Meinung

Der Krieg ist abgesagt, aber die Deutschen merken nichts

Ist etwas passiert bei dem Telefonat zwischen Biden und Putin? Wer die deutsche Presse liest und deutschen Politikern lauscht, denkt das sicher nicht. Die Wirklichkeit ist aber wieder einmal anders. Tatsächlich haben die USA ihren Kurs geändert.
Der Krieg ist abgesagt, aber die Deutschen merken nichtsQuelle: www.globallookpress.com © Michael Kappeler

von Dagmar Henn

Es ist eindeutig. Die US-Amerikaner telefonieren zu wenig. Anders ist es nicht zu erklären, dass in den deutschen Medien die publizistische Aufrüstung weiter läuft und die US-Günstlinge in der deutschen Politik weiter Drohungen gegen Russland auswerfen, als wäre nichts passiert – bei diesem Telefonat zwischen Biden und Putin.

Klar, bei gewissen Personen mag es auch kognitive Anpassungsschwierigkeiten geben, wenn der große Flugzeugträger seinen Kurs ändert. Omid Nouripour, einer der schärfsten (oliv)grünen Kriegstreiber, forderte noch vorgestern NATO-Truppen in der Ukraine, und Annalenchen erklärte, "dass wir nicht nur als Bundesrepublik Deutschland, sondern auch als EU und G7 in voller Solidarität hinter der Ukraine stehen." Die FAZ rührt die Trommel für Waffenlieferungen an Kiew und die BILD lässt mit der gleichen Absicht sogar den von der Konrad-Adenauer-Stiftung aufgebauten schlechtesten Bürgermeister Kiews zu Wort kommen, der sich 2014 ein eigenes Freikorps zulegte, um den ukrainischen Bürgerkrieg zu schüren. Und noch gestern brachte das ZDF begeistert die Schlagzeile "Baerbock droht Russland", als könnte das mehr als einen Lacherfolg ernten. Eben, als wäre nichts passiert bei diesem Telefonat zwischen Biden und Putin.

Der Spiegel verkauft sein Herumräsonieren auf gewollt unvollständiger Grundlage gar als Analyse und kommt zu dem Schluss, dass ein "russischer Krieg gegen die Ukraine" denkbar sei. Es ist halt schwierig, die Bewegungen rund um den Donbass zu verstehen, wenn man die auf ukrainischer Seite nicht sieht oder nicht sehen will. Ja, da stehen im Moment etwas verlorene Truppen herum, auf ukrainischer Seite. Denn die Bewilligung zum Angriff, die sie aus Washington erwartet haben, werden sie nicht bekommen. Nicht nur dem Spiegel ist das hierzulande entgangen. Als wäre nichts passiert...

Und – zugegeben – die entscheidenden Informationen haben die US-Amerikaner nicht an die große Glocke gehängt, sondern etwas versteckt. Man konnte sie am Sonntag in einer Meldung von AP finden. Doch vor den entscheidenden Zeilen stehen noch ganz, ganz viele Beteuerungen der Solidarität mit der Ukraine. Aber hier die eigentliche Information: "Biden sagte, die USA wären bereit, bei "vertrauensbildenden Maßnahmen" mitzuwirken, um einen Friedensvertrag von 2015 umzusetzen". Dieser Friedensvertrag sind die Minsker Vereinbarungen. Deutlicher wird das durch die übliche halboffizielle Mitteilung:

"Regierungsmitarbeiter haben nahegelegt, dass die USA Druck auf die Ukraine ausüben werden, der östlichen Region des Donbass, die jetzt unter der faktischen Kontrolle von durch Russland unterstützten Separatisten ist, die sich 2014 gegen Kiew erhoben, formell eine gewisse Autonomie zu gewähren."

So unauffällig dieser Satz scheint, er bedeutet eine entscheidende Wende. Denn die Verankerung der Autonomie ist der erste Kernpunkt des politischen Teils der Minsker Vereinbarungen; jenes Teils, dessen Umsetzung in bald sieben Jahren nicht einmal begonnen wurde, weil – ja, nun – weil gewisse politische Mächte, die die Kiewer Regierung kontrollieren, keinerlei Druck auf sie ausübten, ihren Verpflichtungen nach den Minsker Vereinbarungen tatsächlich nachzukommen.

Es war immer Kiew, das blockierte, und hinter Kiew die USA. Wobei nicht davon auszugehen ist, dass sich Berlin und Paris währenddessen besonders darin hervorgetan hätten, in Kiew auf die Einhaltung der Vereinbarung zu pochen; aber jetzt gibt es das erste Mal eine derartige Aussage von US-amerikanischer Seite.

Man muss das für solche Politikernaturen wie Baerbock oder Nouripour vermutlich übersetzen, ehe sie noch weiter wochenlang den Popanz der "russischen Bedrohung" aufpusten, dass sie fast außer Atem geraten: Der Krieg ist abgesagt. Selenskij – das zumindest lässt sich aus seinen wirren Aussagen zu einem Referendum herauslesen – wurde das bereits mitgeteilt, und er sucht gerade nach Wegen, um aus der Ecke, in die er sich manövriert hatte, mit heiler Haut herauszukommen, ohne dass ihm die Ukro-Nazi-Truppen das Fell über die Ohren ziehen. Das Telefonat mit Baerbock oder Nouripour hat es offenkundig noch nicht gegeben. Und wer immer für sie die Pressemeldungen bearbeitet, hat diese kleine Information übersehen.

Ach ja, und dann gibt es noch diesen Punkt: "Biden wird auch Fingerspitzengefühl brauchen, was den Wunsch der Ukraine angeht, sich der NATO anzuschließen. Die USA und die NATO weisen Putins Forderungen zurück zu garantieren, dass die Ukraine nicht Mitglied der westlichen Militärallianz wird. Aber führende Mitarbeiter des State Department haben der Ukraine mitgeteilt, dass einer NATO-Mitgliedschaft im Verlauf des nächsten Jahrzehnts kaum zugestimmt würde, wie eine Person, die mit diesen privaten Gesprächen vertraut ist, unter der Bedingung der Anonymität mitteilte." Da hat sich Nouripour ganz umsonst dafür stark gemacht; denn das ist die inoffizielle Mitteilung an Moskau, dass man getroffene Absprachen umsetzt.

Dann wird noch ein ehemaliger US-Botschafter in der Ukraine von AP sinngemäß zitiert, die Ukraine könne gebeten werden, dem Donbass seine eigene Gesundheitsversorgung, Polizei und Schulen zu gewähren.

Wer die Minsker Vereinbarungen kennt, weiß, dass "Polizei" in diesem Fall auch die Sicherung der Grenze zu Russland beinhalten wird. Das war ja genau der Punkt, an dem die deutsche Berichterstattung die Vereinbarungen am schlimmsten verfälschte; immer wieder wurde geschrieben, der Donbass müsse die Kontrolle der Grenze an Kiew übergeben. Aber die Minsker Vereinbarungen sind ein klug geschriebenes Abkommen; nach einer mit den Donbass-Republiken abgestimmten Autonomieregelung und nach einem mit ihnen abgestimmten Wahlrecht sollen dort Wahlen stattfinden, und dann die Kontrolle der Grenze de jure an die Ukraine übergehen; faktisch jedoch – und das ist ein nicht unwichtiger Punkt, weil nur das das für einen wirklichen Frieden erforderliche Vertrauen ermöglicht – würde die Kontrolle aber in den Händen der Polizei der autonomen Region verbleiben.

Diese Meldung von AP besagt also, dass die US-Regierung jetzt das erste Mal seit dem Abschluss der Minsker Vereinbarungen konkrete Schritte unternehmen will, die für deren Umsetzung sorgen. Das ist eine echte Kehrtwende im gesamten Ukraine-Konflikt und ein erster nennenswerter Schritt hin zu einer Lösung.

Aber wer erklärt jetzt Baerbock und der deutschen Presse, dass der Vorhang in dem Stück, für das sie noch so eifrig werben, bereits gefallen ist?

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