Meinung

Hundefresser, Vergewaltiger – Wenn es gegen die Russen geht, spielt die Wahrheitsprüfung keine Rolle

Wer kennt das nicht? Man sieht im Netz eine stark emotionalisierte Botschaft und glaubt sofort, es handele sich dabei um die Wahrheit. Denkt lieber zweimal nach, prüft die Quellen, werden wir gewarnt. Gilt der Faktencheck in Deutschlands Medien und Politik auch für glatte Lügen und dubiose Aussagen gegen Russland?
Hundefresser, Vergewaltiger – Wenn es gegen die Russen geht, spielt die Wahrheitsprüfung keine Rolle© Telegram @ Донецк решает

von Wladislaw Sankin

Bundeskulturministerin Claudia Roth von den Grünen zeigte sich wieder einmal ganz staatsmännisch. In einem Interview hat sie Wladimir Kaminer, den "großartigen Autor", der "halb Russe, halb Ukainer" ist, in einer ganz wichtigen Angelegenheit zitiert. Er habe nämlich geschrieben, dass die Propaganda, die stattfindet, eine der gefährlichsten Waffen überhaupt sei. Gegen Demokratie, also unsere Staatsform! Das ist natürlich ein Thema. 

"Desinformation, Fake, Lüge, da verlieren die Menschen das Vertrauen in Informationen. Umso mehr sollten wir uns bewusst sein, was unsere Demokratie reich macht. Da gehört die vierte Säule der Demokratie dazu, die unabhängigen Medien. Wir sind dabei, das zu stärken. Wir müssen alles dafür tun, dass die Demokratie nicht geschwächt wird." 

Das Wort Demokratie gleich dreimal in einem Atemzug. Klar, Schutz der Demokratie ist Chef-Sache und Claudia Roth ist Bundesministerin. Außerdem war dabei vom russischen Krieg in der Ukraine die Rede. In wenigen Minuten legte Roth nach und erklärte, warum das Übel der Fake News "Gift für die Demokratie" sei:

"Wir haben gnadenlos unterschätzt, was für ein Gift das ist. Sie schafft diese Verunsicherung, dass sich niemand mehr eine Meinung bilden kann, weil niemand mehr weiß, wem zu vertrauen ist."

Da bin ich ganz bei Ihnen, Frau Roth. Fake News sind in der Tat bösartig und es ist gut, dass Sie sich der Ernsthaftigkeit der Lage bewusst sind. Aber kann ich bei unserem blühenden Meinungspluralismus und unserer vorzeigbaren Medienvielfalt überhaupt noch die Spreu vom Weizen trennen? Da eilt uns das Kulturressort des SWR zu Hilfe.

"Sehr emotionale Inhalte sind oft Botschaften, die sich die Desinformation zu eigen machen", sagt Joscha Weber, Leiter des Faktenchecks bei der Deutschen Welle, im Interview mit SWR2 Kultur Aktuell kurz nach Beginn des sogenannten russischen Angriffskrieges im Februar.

Man müsse stets kritisch bleiben und im Zweifel noch mal Absender und dessen Vertrauenswürdigkeit überprüfen. "Besser zweimal hinzuschauen, als es sofort zu glauben."

Goldene Worte! Aber kann es sein, dass nicht alle Journalisten hierzulande diese Prinzipien beherzigen? So lesen wir bei n-tv: "Russische Soldaten essen Hunde".

"Der ukrainische Geheimdienst veröffentlicht immer wieder abgehörte Telefonate russischer Soldaten. Die Gespräche der Besatzer mit ihren Angehörigen offenbaren massive Versorgungsprobleme. Einige haben 'die Nase voll von Trockenrationen', andere 'nichts zu fressen'. Was sie verbindet, ist der Hunger nach Fleisch."

An keiner Stelle im Artikel hinterfragt der Autor des Artikels, ob die angeblich abgehörten Telefonate des berühmt-berüchtigten ukrainischen Geheimdienstes SBU eine verlässliche Quelle sein könnten. Stattdessen liefert er saftige "Details":

"Die Russen würden von der ukrainischen Armee 'gefickt', beklagt der Soldat und ergänzt: 'Wir haben nichts zu fressen, wir essen Hunde.' Daraufhin erwidert der Freund, dass im Fernsehen nur 'Siege' gezeigt würden."

Fast täglich lädt der ukrainische Geheimdienst auf seinem Youtube-Kanal Telefonate hoch, die von hauseigenen Schauspielern ganz einfach nachgestellt sein könnten, darunter solche, die beispielsweise belegen sollen, dass "russische Eindringlinge" ukrainischen Verwundeten die Kehle durchschneiden. Ein Geheimdienst, dessen Beamte sich damit rühmen, Terroranschläge gegen Kommandeure der Donezker Volkswehr und Politiker durchgeführt zu haben. Und das offenbar weiterhin tut, wenn man die Situation im Gebiet Cherson anschaut, wo schon drei Personen des öffentlichen Lebens, die mit Russland kooperierten, auf offener Straße ermordet wurden. 

Keiner der zahlreichen Faktenchecker hat das Material von n-tv auf Glaubwürdigkeit überprüft. Offenbar schadet der deutschen Demokratie das Image der Russen als Hundefresser nicht. Nicht verwunderlich, denn noch vor Kurzem war im großen Stil davon die Rede, dass die Russen in der Ukraine fast alles vergewaltigen, was sich nur bewegt, darunter Säuglinge, Männer und Alte, bis die Urheberin dieser Meldungen, die ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Ljudmila Denisowa, für ihre nicht belegbaren Lügengeschichten ihres Amtes enthoben wurde. Die Informationskampagne über die russischen Vergewaltiger war so massiv, dass das deutsche Auswärtige Amt sogar die Online-Diskussion "Russlands genozidaler Krieg gegen die Ukraine: Vergewaltigung als Kriegswaffe" zusammen mit der Partei von Claudia Roth, den Grünen, mitveranstaltet hat.

Aber ja, das sind doch offizielle Kiewer Quellen, auch des SBU, würden unsere Beschützer der Demokratie einwenden – auch wenn wir wissen, dass Geheimdienste überhaupt dazu existieren, um Desinformation zu streuen, insbesondere zu Kriegszeiten.

Dann müssten wir spätestens wegen zu starker "emotionaler Inhalte" stutzig werden – ganz so, wie es uns die ehrwürdigen Faktenchecker von der Deutschen Welle lehren. Machen wir uns es nicht allzu kompliziert und schauen auf die Botschaften der in Deutschland wohl prominentesten Vertreter der Ukraine – die des Ex-Boxweltmeisters und Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko und dessen nicht minder bekannten Bruders Wladimir. Wir sehen, dass das Wort "emotional" das erste Adjektiv ist, das in den deutschen Medien in Verbindung mit den Klitschko-Brüdern überhaupt gebracht wird: 

 "Klitschko-Brüder melden sich mit emotionaler Botschaft" (Heute)

"Mit eindringlichen und emotionalen Worten richtete er (Wladimir) sich in einem selbst aufgenommenen Video an die Bürger. Er stellte auch einen Bezug zur Nationalhymne her" (T-Online)

"Wladimir Klitschko hat sich erneut in einem bewegenden Appell an die Welt gewandt" (RTL)

"Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hat in einer emotionalen Botschaft auf seinem Telegram-Kanal am hundertsten Tag des russischen Krieges gegen die Ukraine Siegeswillen demonstriert: 'Wir werden die Ukraine von den Barbaren befreien'" (WAZ)

Die Klitschkos wenden sich mit ihren "eindringlichen" Botschaften auch von Tafeln und Bildschirmen auf Bahnhöfen, in Straßenbahnen und auf Straßenplakaten an die Einwohner der Bundesrepublik. Machen sie sich mit so viel Emotionalität nicht verdächtig? Gefährden sie mit ihrem Geschrei nicht unsere demokratische Ordnung, die bekanntlich auf Rationalität und Vernunft basiert? Na ja, wenn es um die Emotionen unserer Freunde geht, dann dürften eigentlich auch die Inhalte stimmen!

Aber wozu führt das, wenn nicht zu Aufstachelung? Egal, wie oft sich die Erstmeldungen der Vertreter Kiews als unbelegte und ungeprüfte und zum Teil äußerst wilde Anschuldigungen erwiesen haben, wie dies beispielsweise mit den "russischen" Bombardements des Bahnhofs von Kramatorsk, der Schule von Bologorowka oder des Schauspielhauses von Mariupol der Fall war, die Selbstaufstachelung dreht sich mit jeder solchen Botschaft unaufhaltsam nach oben. 

So war es bei dem angeblichen Angriff auf das Einkaufszentrum von Krementschug der Fall. Diejenige Abgeordnete im Haus der deutschen Demokratie, die als Chefin des Sicherheitsausschusses über die Frage von Krieg und Frieden entscheidet, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, schrieb Folgendes dazu:

"Die russischen Angriffe auf ein Einkaufszentrum in Krementschug sind abscheuliche Kriegsverbrechen. Putin macht erneut nicht vor der Zivilbevölkerung halt. Das ist unerträglich. Wir müssen unsere Unterstützung der Ukraine drastisch beschleunigen. Die Ukraine muss gewinnen." 

Lassen wir selbst die Behauptungen der russischen Seite beiseite, dass der Raketenschlag kein ziviles Ziel, sondern ein Waffenlager in der Nähe des Einkaufzentrums traf, was sich auch durch die Aufzeichnungen mehrerer Überwachungskameras zumindest teilweise bestätigen lässt. Sogar das britische Verteidigungsministerium meinte, es sei realistisch, dass die Attacke am 27. Juni nicht das Einkaufszentrum (das wegen Luftalarm eigentlich geschlossen bleiben sollte), sondern ein nahe gelegenes "Infrastrukturziel" habe treffen sollen.

Aber es wäre falsch, von Frau Strack-Zimmermann eine saubere Bewertung der kriegsrelevanten Fakten zu erwarten. Das Verdrehen von Fakten gehört zu ihrem täglichen Geschäft. So hat sie schon einmal die Zahlen ziviler Opfer des Ukraine-Krieges um das Mehrfache hochgeschraubt, um die Lieferung von Panzerhaubitzen an die Ukraine zu begründen – siehe RT-Faktencheck.

Denn wenn wir uns anschauen, von wem sie ihre Informationen bekommt, dann ist das neben den Klitschko-Brüdern der gleiche Kreis von Leuten aus der deutschen Twitter-Blase, die sich schon seit Langem im Paralleluniversum der ukrainischen Kriegs-Propaganda eingerichtet hatten.

Zu diesen Leuten gehört auch die ZDF-Journalistin Katrin Eigendorf, die den oben zitierten Tweet von Strack-Zimmermann retweetete und ihr Urteil über den Militärschlag auf Krementschug schon längst gefällt hat:

"Krementschug: Russland führt einen Vernichtungskrieg, in dem es offensichtlich keine Grenzen gibt."

Für einen anderen Tweet lässt sie sich mit einem ukrainischen Artilleristen ablichten, dem sie vor Begeisterung über seinen Kampfeinsatz fast in die Arme fällt. Dahinter ist die deutsche Panzerhaubitze 2000 zu sehen, die Eigendorf beim Abfeuern der Granaten zusammen mit einem Bild-Reporter beobachten durfte. Auf dem Militärgerät steht in ukrainischen Nationalfarben geschrieben: "Welcome to Ukraine, bitch". 

Aber an dieser Stelle muss ich unseren Lesern etwas gestehen: Ich habe zu Beginn des Artikels etwas ganz Wichtiges unterschlagen. Weder Bundesministerin Roth noch die Faktenchecker des deutschen Auslandsrundfunks haben angedeutet, dass ihre Kriterien für Fake News und Propaganda je für deutsche und ukrainische Medien gelten. Sie redeten ausschließlich von RT DE und russischen Nachrichten insgesamt. So beklagt Kaminer, dass da – und nur da – "Gehirnwäsche" stattfinde.

Nach Auffassung unserer Demokratie-Beschützer kann die Gehirnwäsche per se nur russisch sein. Vom russischen Einfluss gesäubert, blühen innerhalb unserer Demokratie also nur die hübschesten Früchte der Wahrheit. Das würde aber im Umkehrschluss bedeuten, dass die Erfindungen des ukrainischen Geheimdienstes, die perversesten Fantasien der ukrainischen Ombudsfrau, die Dauerhysterie der Klitschko-Brüder und der Militarismus deutscher Qualitätsjournalisten das sind, was "unsere Demokratie stark machen". 

Verzeihung, aber ich habe mir unter Demokratie etwas anderes vorgestellt. 

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.