China und Russland sollten Großbritannien höchstens noch als traurigen Witz wahrnehmen
Ein Kommentar von Tom Fowdy
Vergangene Woche besuchte die britische Außenministerin Liz Truss Moskau, um mit Russland über die Situation in der Ukraine zu sprechen. Dabei trat sie mit ihrer üblichen kriegerischen und drohenden Haltung auf. Seit Truss' Amtsantritt ist dies ein Merkmal ihres Gebarens, was dazu geführt hat, dass man sie bereits mit einer Billig-Variante der ehemaligen Premierministerin Margaret Thatcher verglich.
Der russische Außenminister, Sergei Lawrow, reagierte auf die aggressive und kompromisslose Haltung von Truss, indem er sie während der Pressekonferenz öffentlich lächerlich machte. Das Treffen mit ihr beschrieb er als ein Gespräch "mit einer tauben Person". Auch führte er sie aufs Glatteis, wo Truss glatt ausrutschte, indem sie die russischen Regionen Woronesch und Rostow mit Regionen der Ukraine verwechselte und sagte, Großbritannien werde "niemals die russische Souveränität über diese Regionen anerkennen." Dieses katastrophale Treffen in Moskau hat zumindest das Gerede über ihren Ehrgeiz, Premierministerin zu werden, etwas gedämpft.
Zur selben Zeit, als Truss in Russland Federn ließ, verärgerte der unter Druck stehende Premierminister Boris Johnson in London konservative Abgeordnete. Denn es war berichtet worden, dass er die Handelsgespräche mit China wieder aufnehmen wolle. Der Schritt rief bei den üblichen Verdächtigen in der Konservativen Partei, Tom Tugendhat und Iain Duncan Smith, die seit langem eine härtere Haltung gegenüber Peking fordern, wütende Reaktionen hervor.
Iain Duncan Smith war bei seinen Versuchen, die Regierung zu unterminieren, besonders aggressiv. Während der Schritt von Boris Johnson schon seit langem am Horizont stand, vertritt der Premierminister eine der gemäßigteren Stimmen gegenüber China. Und das in einem Land, das sich in jeder Hinsicht einem strategischen Kampf gegen China verschrieben hat – wie etwa die Bemühungen der BBC zeigen, die öffentliche Meinung dahingehend zu formen.
Was diese beiden Episoden mit Johnson und Truss verbindet, ist, dass sie veranschaulichen, wie Großbritannien auf der Weltbühne zu einem traurigen Witz geworden ist. Der Brexit hat bei dem britischen Staatswesen zu einer Neuformulierung von sich selbst als "globales Großbritannien" geführt. In dem Glauben, es sei immer noch eine Großmacht, verfolgt das Vereinigte Königreich eine Außenpolitik, die einen Mangel an Ausgewogenheit und Realismus in Bezug auf seine tatsächlichen Realitäten zeigt und eine Vielzahl von Widersprüchen aufdeckt.
Niemand verkörpert diese Geisteshaltung wohl mehr als Liz Truss. Während sie bei dem Versuch des Vereinigten Königreichs, Moskau anzuknurren, an vorderster Front zum Halali bläst, sind rechtsgedrehte Abgeordnete gleichzeitig gierig nach einer Konfrontation mit Peking. Und all das inmitten des Versuchs, die Auswirkungen eines Brexits auszugleichen, der nicht so reibungslos wie erhofft verlaufen ist.
Wie ich schon einmal erwähnt habe, repräsentiert der Brexit den Höhepunkt von siebzig Jahren Verwirrung über Großbritanniens Nachkriegsidentität und seinen Platz in der Welt. Das Dilemma, sich mit einem untergehenden Imperium abzufinden und der Frage, wo nun der eigene Platz auf der globalen Bühne tatsächlich ist. Gehört Großbritannien zu Europa? Oder ist es eine einzigartige Macht, die Hand in Hand mit anderen anglophonen Ländern wie den USA zusammenarbeitet?
Im Laufe der Jahrzehnte war diese Frage wie ein Pendel, das mal hier und mal dahin ausschlug. Doch dann führten zahlreiche Faktoren zum Brexit, was in der Folge die Spielregeln für die Innen- und Außenpolitik neu definierte. Der Brexit beendete eine Ära der Konservativen als Partei der liberalen Mitte unter David Cameron, und eine Verlagerung hin zu Populismus und Nationalismus mit Boris Johnson am Ruder. Das wiederum schürte den Wunsch nach Prominenz auf der globalen Bühne. Keine Karriere einer Politikerin verdeutlicht diesen Wandel besser als jene von Truss selbst. Denn diese Politikerin hat sich von einer Anti-Brexit-Konservativen in eine brusttrommelnde, nationalistische Kreuzfahrerin verwandelt.
Johnson ist ein selbsternannter "Sinophiler"– also jemand, der sich China zugeneigt fühlt. Im Zuge der Notwendigkeit alternativer Märkte setzte er sich nach dem Brexit zunächst für eine pro-chinesische Außenpolitik ein. Doch der Druck, den sowohl die USA als auch rechte Abgeordnete im Parlament auf ihrer Suche nach einem neuen Gegner als Ersatz für die EU ausübten, wurde unhaltbar. Ein sich ändernder geopolitischer Kontext hat bessere Beziehungen zu China unmöglich gemacht. Großbritannien braucht Peking als ernsthaften Partner, aber mit Initiativen wie AUKUS hat es bereits gezeigt, auf welcher Seite das Land steht.
Angesichts all dessen ist es nicht verwunderlich, dass Russland und China kaum mehr geneigt sind, Großbritannien als glaubwürdig zu betrachten. Peking hat lange versucht, engere wirtschaftliche Beziehungen zu Großbritannien aufzubauen. Am Ende war man in Fernost allerdings überrascht von dem Eifer, der dagegen geäußert wurde, und den offensichtlichen Schritten zur Eindämmung, die eingeleitet wurden. Es spricht Bände, dass die Zeitschrift Politico den früheren Kabinettsminister David Davis mit den Worten zitiert, Großbritannien habe die Mission, "China dazu zu bringen, sich zivilisiert zu verhalten." Das ist eine Aussage, die auf beleidigende Art an Peking die Botschaft sendet, das Vereinigte Königreich bleibe nach wie vor kompromisslos, arrogant und unverändert. Ganz wie zu den Zeiten, als ein Teil von China eine britische Kolonie war.
Angesichts einer solchen Haltung ist es kein Wunder, dass China versucht, dem Vereinigten Königreich durch eine neue strategische Partnerschaft mit Argentinien entgegenzutreten und seine Unterstützung für Buenos Aires in seinem Anspruch auf die Falklandinseln bekräftigte. Das repräsentiert den Fatalismus in Chinas Denken, dass es sinnlos ist, Großbritannien einfach zu bitten, sich zu ändern oder zu kooperieren. Und die Einsicht, dass auf die Feindseligkeiten aus London mit mehr Biss reagiert werden muss.
In Moskau dürfte man ähnlicher Meinung sein, nachdem Truss' Vorstellung von Gesprächen darin zu bestehen schien, Drohungen auszusprechen. Es stellt sich die Frage, ob sich Diplomatie mit Großbritannien überhaupt lohnt. Und was noch wichtiger ist: Ist Großbritannien wirklich so relevant, wie es sich selbst darstellt? Schließlich werden die Sanktionsdrohungen von Truss keinerlei Ergebnisse in Bezug auf die Ukraine bestimmen, was immer auch passieren mag.
Zusammenfassend sehen wir jetzt eine britische Außenpolitik, die mit wenig Substanz hoch auf dem Ross der Rhetorik reitet, viel auf Drohungen und wenig auf Lösungen setzt und anscheinend vollständig jedes rationale Konzept dessen aufgegeben hat, was das nationale Interesse betrifft. Brexit-Britannien ist zu einer Farce seiner selbst geworden, und es verdient nicht, auf der internationalen Bühne ernst genommen zu werden.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Übersetzt aus dem Englischen.
Tom Fowdy ist ein britischer Autor und Analytiker für Politik und internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Ostasien. Er twittert unter @Tom_Fowdy
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