Das Fleisch-Paradoxon: Warum der Hund unser bester Freund ist – und wir Kühe zum Fressen gern haben
Ein Kommentar von Charlie Stone
Als sie erfuhr, dass das Volk kein Brot mehr hat, soll Königin Marie-Antoinette darauf mit "Lasst sie Kuchen essen" geantwortet haben. Kurz danach wird ihr mit der Guillotine der Kopf abgeschlagen und die französische Republik eingeläutet. Ich denke aber, niemand wird sie verzehrt haben. Leider ist dies, wie bei so vielen dieser eingängigen Phrasen, mit denen der Lauf der Geschichte gespickt ist, mit ziemlicher Sicherheit erfunden. Doch das Wesentliche bleibt: Die reiche und dumme Königin von Frankreich konnte während der Französischen Revolution nicht verstehen, warum die hungernden Bauern Brot verlangten, wenn Kuchen – eigentlich Brioche – doch so viel schmackhafter war.
"Lasst sie Hund essen" hat aber nicht ganz denselben Klang, oder? In manchen Ländern gilt der beste Freund des Menschen jedoch auch als eine saftige Delikatesse. Es kommt einfach auf den persönlichen Geschmack an, denke ich. Und auf die jeweilige Kultur.
Ich persönlich habe noch nie ein Stück toten Hund gegessen – oder jedenfalls nicht wissentlich. Ich habe jedoch einen Kumpel, der Elektriker ist und mir einmal eine Geschichte über einen Haufen Hunde- und Katzenskelette erzählte, die er vorgefunden hat, als er in einem chinesischen Restaurant in einem englischen Vorort ein bisschen Kabelarbeit vollrichten musste. Glauben Sie mir, ich habe seitdem nie wieder Chow mein gegessen – und handelt es sich bei "Chow-Chow" nicht um eine Hunderasse mit schwarzer Zunge, die ein bisschen wie ein Teddybär aussieht?
Vor ein paar Jahren bin ich über einen Markt in Hanoi, Vietnam, gelaufen, auf dem tote Hunde an Haken hingen, ausgeweidet und gehäutet, so wie man in einer westlichen Metzgerei ein Huhn oder ein Spanferkel vorfinden könnte.
Ich bin Engländer, also war ich natürlich empört. "Was zum Teufel?! Fido kann man verdammt noch mal nicht essen, das ist barbarisch!" Auf demselben Markt gab es in der Nähe einen Stand, der eine Auswahl an süßen Leckereien und Kuchen verkaufte. Warum stattdessen nicht etwas davon essen?!
Ich klang ein bisschen wie Marie-Antoinette. Später traf ich einen Einheimischen, der mir in aller Ruhe erklärte, dass dies normalerweise keine streunenden Hunde seien, die von der Straße geholt und geschlachtet werden. Dies bedeute für die meisten Haustiere nicht das Ende. Und es habe überhaupt nichts mit Armut zu tun, dass man sich stattdessen kein schönes Stück Steak leistet. Diese Hunde seien eigentlich, sagte er, eine besondere Rasse – eine Delikatesse. Ein Gaumenschmaus. "Es ist ein Tier", sagte er. "Schweine sind schlauere Wesen als Hunde, aber wenn es um ein Schinkensandwich geht, hört man all diese Predigten nicht. Oder bekommst Du welche zu hören?" Äh ... er hatte natürlich recht.
Sie haben auch in Südkorea eine Vorliebe für den Verzehr von Hunden. Doch der den Hunden zugeneigte Präsident Moon Jae-in findet, dass dies heutzutage etwas rückständig sei – ganz zu schweigen davon, dass es vor den Augen der Welt etwas peinlich sei. Ich bezweifle jedoch sehr, dass einige der älteren südkoreanischen Bürger genauso denken. Die Südkoreaner essen etwa eine Million Hunde pro Jahr, aber es sieht so aus, als könnten diese bald von der Speisekarte verschwinden.
"Ist es nicht an der Zeit, umsichtig zu sein und darüber nachzudenken, den Verzehr von Hundefleisch zu verbieten?", fragte Moon seinen Premierminister. Ich denke, dass das viel mehr mit dem kulturellen Zustrom aus dem Westen nach Südkorea zu tun hat und weniger mit Tierschutz.
Entweder Sie essen Tiere oder Sie lassen es bleiben, oder? Nutzen Sie sie wegen ihres Fells oder aus anderen Gründen – oder auch nicht. Ist es nicht absurd, Lebewesen nach ihrem vermeintlich freundlichen Verhalten oder ihrer Niedlichkeit zu beurteilen? Babyrobben sind verdammt süß, aber das hält Jäger nicht davon ab, ihnen wegen ihres Fells den Schädel einzuschlagen. Ein Ferkel, das im Hof herumtrollt, bringt auch Spaß, aber das hält die Leute nicht davon ab, es auf einen Spieß zu stecken und es über offenem Feuer zu grillen.
Man sagt, dass in einigen Kulturen Affenhirne gegessen werden, und zwar direkt aus dem Schädel des Affen, der vielleicht sogar noch am Leben ist. Dies ist sogar in einem drittklassigen Horrorfilm namens "Faces of Death" (Gesichter des Todes) zu sehen. Aber das ist wahrscheinlich alles Blödsinn, genauso wie das Zitat von Marie-Antoinette. Die Szene in "Faces of Death" war ein ziemlich amateurhafter Fake.
Die Produktion von Halal-Fleisch ist hingegen sehr real und ziemlich barbarisch, wenn man genau darüber nachdenkt. Oft wird das Tier nicht einmal betäubt, wenn ihm die Kehle durchgeschnitten wird, damit es ausblutet.
Ein Lebewesen, das geschlachtet wurde, damit es auf einem Teller serviert werden kann, bleibt immer noch ein totes Lebewesen. Egal ob Hund oder Schwein, Kuh oder Ente. Es ist nur eine Frage der jeweiligen Kultur. Auf den Philippinen essen sie Eier mit Embryonen, und eine ganze Reihe von Insekten gelten in vielen Ländern als Leckerbissen. Pferdefleisch ist in Spanien immer noch ziemlich verbreitet, es soll den Menschen Kraft verleihen. Dieselbe Kraft, die das tote Pferd hatte, als es noch fröhlich über die Weide galoppierte. Der Anblick all dieser Dinge im Laufe der Jahre, das gebe ich zu, ließ mich fast erbrechen.
Trotzdem mag ich Sandwiches mit Speck und Ei. Obwohl das Argument für den Tod dieses Schweins immer weniger Sinn macht, insbesondere wenn man die negativen Auswirkungen der Fleischproduktion auf den Planeten bedenkt. Wissenschaftler sagen, das Beste, was jeder von uns tun kann, um unseren Beitrag zur Rettung des Planeten zu leisten, ist, nicht weniger zu fliegen oder Solaranlagen auf dem Dach zu installieren – es ist, weniger Fleisch und Milchprodukte zu essen.
Meiner Meinung nach gibt es ein überzeugendes Argument dafür, zum Vegetarier zu werden. Doch unterscheidet sich der Verzehr von gewissen Lebewesen – ob nun Rind oder Huhn, Pute, Lamm oder Ente – vom Verzehr von Hundefleisch? Und wenn ja: Inwiefern?
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Übersetzt aus dem Englischen. Charlie Stone ist Autor und Journalist, der für die BBC und für mehrere britische und internationale Medien gearbeitet hat.
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