Meinung

Der Kampf um Brüssel zwischen Washington und Peking wird weitergehen

Innerhalb der EU gibt es über den Umgang mit Peking unterschiedliche Ansichten. Die Mitgliedsstaaten der Union müssen erkennen, dass es bei der Entwicklung einer Strategie nicht immer der beste Weg ist, den USA zu folgen. China und die EU stehen an einem Scheideweg.
Der Kampf um Brüssel zwischen Washington und Peking wird weitergehenQuelle: www.globallookpress.com © Cai Guodong / XinHua

Ein Kommentar von Tom Fowdy

Der September wird ein wichtiger Monat für die Neudefinition der Beziehungen der EU zu China, da sich die Außenminister zu einem zweitägigen Gipfel treffen, bei dem China und die Krise in Afghanistan ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Bislang war 2021 kein gutes Jahr für die Beziehungen zwischen Brüssel und Peking.

Die Entscheidung der EU, sich den Vereinigten Staaten in einer Sanktionsserie gegen chinesische Beamte wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen in der Provinz Xinjiang anzuschließen, erwies sich als kurzsichtiger Fehler. Denn China reagierte prompt und verzögerte das begehrte umfassende Investitionsabkommen (CAI), mit dem europäischen Unternehmen der Marktzugang in China erleichtert werden soll.

Zu einer weiteren Krise kam es, nachdem Litauen beschlossen hatte, seine Beziehungen zu Taiwan auszubauen. Dies hat die Situation seitdem verschlimmert, da China seine diplomatischen Beziehungen mit dem baltischen Land reduziert und nun Handelssanktionen gegen das Land erwägt, was wiederum nach Ansicht von Vertretern der EU gegen internationales Recht verstößt.

Der bevorstehende Gipfel der Außenminister wird sich wahrscheinlich nicht zu irgendwelchen Maßnahmen verpflichten, sondern darauf abzielen, einen neuen grundlegenden Konsens darüber zu erzielen, welche Strategie verfolgt werden soll.

Auf der anderen Seite ist China bestrebt, aus der derzeitigen Sackgasse herauszukommen, da es die Wichtigkeit einer Beibehaltung der Beziehungen zur EU erkennt. Zudem ist China daran interessiert zu verhindern, das Brüssel eine Allianz mit den USA als wichtigen Bestandteil seiner eigenen Strategie eingeht. Infolgedessen hat Außenminister Wang Yi in letzter Minute Anstrengungen unternommen, um Unterstützung zu gewinnen. Er rief einen Gesandten bei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an, um ihm die Botschaft zu übermitteln, dass China und Europa Partner und nicht Rivalen sein sollten.

Es überrascht nicht, dass Europa in seinen Beziehungen zu China an einem Scheideweg steht. Aber nach den Szenen, die wir in den vergangenen Wochen in Afghanistan erlebt haben, und der wachsenden Erkenntnis, dass die politischen Ziele von US-Präsident Joe Biden auf heißer Luft basieren und er sich nicht so stark für "Verbündete" einsetzt, wie er behauptet hat. Die EU insgesamt sollte vorsichtig sein, wenn sie auf Washingtons Zug aufspringen und das Mantra des "systemischen Wettbewerbs" voll und ganz übernehmen will.

Doch das ist angesichts der vielschichtigen Überlegungen zur EU-Außenpolitik leichter gesagt als getan. Und so ist auch dann nichts garantiert, wenn die EU – oberflächlich betrachtet – auf Konfrontation bedacht zu sein scheint. Dies macht den weiteren Weg unsicher, mit mehreren potenziellen Fallstricken, die Pekings Versuch zunichte machen könnten, Brüssel zu umwerben und dessen Anti-China-Agenda einzudämmen, in der Hoffnung auf eine Aufrechterhaltung günstiger Wirtschaftsbeziehungen.

Zunächst einmal sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland, Frankreich und China von zentraler Bedeutung. Wie der Streit mit Litauen gezeigt hat, sind Chinas Beziehungen zu Osteuropa und dem ehemaligen Sowjetblock aufgrund der gestiegenen Bereitschaft einiger Staaten, der US-Sicherheitspolitik zu folgen, erheblich angeschlagen. Daher ist es Pekings wiederkehrende Taktik, bei der Festigung seiner Beziehungen zu Europa jeweils über die "Königsmacher" der Union zu gehen, also jenen Staaten, die wirtschaftlich dominieren.

Dies sind ganz offensichtlich Frankreich und Deutschland, die sich aufgrund ihrer gemeinsamen Interessen in den meisten Dingen auf einer Linie bewegen. Wenn sie in offenen Fragen die Führung übernehmen, folgen die anderen Staaten oft nach. Die Vereinbarung zwischen Berlin und Paris war für China günstig, da Emmanuel Macron und Angela Merkel die beiden großen Befürworter des CAI sind und das Engagement gefördert haben. Sie bilden einen wichtigen bilateralen Kanal, weshalb Außenminister Wang Yi Macrons Büro anrief.

Die Grünen als Teil einer Regierungskoalition könnten die Beziehungen zu China auf den Kopf stellen

Jedoch könnte sich dies ändern. Wieso? Merkel, die wichtigste Persönlichkeit in Europa, tritt von ihrem Amt ab und die kommenden Bundestagswahlen führen zu einer neuen Regierungskoalition in Deutschland. Während ein Kanzler von CDU oder SPD voraussichtlich eine ähnliche Chinapolitik verfolgen wird wie die Regierung Merkel, könnten die Grünen, die neokonservativ mit umweltorientierten Tendenzen sind, ein Faktor werden und Peking sehr feindlich gegenüberstehen. Ihre Aufnahme in eine künftige Koalition wird die Dinge auf den Kopf stellen, insbesondere wenn es um Menschenrechte und Xinjiang geht.

Natürlich haben die USA auch gelernt, dass sie dieses Thema leicht nutzen können, um einen Keil in die Beziehungen zwischen der EU und China zu treiben. Wenn die EU gezwungen ist, in Menschenrechtsangelegenheiten Stellung zu beziehen, so stellt sie sich jedes Mal hinter die USA – aus Prinzip. Auch wenn die Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten in anderen Angelegenheiten mit China Geschäfte machen, sind Menschenrechte ein Bereich, der ihr politisches Kapital erschöpft. Das führt uns zum nächsten Thema, dem Europäischen Parlament.

Das Parlament hat begrenzte Befugnisse, aber es hat sich als aggressives Gremium erwiesen, das eine der Hauptquellen der antichinesischen Stimmung in Europa ist. Hier ist weitaus mehr als nur ein Nullsummenspiel in den Beziehungen der EU zu Peking erforderlich, so wie es die Staatsoberhäupter angehen. Das Parlament verabschiedet eine Reihe von Anträgen, von denen viele China gegenüber feindlich sind. Und obwohl die meisten wieder in Vergessenheit geraten, da sie juristisch zahnlos sind, bedeutet die Befugnis des Parlaments, Verträge zu ratifizieren und zu bestätigen, dass es in vielerlei Hinsicht so etwas wie ein "Torwächter" ist. Diese Macht zeigte sich in der Absicht, die Ratifizierung des CAI-Vertrags einzufrieren.

Chinas Einflussmöglichkeiten auf das Parlament sind begrenzt. Dass China verschiedene EU-Abgeordnete auf eine schwarze Liste gesetzt hat, verschlimmerte die Situation zusätzlich und hat Pekings Fähigkeit, mit europäischen Regierungschefs zu sprechen, erschwert. Aber das wirft eine weitere Frage auf: Selbst wenn China den CAI mit den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten neu verhandeln würde, wie überwindet es dann dieses parlamentarische Hindernis?

Die Realität ist, dass China zwar versuchen kann, die Beziehungen zur EU zu verbessern, es jedoch keine schnellen Lösungen geben wird. Die EU als Ganzes ist, abgesehen von einigen östlichen Staaten, Peking gegenüber nicht derart feindlich eingestellt wie die USA. Aber all das täuscht drüber hinweg, dass die vielen institutionellen und diplomatischen Ebenen der EU unterschiedliche Positionen einnehmen. Es ist eine Sache zu sagen, dass die EU ihren eigenen Interessen folgen sollte, aber sie spricht nie mit einer einheitlichen Stimme. Dies führt natürlich dazu, dass Entscheidungsfindungen schwierig sind, was bedeutet, dass von allen Seiten Druck auf die Definition der Beziehungen zu Peking ausgeübt wird. Und das erweckt den frustrierenden Eindruck, dass Brüssel in nichts eindeutig ist.

In diesem Fall werden China und die USA zwar in den kommenden Wochen nach Möglichkeiten Ausschau halten, um die Dinge in Bezug auf die EU in Richtung der jeweils eigenen Interessen zu lenken. Für beide wird es kein geradliniger Weg sein. Was in Europa gesagt und getan wird, sind oft zwei sehr unterschiedliche Dinge, die aus einer Vereinigung vieler unterschiedlicher Interessen resultieren. Und so wird der diplomatische Kampf zwischen Washington und Peking, jedes Element der Brüsseler Maschinerie ins eigene Lager zu bringen, weitergehen.

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Übersetzung aus dem Englischen.

Mehr zum Thema - "Global Times": Der Konflikt China-USA ist kein Konflikt zwischen China und dem Westen

Tom Fowdy ist ein britischer Autor und Analytiker für Politik und internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Ostasien. Er twittert unter @Tom_Fowdy.

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