Meinung

Der wahre Grund, aus dem Menschen zu "Impfgegnern" werden

Angst ist eine starke Emotion, die das Denken trübt und das Urteilsvermögen beeinträchtigt. Das kann dazu führen, dass manche Menschen in einen Zustand zurückfallen, in dem sie passiv das tun, was von ihnen verlangt wird, und Schutz bei jenen suchen, die Sicherheit oder eine passende Lösung gegen ihre Angst versprechen.
Der wahre Grund, aus dem Menschen zu "Impfgegnern" werdenQuelle: www.globallookpress.com © Gottfried Czepluch/www.imago-images.de

Ein Kommentar von Tomasz Pierscionek

Angst und Propaganda, die geschickt in das kollektive Bewusstsein der Öffentlichkeit gesät wird, können Menschen polarisieren und spalten und sie dazu bringen, sich auf unsere Unterschiede zu konzentrieren, anstatt auf das, was uns verbindet.

Ein System, das sogar noch einen Schritt weitergeht und eine Gruppe von Individuen als Verursacher gesellschaftlicher Missstände anprangert, kann allzu leicht die Emotionen der Bevölkerung manipulieren, die bewährte Strategie des Teilens und Herrschens umsetzen und damit widerstandslos mit dem Finger auf "den Anderen" zeigen. Wir haben gesehen, wie sich dies im Laufe der Geschichte bei zahlreichen Gruppen wiederholte: Es waren unter anderem Juden und Muslime, Roma und Flüchtlinge, Christen und Kommunisten, die von der herrschenden Klasse als Sündenböcke benutzt wurden.

Ich erinnere mich an den Text des Songs "Train on Fire" (Brennender Zug) der sowjetischen Rockband Aquarium aus den 1980er-Jahren, der davon erzählt, dass die Parteieliten zu Zeiten der UdSSR auf Kosten des einfachen Volkes profitierten.

"… wir haben diesen Krieg 70 Jahre lang gekämpft.

Uns wurde beigebracht, dass das Leben ein Kampf ist.

Aber neue Erkenntnisse haben ergeben

dass wir die ganze Zeit gegen uns selbst gekämpft haben."

Wie viele Menschen in den letzten 18 Monaten war ich viel Rhetorik über COVID-19 ausgesetzt – einiges war vernünftig, anderes weniger. Ich bin auf allen Seiten Fanatikern begegnet, die versuchten, ihre "Weisheit" durchzusetzen.

In Bezug auf Impfungen warnten mich einige, dass ich sterben könnte, wenn ich mich impfen lasse; andere warnten mich, dass ich sterben könnte, wenn ich es nicht täte. Über den Hype hinausschauend war mir klar, dass mein persönliches Risiko in beiden Fällen gering ist. Letztendlich habe ich mich für die Impfung entschieden, um meine Patienten und diejenigen um mich herum zu schützen, für die COVID-19 tatsächlich eine schlimme oder sogar tödliche Krankheit sein kann.

Meiner Ansicht nach ist es vernünftig, rationale Fragen zu den Nebenwirkungen von Impfstoffen zu stellen, ohne automatisch als Impfgegner dämonisiert zu werden, genauso wie es ein Recht ist zu hinterfragen, wie das Versagen der britischen Regierung in den frühen Tagen der Pandemie zu Tausenden unnötigen Todesfällen geführt haben soll.

Andere Behörden, wie die Regierung des australischen Bundesstaates Victoria, nutzten die Pandemie, um drakonische Gesetze umzusetzen und mithilfe von Polizei, Tränengas und Blendgranaten einen der längsten Lockdowns der Welt brutal durchzusetzen; selbst ältere Menschen waren vor Pfefferspray nicht sicher.

Behörden von US-Städten wie New York drohten damit, die Gehälter von Polizisten, Feuerwehrleuten und anderen Angestellten des öffentlichen Dienstes einzubehalten, die sich nicht bis Ende des Monats haben impfen lassen.

Griechenland und Frankreich hatten die Impfung aller Beschäftigten im Gesundheitswesen angeordnet, was Berichten zufolge dazu führte, dass im vergangenen Monat 3.000 Menschen, Personal aus dem Gesundheitswesen, in Frankreich ohne Bezahlung suspendiert wurden. Kanada plant in Kürze, alle ungeimpften Regierungsangestellten in unbezahlten Urlaub zu schicken.

Meine persönliche Meinung ist, dass die Impfung insgesamt mehr Vorteile als Risiken mit sich bringt. Aber mich beunruhigt die Vorstellung, dass diejenigen, die sich weigern, sich "piksen" zu lassen, Gefahr laufen, in eine unbezahlte und geächtete Unterschicht gedrängt zu werden, was nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Familien trifft. In manchen Kreisen gab es fast schon Gefühlsausbrüche der Genugtuung oder Schadenfreude, wenn ein sogenannter "Impfgegner" an COVID-19 gestorben sein soll. Eine solche Geisteshaltung dient nur dazu, dass die Gesellschaft sich weiter spaltet und die Fronten sich verhärten, ganz zu schweigen vom Mangel an Mitgefühl und einer Auffassung, die dazu führt, jemandes Tod zu "feiern", der sich vielleicht aus persönlichen Gründen (zu Recht oder zu Unrecht) entschieden hat, sich nicht stechen zu lassen.

Es ist enttäuschend zu hören, dass jeder siebte US-Amerikaner Freundschaften zu jenen abgebrochen hat, die sich weigern, sich impfen zu lassen, während ein kleinerer Anteil jener, die eine Impfung ablehnen, dasselbe getan hat.

Prominente und Politiker scheinen Unruhen zu schüren und die Idee zu fördern, Freundschaften aufzukündigen und diejenigen zu dämonisieren, die sich weigern, sich COVID-19-Impfstoffe verabreichen zu lassen – oder jene, die sie sich verabreichen ließen, je nachdem, welche Haltung die Berühmtheit einnimmt.

Ich habe niemandem die Freundschaft aufgekündigt wegen seiner oder ihrer Ansichten über Impfungen, aus demselben Grund, aus dem ich Freundschaften mit Menschen quer durch das politische Spektrum pflege, unabhängig davon, ob ich ihnen politisch zustimme oder nicht. In Zeiten der "Cancel Culture", der Kultur, Andersdenkende aus der Gemeinschaft zu verbannen, in der manche Menschen zu fragil sind, um ihre Weltanschauung und Meinungen aufzubrechen und diese in etwas Stärkerem umzuformen, bin ich der Meinung, dass respektvolle Debatten uns helfen, voneinander zu lernen und sogar unsere eigenen Positionen zu verfeinern und zu stärken.

Persönlich denke ich, dass bei manchen Menschen die Zurückhaltung gegenüber der Impfung auf ein allgemeines Misstrauen gegenüber Autoritäten zurückzuführen ist, das im Laufe der Jahre mit einiger Berechtigung entstanden ist. Regierungen auf der ganzen Welt sowie ihre reichen Unterstützer und ihren Hilfswilligen in Konzernunternehmen und Medien haben uns dazu verleitet, Kriege zu unterstützen und die falschen Ziele anzugreifen, während man gleichzeitig Verwirrung und Uneinigkeit unter den Massen säte. Und dann erwarteten sie, dass wir uns in Bezug auf COVID-19 im Zweifelsfall zu ihren Gunsten entscheiden.

Eine kaputte Uhr zeigt immer noch zweimal am Tag die richtige Uhrzeit an, sie ist aber nicht funktionsfähig. Das Vertrauen in Regierungen ist für viele längst erodiert. Misstrauen kann sich auf ungesunde Weise manifestieren und dazu führen, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen schikaniert werden, obwohl sie es sind, die Leben retten – sowohl vor als auch während der Pandemie – und dies auch weiterhin tun werden.

Diejenigen an vorderster Front zu dämonisieren bedeutet nicht nur, ein weiches und unangemessenes Ziel anzugreifen (von denen, die meisten sich impfen ließen und dies kaum getan hätten, wenn sie es für gefährlich hielten), sondern es fehlt auch der Mut oder die Weisheit, die Machthaber herauszufordern, die diese Krise falsch handhaben und die Spielregeln festlegen. Dieser Nebenschauplatz dient als Ablenkung davon, wie Regierungen auf diese Pandemie schlecht vorbereitet gewesen waren und sie dann für ihre Zwecke ausnutzten, während gleichzeitig die Dienste der öffentlichen Gesundheit schlecht gerüstet waren, um mit plötzlich auftretenden zusätzlichen Krankenhausbelegungen und endlosen Wartelisten für dringende Behandlungen fertig zu werden.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Übersetzt aus dem Englischen.

Tomasz Pierscionek ist Arzt und Kommentator für Medizin, Wissenschaft und Technik. Zuvor war er im Vorstand der Wohltätigkeitsorganisation Medact und ist Herausgeber des London Progressive Journal.

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