"Ich steckte mit Novak Đoković in Australiens Flüchtlingshotel fest – und es ist die Hölle"
Eine Recherche von Chris Sweeney
"Hörst Du das?" fragt Mehdi Ali, ein Asylsuchender aus Iran, dessen gelassenes Auftreten stark im Kontrast zu seiner verzweifelten Lage steht. Die lauten Sprechchöre, die "Đoković! Đoković !" rufen, gelten einem Mann, der in einem Zimmer sitzt, das identisch ist mit jenem von Ali, einfach eine Etage tiefer, im ersten Stock dieses "Hotels" in Melbourne.
Der weltbeste Tennisspieler Novak Đoković kam nach den Querelen um sein Visum ins Park Hotel und war hier bis zum Gerichtsentscheid über seinen weiteren Verbleib in Australien am Montag eingesperrt. Das Park Hotel wurde von den australischen Behörden als "alternativer Ort für Internierung" eingerichtet und beherbergt eine Anzahl von Asylbewerbern und Flüchtlingen aus aller Welt.
Die Familie von Đoković wurde mit Häme übergossen, weil sie behauptet hatte, die "Folterung" des Superstars käme der Kreuzigung Jesu gleich und er werde wie ein "Strafgefangener" behandelt. Aber nach Ansicht von Bewohnern und Experten, die Erfahrungen mit dem sogenannten "Park Hotel Gefängnis" haben, sind diese Behauptungen gar nicht mal so weit hergeholt. RT sprach mit einem Insassen, der sich als Mehdi Ali vorstellte und einem anderen, ehemaligen, "Gast", Farhad Bandesh, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie das Leben für jene ist, die von den australischen Behörden dort interniert werden.
Bandesh ist ein sanft sprechender 40-jähriger kurdischer Künstler und Musiker, der im Dezember 2020 ein anderes Internierungszentrum in Melbourne verlassen konnte. Er zeichnet ein düsteres Bild der Zeit, die er dort verbringen musste. "Die Insassen im Park Hotel können nicht spazieren gehen, das Gebäude und Gelände ist bewacht und man ist somit eingesperrt", sagt er. "Es gibt keine Privatsphäre, die Wachen unterziehen jedes Zimmer mehrmals am Tag einer Durchsuchung und versuchen so, die Insassen zu zermürben. Man nimmt ihnen einfach die grundlegenden Menschenrechte."
Nachdem Bandesh sechs Jahre in Australiens umstrittenem Regionalen Center für Erstaufnahme auf der Insel Manus, Papua-Neuguinea, verbracht hatte, wo man ihn nach eigenen Angaben misshandelt und beleidigt hatte, wurde er aus medizinischen Gründen in eines der "Hotels" in Melbourne überstellt.
Mehdi Ali hingegen kam in Melbourne nach einem Aufenthalt in einer Einrichtung für die Erstaufnahme auf der Pazifikinsel Nauru an, ein Ort den er als "grausam und brutal" bezeichnet, und wo er Zeuge wurde, wie sich Internierte aus Verzweiflung bei lebendigem Leib verbrannten. Der 24-Jährige hat bisher neun Jahre im australischen Einwanderungssystem verbracht, wobei das Park Hotel seit einigen Monaten sein Zuhause ist. Es ist eine schwierige Existenz, bei der die einzige Möglichkeit, den freien Himmel zu sehen, eine gemeinschaftliche Dachterrasse ist, die zu klein ist, um sich darauf die Beine zu vertreten.
Er verbringt die meiste Zeit in seinem klaustrophobisch kleinen Zimmer, wo sich die Fenster nicht öffnen lassen und das über keinerlei Wohnkomfort verfügt, lediglich ein Bett und ein paar einfache Stühle stehen darin. Er darf das Hotel nur für Arzttermine verlassen und wird dabei von Wachen begleitet. "Du kannst mit den anderen Jungs rumhängen, du kannst zum Rauchen in die vierte Etage gehen, aber das ist so ziemlich alles", erklärt er.
Das ungenießbare Essen ist die einzige Option, da man sonst nichts kaufen könne. Verschimmeltes Brot und kleine Plastikbehälter mit schlammigen Soßen gehören im Park Hotel zum Standard, und Bandesh behauptet sogar, dass nicht wenige gelieferte Mahlzeiten mit Maden versetzt waren. Ali bestätigt: "Die Qualität des Essens ist wirklich schlecht – manchmal esse ich einfach nichts." Er fügt hinzu, dass eine der Wachen ihm gesagt hätte, dass Đoković dieselben Mahlzeiten wie die restlichen Bewohner bekomme. Der Tennisprofi ist jedoch Veganer.
Verständlicherweise hat der prominente Insasse Đoković dazu geführt, dass das Park Hotel die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Draußen vor der Anlage versammelten sich Menschenmengen – eine Mischung aus Fans des 20-fachen Grand-Slam-Gewinners, Asyl-Aktivisten, Demonstranten gegen die Pandemie-Maßnahmen der Regierung und natürlich Medienvertreter aus aller Welt.
Das ist für die Insassen verunsichernd. "Wenn Menschen sich draußen zu Sprechchören versammeln und die Tage nicht mehr wie alle anderen Tage sind, nachdem dieses Ereignis hier eingetreten ist, empfinden wir diese Tage als belastende Tage", sagt Ali. "Wir haben nicht mehr die Kraft, zusätzliche Dramen und Tragödien auf uns zu nehmen oder zusätzlichem Druck standzuhalten." Obwohl er bestrebt ist, zuversichtlich zu bleiben, zeugt Alis Tonfall von jemandem, der von seiner Notlage zermalmt wird, und es ist schwer, sich nicht zu fragen, was von seiner Entschlossenheit bleiben wird, wenn er eines Tages seine Freiheit wiederbekommen sollte. Zumal es kein klares Datum gibt, wann das je der Fall sein wird.
"Sie halten uns ohne Grund hier fest, eine kleine Anzahl von Menschen, als Bauernopfer, denke ich, im Gerangel um die Internierungspraxis auf den Inseln jenseits der Küsten Australiens, wie politische Gefangene. Hier herrscht eine humanitäre Katastrophe, und die australischen Medien sind auf diesem Auge blind. Selbst Strafgefangene werden besser behandelt als wir. Zumindest wissen die, wann sie aus dem Gefängnis entlassen werden. Diese grausame Ungewissheit beeinträchtigt auch unsere geistige Gesundheit.
Bei den meisten von uns wurden posttraumatische Belastungsstörungen diagnostiziert. Andere tragen sich ständig mit dem Gedanken an Selbstmord oder haben Panikattacken. Manche hier haben Krebs, andere brauchen chirurgische Eingriffe, medizinische Behandlungen oder Medikamente, die sie entweder gar nicht oder nur sehr zögerlich bekommen."
Bandesh bestätigt die Verzweiflung: "Sie behandeln uns schlechter als Kriminelle", sagt er. "Ich und alle anderen wurden dort ohne Grund eingesperrt." Jetzt ist er draußen und hat ein vorläufiges Aufenthaltsvisum, das alle sechs Monate erneuert werden muss. Er hofft, dass der Aufenthalt von Đoković im Park Hotel den Tennisstar dazu bewegen könnte, auf das, was dort vor sich geht, aufmerksam zu machen.
Er sagt: "Es wäre großartig, wenn er sich hierzu zu Wort melden würde. Es muss Druck auf die australischen Behörden ausgeübt werden, diese Menschenrechtsverletzungen zu beenden. Die internationale Gemeinschaft muss uns helfen, die Behörden für die Folter verantwortlich zu machen, die sie so vielen Menschen zugefügt haben, die aus schrecklichen Situationen geflohen sind und einfach nur Hilfe und Sicherheit suchen."
Bandesh ist nicht allein in seiner Hoffnung, dass die Aufmerksamkeit, die Đoković mit sich gebracht hat, eine Veränderung für die eingesperrten Männer erzwingen wird. Marion Costello, Sprecherin der Whistleblowers, Activists & Community Alliance (WACA), sagt: "Zwar sind die Mainstream-Medien jetzt da draußen unter den verriegelten Fenstern der Unterkünfte versammelt, aber sie sind nicht gekommen, um der Welt über die Notlage der Flüchtlinge in diesen stickigen Unterkünften, in dieser drittklassigen Absteige zu berichten, das eine Ad-hoc-Einrichtung zur Internierung von Asylsuchenden ist, bewacht von einer privaten Bewachungsfirma."
"Novak Đoković ist im Kontext der COVID-Pandemie in politische Machenschaften um die sogenannte Grenzsicherung geraten und ist nun 'Gast' dieser Einrichtung. Im Gegensatz zu Đoković, der nur kurze Zeit dort sein wird, werden die anderen 'Gäste' auf unbestimmte Zeit dort inhaftiert bleiben."
Die Menschenrechtsaktivistin Dr. Louise Hansen fügt hinzu: "Ich hoffe auch, dass der Aufenthalt von Novak Đoković ein Licht auf die anderen 33 Männer wirft, die jetzt seit neun Jahren im Park Hotel interniert sind, und auch auf Australiens inakzeptable Menschenrechtsbilanz."
Das Schicksal von Ali und den anderen Mitbewohnern von Đoković hängt von den Behörden ab. Die Aktivistin Jenell Quinsee erklärt jedoch, dass diese Männer sich, selbst wenn man ihnen ihre Freiheit gewähren sollte, auf die Hilfe von Fremden verlassen müssen: "Es gibt einige Organisationen, die Menschen unterstützen, aber deren Kapazitäten sind wirklich sehr begrenzt. Ich denke, es ist ein schönes Zeichen, dass jetzt Teile der australischen Gesellschaft antreten, Initiative zeigen und sich in Bezug auf die Menschenrechte engagieren, nachdem die australischen Behörden dies nicht tun."
Das Schicksal von Đoković, nachdem er das Park Hotel verlassen hat, wird natürlich ein ganz anderes sein, unabhängig davon, ob er an den Australian Open teilnehmen darf oder nicht. Die Welt wird gespannt sein, was er, wenn überhaupt, über seine Zeit dort sagen wird – und über die Menschen, die er dort kennengelernt hat.
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Übersetzt aus dem Englischen.
Chris Sweeneyist Autor und Kolumnist, der für Zeitungen wie The Times, Daily Express, The Sun und Daily Record sowie für mehrere internationale Zeitschriften geschrieben hat. Man kann ihm auf Twitter folgen @Writes_Sweeney
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