt und die neuen AkteureQuelle: AP © Elise Amendola

von Dr. Karin Kneissl

Jeder Krieg wird nicht nur auf dem Schlachtfeld geführt, sondern ist stets auch ein Wirtschaftskrieg. Für alle Welt ersichtlich wurde dies im Frühjahr als in Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine rund 42 Staaten Tausende Sanktionen gegen die Russische Föderation verhängten. Der Ausschluss einiger russischer Banken aus dem sogenannten Swift-Verband, der Plattform im zwischenstaatlichen Zahlungsverkehr, und das Einfrieren großer Teile der Währungsreserven der russischen Zentralbank hat zum Ziel, Russlands Geschäfte mit dem Westen zu erschweren und das russische Finanzsystem zu destabilisieren. Der Rubel hat aber nach einem ersten massiven Einbruch stetig an Wert zugelegt. Tatsache ist, dass alle Volkswirtschaften unter den Sanktionen leiden. Die nun in der Eurozone grassierende Inflation begann allerdings lange vor dem Jahr 2022.

Eine der ersten Lektionen war, neue Zahlungswege zu finden, die Dominanz der US-amerikanischen Kreditkarten aufzuweichen und den Rohstoffhandel unter anderem in Rubel abzuwickeln.

Bereits seit zehn Jahren vereinbaren russische Konzerne in ihren Erdöl- und Erdgaslieferverträgen vermehrt die Zahlungen in den jeweiligen Landeswährungen. Dies hat sich gegenüber China und auch Indien sehr bewährt. Diese bilateralen Abmachungen haben zwar nicht den US-Dollar als die Weltleitwährung im Rohstoffhandel geschwächt, aber ein Thema, das lange eher akademisch diskutiert wurde, ist in der wirtschaftlichen Realität angekommen.

Der Erdölmarkt als Dollarmarkt

Der gesamte Rohstoffhandel von Zucker über Salz bis zu Energieträgern wird in US-Dollar abgerechnet. Das globale Gut par excellence ist Erdöl. Spätestens mit dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde Verlierern wie Siegermächten die Bedeutung dieses Rohstoffs klar. Es begann der weltweite Handel via Frachter und Pipelines, der im Nahen Osten startete und mit dem Anstieg der Mobilität wurde Öl zum strategischen Gut. Der Wiederaufbau nach 1945 und die diversen Wirtschaftswunder sind dem billigen arabischen Öl zu verdanken, das erst mit den Krisen in den Jahren 1973 und 1979 für wirtschaftliche Rückschläge sorgte. Aber trotz hoher Inflation, dem Ende des Goldstandards unter US-Präsident Richard Nixon im Jahr 1971 und letztlich auch trotz der gewaltigen Verschuldung der USA, die seit der Krise 2008 sich nochmals vervielfacht hat, kann der Dollar seine Rolle als Weltleitwährung verteidigen.

Rund 42 Prozent des Welthandels erfolgt in US-Dollar, um die 33 Prozent in Euro. Der chinesische Yuan bestimmt knapp drei Prozent des Marktes. Und dennoch verschieben sich allmählich die Parameter, denn auch die großen Erdölproduzenten am Persischen Golf, die seit Jahrzehnten allesamt enge Verbündete der USA sind, können sich etwas mehr Diversifizierung vorstellen. Als ich im Jahr 2005 für mein Buch "Der Energiepoker" recherchierte, war die Position unter den OPEC-Gesprächspartner einhellig: Der US-Dollar bleibt, unser Erdöl wird nicht anders abgerechnet. Dies hatte auch mit den hohen Auslandsinvestitionen der diversen Staatsfonds in US-Dollar Anlagen zu tun. Zwischenzeitlich entstand das Format OPEC+, dem Russland angehört.

Die Erdölallianz zwischen China und Saudi-Arabien

China ist in den 17 Jahren bis heute zum wichtigsten Erdölimporteur aufgestiegen. Zur Erinnerung, bis etwa 1994 konnte die Volksrepublik ihre nationale Nachfrage mit eigener Ölproduktion decken. Der wichtigste Lieferant für China ist das wahabitische Königreich Saudi-Arabien, eine Theokratie. Erst 1992 begann das kommunistische China diplomatische Beziehungen mit Saudi-Arabien. Das Handelsvolumen und die Besuchsdiplomatie nahmen an Umfang und Wert zu.

Wenn nun Chinas Präsident Xi Jinping nach fast drei Jahren seine erste Auslandsreise nach Saudi-Arabien unternimmt, so wird diese Mission international mit Argusaugen beobachtet werden. Denn dieser Besuch hat mehr als eine hohe Symbolkraft. Xi könnte auch zum Handelspartner EU oder Nachbarn Indien reisen. Vor einigen Monaten hat Kronprinz Mohammed Bin Salman, der de facto die Regierungsgeschäfte führt, aufhorchen lassen, als er ankündigte, Erdöl auch in Yuan abrechnen zu lassen.

Die Erdölallianz zwischen Riad und Peking könnte den chinesisch-russischen Bemühungen, einen alternativen Währungskorb für den Rohstoffhandel aufzubauen, viel Auftrieb geben, falls der US-Dollar tatsächlich seine Monopolstellung zunehmend aufgeben muss.

Der Krieg und die Währung

Nach großen Kriegen ändert sich auch der Geldmarkt. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs im Jahre 1918 verloren die zerschlagenen Monarchien der Achsenmächte nicht nur ihre Imperien, sondern auch ihre Währungen, die, ob im Falle des Osmanischen Reiches oder der Donaumonarchie, halbe Kontinente dominierten. Ab 1945 begann über den Marshall-Plan und die US-Dollar-Kredite die Vormachtstellung des Dollars.

Fraglich ist, ob dieser Krieg bereits den Auftakt für eine weltweite Währungsverschiebung setzt. Oder werden im Rückspiegel der Geschichte die Panzerschlachten in der Ukraine als das erste Kapitel der eigentlich größeren Konfrontation zwischen den USA und China betrachtet werden?

Die Debatte in den USA darüber, dass man leicht mit zwei Fronten, nämlich dem Stellvertreterkrieg der NATO in der Ukraine und einer massiven Schlacht um Taiwan, umgehen wird, könnte manche übermütig werden lassen. Ob es danach oder dazwischen zur großen Währungsumstellung, die ohnehin eine digitalisierte sein wird, kommt – es wird sich weisen. Bis dahin stehen uns jedenfalls handfeste Krisen aller Art bevor. Ich lebe seit einigen Monaten im Libanon, da mir innerhalb der EU das Leben verunmöglicht wurde. Das Land liegt hier in dieser kleinen arabischen Republik darnieder, eine Inflation von über 240 Prozent hat das einst stabile libanesische Pfund völlig entwertet. Die libanesischen Banken haben die Konten ihrer Bürger eingefroren. Wut und Erschöpfung herrschen rundum, alles ist knapp. Kaum ein Gut ist so begehrt wie der "fresh dollar", mit dem in bar alles zu bezahlen ist, von der Versicherungspolice bis zur Miete. Ähnlich verhält es sich in anderen Krisen- und Kriegsgebieten, die ich im Laufe meines Lebens besucht habe. Einst war es der Goldzahn im Mund, heute ist die Notreserve das versteckte Bündel Dollar.

Als der legendäre Feldherr Eugen von Savoyen, übrigens einer der wenigen erfolgreichen Militärs im Dienst der Habsburger, zu Beginn des 18. Jahrhunderts gefragt wurde, was es benötige, um erfolgreich einen Krieg zu führen, so soll er diese legendäre Antwort gegeben haben: "Man braucht drei Dinge, nämlich erstens Geld, zweitens Geld und drittens nochmals Geld." Darin hat sich nach 300 Jahren nichts geändert. Jeder Krieg ist immer auch ein Wirtschaftskrieg. Wie er ausgeht und in welcher Währung wir in einigen Jahren das Erdöl zahlen, beginnt sich in diesen Monaten zu entscheiden.

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