Es lohnt sich, der apokalyptischen Warnung des Papstes an die EU zuzuhören
Ein Kommentar von Paul A. Nuttall
Ausschlaggebend für die Schelte des Papstes war ein 30-seitiges Dokument der Gleichstellungsbeauftragten der Europäischen Kommission, Helena Dalli, das besagte, dass Verweise auf das Christentum in den EU-Institutionen gestrichen werden sollten. Beispielsweise werden in diesem Dokument EU-Mitarbeiter aufgefordert, das Wort "Weihnachten" durch "Feiertage" zu ersetzen, da "nicht jeder die christlichen Feiertage feiert und nicht alle Christen sie an denselben Tagen zelebrieren". In ähnlicher Weise heißt es in diesem Dokument auch, dass Mitarbeiter sich nicht auf "christliche Namen", sondern auf "Vornamen" oder "Erstnamen" beziehen und keine Namen verwenden sollten, "die typischerweise einer Religion angehören".
Dieses drastische Dokument sorgte im Netz für so viel Empörung, dass die Europäische Kommission von seiner Umsetzung Abstand nahm. Die Verurteilung dieses Dokuments kam jedoch nicht nur aus den sozialen Medien oder von rechtskonservativen Politikern. Der Papst selbst meldete sich zu Wort, und seine Kommentare gehören zu den scharfsinnigsten und abschätzigsten Denunziationen über die EU, die ich je gelesen habe.
Papst Franziskus sagte, dass Dokumente wie dieses "eine Marotte des verwässerten Säkularismus" darstellen. Er warnte, dass "so etwas im Laufe der Geschichte nie funktioniert hat'' und erklärte, dass "in der Geschichte viele Diktaturen versucht haben, solche Dinge umzusetzen. Ich denke dabei an Napoleon, die Nazi-Diktatur, oder den Kommunismus." An diesem Punkt bin ich fast vom Stuhl gefallen. Ich habe noch nie eine Person von solch einer Statur davor warnen hören, wohin die Reise der EU gehen könnte. Aber der Papst ging noch weiter und stellte die Besessenheit der EU von kultureller Integration in Frage. Tatsächlich sieht er die Gefahren des "Eine-Schuhgrösse-für-Alle"-Ansatzes für Europa wesentlich deutlicher als die meisten Eurokraten in Brüssel.
Er sagte: "Die Europäische Union muss aufpassen, dass sie nicht den Weg der ideologischen Kolonisierung einschlägt. Dies könnte dazu führen, dass Länder gespalten werden und die EU scheitert." Er warnte auch, dass die Eurokraten "die Vielfalt der Länder respektieren müssen und sie nicht vereinheitlichen sollen. Ich glaube nicht, dass man das tun wird, aber seien wir vorsichtig, denn manchmal kommen sie und werfen Projekte wie dieses auf."
Dies sind in der Tat weise Worte von Papst Franziskus. Allzu oft erleben wir, wie die EU, die sowohl finanziell als auch ideologisch von den westlichen Mitgliedsstaaten dominiert wird, versucht, den Ländern in Mittel- und Osteuropa liberale und säkulare kulturelle Werte aufzuzwingen. Das Resultat daraus ist, dass sich die Regierungen von Polen und Ungarn nun in einem ständigen Kleinkrieg mit der EU befinden. Diese Länder wollen ihre eigene Kultur und ihre christlichen Werte schützen und werden deswegen vor EU-Gerichte gezerrt. Ich habe sogar vorausgesagt, dass, wenn die EU diesen Weg der erzwungenen Integration fortsetzt, dies zu einem Bruch innerhalb der Union von Ost nach West und entlang kultureller Grenzen führen wird.
Nun, ich habe schon einmal gehört, wie Papst Franziskus die EU in diese Richtung kritisiert hat. Ich saß 2014 im Europäischen Parlament in Straßburg, als er davor warnte, dass die EU "Regeln festlegt, die als unsensibel gegenüber einzelnen Menschen wahrgenommen werden". Doch anscheinend haben die EU-Institutionen seine Warnungen nicht ernst genommen, und sieben Jahre später machen sie immer noch dieselben Fehler. Vielleicht ist dies der Grund, warum sein Urteil über die EU diesmal weitaus schärfer ausgefallen ist.
Als Katholik habe ich mich über die Aussagen des Papstes gefreut. Ich hoffe, dass die katholische Kirche endlich auf die Bedrohung aufmerksam geworden ist, den die Art des aggressiven aufgeweckten Säkularismus, der von der EU praktiziert wird, für ihre Zukunft darstellt. Wenn der Papst den Kampf gegen den "woken zeitgeist" anführen kann, wird er nicht nur ein Hoffnungsträger für diejenigen sein, die der Meinung sind, dass man bereits zu weit gegangen ist, sondern er wird auch die katholische Kirche schützen und erhalten.
Paul A. Nuttall
ist Historiker, Autor und ehemaliger Politiker. Er war von 2009 bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments und war ein prominenter Aktivist für den Brexit.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Mehr zum Thema - Papst vergleicht die EU mit Nazi-Regime
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.