von Lesja Rjabzewa
Abartige Russophobie kann verschiedene Formen auf sehr unterschiedlichen Ebenen annehmen. Beispielsweise wenn man, wie es Pawel Durow getan hat, seine Nationalität verleugnet und vergisst, wer man von Geburt an war. Wenn man sich dann hinter der Staatsbürgerschaft eines anderen Staates versteckt und darum bittet, nicht länger als Russe angesehen zu werden. Anscheinend ist Pawel jetzt als Franzose zu betrachten. Oder aber als Araber.
Ein anderes ist die ausgewanderte Elite, die zu vergessen versucht, dass sie russisch ist, und um genauer zu sein, dass sie dank des russischen Volkes "self made" geworden ist. Der Bankier Oleg Tinkow ist ein solches Beispiel.
Oder diejenige Elite der Mittelschicht, die bislang nicht auswanderte, aber trotzdem undankbar, unfähig zu konstruktivem Dialog und produktiver Aktivität ist, die nur dazu taugt, vor den Fernsehkameras mit Schildern herumzuspringen. Obwohl, vielleicht ist es gut, dass ihre Vorstellungskraft nur für solches reicht. Wer weiß, womöglich hätten sie sich noch verletzt, hätten sie sich eine ernstere Aktivität einfallen lassen.
Dieselbe Russophobie tritt in Erscheinung, wenn unsere Athleten, Dirigenten und Schachspieler die "cancel culture" erleben. Wenn man Geschäfte und Restaurants mit nationaler Küche schließt oder sich sogar weigert, unsere Spezialitäten als die unseren anzuerkennen. Gestern hat ein Europäer oder Amerikaner gerne unsere Pelmeni, Schtschi-Kohlsuppe, Buchweizen, Okroschka, Blini, Piroggen, Eingesalzenes, Fisch und Kaviar verspeist, heute boykottiert er sie. Und sehr bald, wahrscheinlich, könnten diese Gerichte als ukrainisch deklariert werden. Denn es liegt ebenfalls im Trend, alles Russische durch das Ukrainische zu ersetzen.
Die antirussische Kampagne scheint keine Grenzen mehr zu kennen und überschreitet alle roten Linien. Aggression um der Aggression willen. Und alle möglichen Absichten können, ja müssen gar, jetzt mit der Abneigung gegen unser Volk gerechtfertigt werden. Die Wurzel aller Übel ist Russland, das ganze Unglück ist unsertwegen. Heute sind wir die Erklärung für alle Missstände, der Sündenbock, die Rechtfertigung für die Inaktivität und das Versagen anderer. Schlechtes Wetter, Inflation, ein abgebrochener Nagel und ein geplatzter Reifen. Eine ganze Nation Aussätziger. Erinnert das an etwas?
Doch dies sind alles nur Beispiele für die Alltags-Russophobie, sozusagen die der einfachen Art. Auf zwischenstaatlicher und globaler Ebene äußert sich der Hass gegenüber Russland und den Russen anders – durch Sanktionen, die Ausweisung von Diplomaten und die Sperrung von [Smartphone-]Applikationen und Banken. Vorausgesetzt, die Regierung des jeweiligen Landes ist dazu in der Lage.
Die, die dies nicht können, die stolzen Kleinstaaten, versuchen, dem Schutzherrn aus der NATO mit ihnen verfügbaren Mitteln gefällig zu sein.
Estland bekämpft die russische Kultur, indem es Konzerte verhindert, etwa durch das fünfjährige Einreiseverbot für die Popsänger Filipp Kirkorow und Polina Gagarina. Ihre geplante Tour wurde dadurch verhindert. Angeblich weil sie (Kirkorow und Gagarina) das russische Vorgehen in der Ukraine unterstützt hätten. Ich habe große Zweifel, dass es in Estland selbst Popsänger gibt, die in der Lage sind, unseren Superstars das Wasser zu reichen. Sollte es diese dennoch geben, stelle ich mir ungewollt die Frage: Wer wird unter einem solchen Verbot am meisten leiden? Es ist unmöglich, den Einfluss des Russischen auf die Esten zu "canceln". Versucht es, klar, wenn es so in den Fingern brennt, aber das wäre etwas im Stil einer Selbstverletzung.
Ich hoffe, dieser Wahnsinn wächst nicht exponentiell weiter. Andernfalls wird jemand Geschäftiges mit der "genialen" Idee aufkreuzen, die ethnische Zugehörigkeit durch einen Test zu bestimmen. Diejenigen, Sie wissen schon, die prozentual anzeigen, wessen Blut in Ihnen fließt. Und ich befürchte, dass viele eifrige antirussische Nationalisten bestürzt sein werden. Schließlich sind wir Brüder und Schwestern, auf die eine oder andere Weise. Zumindest haben es amerikanische Globalisten noch vor nicht allzu langer Zeit versucht, uns ein solches Denken aufzuzwingen. Vielleicht ist aber jetzt etwas anderes im Trend.
Übersetzt aus dem Russischen.
Olesja Rjabzewa wurde 1991 in Wolgograd geboren und arbeitete nach ihrem Journalistikstudium als Stellvertreterin des Chefredakteurs des oppositionellen Radiosenders Ekho Moskwy. 2016 wechselte sie ihre politischen Überzeugungen und moderierte eine selbst produzierte Radioshow. Seit 2019 ist sie für RT tätig.
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