Meinung

Scheinheilig – werden NATO-Verbrechen angeklagt, pocht der Westen auf Immunität

Die Doppelmoral der NATO ist schwer erträglich: Sie beruft sich in der juristischen Verantwortung für die illegalen Bombenangriffe auf Jugoslawien auf "Immunität" für ihre Truppen. Das ist für sie eine bewährte Formel, auch bei der wahllosen Tötung von Zivilisten im Irak, in Syrien und in Afghanistan.
Scheinheilig – werden NATO-Verbrechen angeklagt, pocht der Westen auf ImmunitätQuelle: www.globallookpress.com © Michael Kappeler

Von Marinko Učur, Belgrad

Ungeachtet der Tatsache, dass wir sie ab März 1999 bei den illegalen Bombenangriffen auf die Bundesrepublik Jugoslawien getötet haben, ungeachtet der Tatsache, dass die "Auswirkung" dieses Verbrechens mehr als 2.500 Tote forderte und dass der materielle Schaden 100 Milliarden Dollar überstieg, sowie ungeachtet dessen, dass die Operation ohne Zustimmung der Vereinten Nationen illegal war – berufen wir uns auf unsere Immunität! Dies lässt sich aus der Antwort des NATO-Hauptquartiers in Brüssel an den Obersten Gerichtshof und an den serbischen Anwalt Srđan Aleksić schließen, der seit Jahren hartnäckig versucht, dieses Militärbündnis nach der Bombardierung mit angereichertem Uran im Jahr 1999 zu einer finanziellen Entschädigung der Opfer zu zwingen.

Es gab schwache Aussichten, das westliche Militärbündnis dazu zu bringen, seine Verantwortung für die Folgen der Bombardierung auf sich zu nehmen, da Einwohner auch heute, 23 Jahre danach, massenhaft an Krebs erkranken. Nachdem der Anwalt Aleksić jedoch medizinische Unterlagen von mehr als 3.000 Bürgern gesammelt hat, die sich wegen spezifischer gesundheitlicher Probleme meldeten, und nachdem Ärzte eine Verbindung zwischen der erhöhten Anzahl von an Krebs erkrankten Patienten im Süden Serbiens, das am meisten von der Bombardierung mit angereichertem Uran betroffen war, nachgewiesen haben, scheint es so, dass es mehr Aussichten gibt, die Allianz zur Rechenschaft zu ziehen.

Der entscheidende Augenblick im gesamten Verfahren gegen die NATO, die in den vergangenen Jahren beharrlich ignoriert hat, sämtliche Anschuldigungen zu beantworten, war die Erkenntnis, dass italienische Soldaten, die in Gebieten stationiert waren, die den Bombenangriffen ausgesetzt waren, rund 253 Prozesse gegen das Verteidigungsministerium von Italien gewonnen haben. Italienische Soldaten, die in den NATO-Einheiten im Süden Serbiens und auf dem Gebiet der selbsternannten Provinz Kosovo stationiert waren, wurden erfolgreich vom Rechtsanwalt Angelo Fiore Tartaglia vertreten. Wegen ihrer gesundheitlichen Probleme und Traumata und wegen der durch die Strahlungen verursachten Todesfälle verhalf er den Betroffenen zu einer finanziellen Entschädigung in Höhe von jeweils hunderttausend Euro.

Im Fall Serbiens werden die Angelegenheiten jedoch komplizierter, da Vertreter der Allianz nicht auf den Appell des serbischen Rechtsanwalts und jener Ärzte reagierten, die in den Medien oft die besorgniserregend steigende Zahl an Krebsfälle preisgaben. Nachdem der italienische Rechtsanwalt jedoch sein Interesse auch für die serbischen Opfer zeigte und seine Bereitschaft zum Ausdruck brachte, seine eigenen Erfahrungen mit seinen serbischen Kollegen in der Rechtssache gegen die Allianz zu teilen, erscheinen die Aussichten, den Prozess zu gewinnen, etwas besser. In der kommenden Zeit wird in Serbien die Ankunft von Rechtsanwalt Tartaglia und seiner Mitarbeiterin für Fragen der forensischen Psychopathologie und Rechtsmedizin, Dr. Rite Celli, erwartet.

Dr. Celli war Beraterin der Untersuchungskommission, die die Auswirkungen des angereicherten Urans und der Nanopartikel auf die in Friedensmissionen angestellten Soldaten, die sich während des NATO-Bombardements in der serbischen Provinz Kosovo und Metochien (Kosovo und Metohija ist die verfassungsmäßige Bezeichnung der selbsternannten serbischen Provinz) aufhielten, untersucht hat.

Die italienische Ärztin war auch Mitglied der Sachverständigenkommission, die an der Feststellung des Kausalzusammenhangs zwischen der Bombardierung mit angereichertem Uran und den Erkrankungen der Menschen, die sich im Jahr 1999 auf dem Kosovo aufhielten, arbeitete. Durch die Entnahme von Blutproben von den italienischen Soldaten fand Dr. Celli heraus, dass die häufigen Krebserkrankungen die Folge der Bombardierung mit schweren Metallen sind. Rechtsanwalt Srđan Aleksić hofft, dass die Ärztin Celli ein Gutachten über seine Kunden erstellen wird und dass mögliche Beweise genauso wie bei den italienischen Klagen im Gerichtshof wegen der Vereinheitlichung der Rechtsprechung vorgebracht werden.  

Nach dem Vorbild Italiens versucht man nun mittels der Klagen gegen die NATO vom Belgrader Gerichtshof in jedem nachgewiesenen Fall einen Schadensersatz in Höhe von je 100.000 Euro zugesprochen zu bekommen. Jetzt liegt der Ball wieder in den Händen des Gerichtshofs, aber auch der NATO-Allianz, die sich gegen die Verbrechensvorwürfe lakonisch mit ihrer "Immunität" verteidigt. Es ist offensichtlich, dass "Immunität" in ihrem Fall eine bewährte Formel ist, die sie unzählige Male bei der wahllosen Tötung von Zivilisten verwendet hat, die im Irak, in Syrien und in Afghanistan als "Kollateralschäden" bezeichnet wurden.

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