Meinung

Chinas große soziale Revolution – ein faszinierendes Experiment

Chinas hartes Vorgehen gegen das Gaming als "spirituelles Opium" ist Teil einer großen sozialen Revolution, die Kollektivismus gegen Individualismus ausspielt. Eine sozialistische Reform, die darauf abzielt, den technologischen Wettlauf gegen die USA zu gewinnen.
Chinas große soziale Revolution – ein faszinierendes ExperimentQuelle: www.globallookpress.com © Guo Cheng/XinHua

Ein Kommentar von Tom Fowdy

Die soziale Revolution in China unter Staatschef Xi Jinping gewinnt täglich an Fahrt. Nichts scheint vor ihrem Einflussbereich sicher zu sein. Neben der drastischen Neuordnung des Nachhilfeunterrichts für Schüler, der Eindämmung von Big Tech und einer Kampagne gegen die Promi-Kultur richtet der chinesische Staat nun sein Augenmerk auf das aus seiner Sicht exzessive Gaming unter jungen Menschen. Neue strenge Vorschriften zielen darauf ab, die Aktivitäten junger Menschen auf Gaming-Plattformen auf drei Stunden pro Woche zu beschränken. Die Vorgaben bezeichnen Gaming als "spirituelles Opium" und betonen, dass sich dieses negativ auf die psychische Gesundheit der Spieler auswirkt. Kinder, so geht es aus den Anordnungen hervor, sollen sich mehr auf ihre Bildung konzentrieren.

Dies ist ein weiterer Versuch, Chinas Gesellschaft in Einklang mit seinen nationalen Prioritäten zu bringen, und ein weiterer Hinweis darauf, dass die Interessen von "Big Business" nicht immer die Interessen der Gesellschaft repräsentieren, wie das in vielen westlichen Ländern gewohnheitsmäßig angenommen wird. George Soros hat kürzlich diesbezüglich seinen Unmut geäußert, aber das ist wahrscheinlich mehr als alles andere ein Zeichen dafür, dass China auf dem richtigen Weg ist.

In diesem Zusammenhang haben die Entwicklung und die Verbreitung von Videospielen unser Leben und unsere Art und Weise, wie wir uns unterhalten, umfassend verändert. In nur vier Jahrzehnten haben Computerspiele und Konsolen die Freizeitaktivitäten und Hobbys von Millionen Menschen neu definiert und klassische Familienbrettspiele verdrängt. In den 1990er-Jahren sind Kinder mit verschiedenen Konsolen aufgewachsen, von Playstation über Nintendo und X-Box bis hin zu den heutigen riesigen Online-Plattformen wie Steam. Neben den Auswirkungen auf den Lebensstil hat das moderne Gaming auch eine Megaindustrie hervorgebracht, die Hunderte Milliarden Euro umsetzt.

China besitzt ein großes Stück von dem Kuchen. Hierin liegt aber in den Augen von Präsident Xi Jinping das Problem. Die Gaming-Industrie lebt davon, ihre Produkte zu erhalten und zu erweitern und immer mehr Zeit und Ressourcen junger Menschen zu beanspruchen, auch wenn dies ihre soziale und pädagogische Entwicklung stört. Während Spiele Spaß machen und unterhaltsam sind, sind sie letztendlich nicht die reale Welt. Zeit, die in Spiele investiert wird, bewirkt nie wirklich etwas Greifbares oder Wertvolles. Deshalb tritt China entschlossen auf und sagt: "Genug ist genug. Kinder sollten sich auf die wahren Prioritäten in ihrem Leben konzentrieren." Und die oberste Priorität ist Bildung, nicht das Fantasy-Universum des Gamings.

Für Chinas große Gaming-Konzerne wie Tencent, die bereits mit Pekings umfassenderen Umwälzungen zu kämpfen haben, sind dies schlechte Nachrichten. Aber darin steckt eine angeborene Weisheit, die sich auf Chinas zunehmenden technologischen Kampf mit den USA und deren Vision bezieht, Entwicklungen voranzutreiben.

Und das heißt: China sollte bessere Halbleiter-, Künstliche-Intelligenz- und High-End-Technologie hervorbringen und nicht eine größere und zunehmend praller werdende Gaming-Industrie. Wenn die Ereignisse der vergangenen Monate eine Botschaft hervorgebracht haben, dann die, dass die wirtschaftliche Stärke eines Landes nicht nur durch die Anzahl der Mark Zuckerbergs definiert wird. Xi Jinping artikuliert unermüdlich eine direkte und klare Vision für Chinas Wirtschaft und wendet sozialistische Prinzipien an, um dafür zu werben. Er hat entschieden, dass einige Dinge für Chinas Wirtschaft und dessen strategische Entwicklung wichtiger sind als andere. Es geht nicht nur darum, wer die meisten Milliardäre oder die größten Unternehmen hat. Die Herausforderung mit den USA bedeutet, dass das Land in einem ganz bestimmten Bereich herausragende Leistungen erbringen muss und seine strategische Zukunft und sein Erfolg hiervon abhängen. Daher hat Xi im Rahmen seines umfassenden Bildungsansatzes, der auch ein Ende des gewinnorientierten Nachhilfeunterrichts beinhaltet, seinen Fokus auf junge Menschen und deren Spielgewohnheiten gelegt.

Aber wie genau soll diese Drei-Stunden-Grenze durchgesetzt werden? Wer sagt den Kindern "Du hattest deine drei Stunden, schalte jetzt aus!", insbesondere wenn die Eltern dem Staat gegenüber nicht kooperativ sind? China wird die Last der Umsetzung der Regulierung zweifellos auf die Spielehersteller abwälzen. Und man wird sie bestrafen, wenn sie die Vorgaben nicht implementieren. Basierend auf Chinas modernem Umgang mit Identitäten und Daten sind Menschen gezwungen, sich bei Gaming-Plattformen anzumelden, wo ihr Alter und ihre Identität überprüft werden, wodurch die Spielzeit entsprechend eingeschränkt werden kann.

Es mag durchaus Möglichkeiten geben, diese Hürden zu umgehen. Fragen Sie einfach die Hunderte Millionen Chinesen, die virtuelle private Netzwerke verwenden, mit denen die wahre Identität oder der Standort eines Nutzers verschleiert werden. Somit ist das Ausmaß der Wirksamkeit unklar und vieles hängt von der Bereitschaft der Eltern ab, Verantwortung zu übernehmen und ihre Kinder zu disziplinieren.

Zusammengefasst signalisiert China klar, dass es keine Gamer will, braucht oder schätzt. Gaming ist ein Zeitvertreib, der im Grunde genommen eine Ablenkung ist, etwas, das in Maßen in Ordnung ist, aber nicht in exzessiver Form, da dies keinen gesellschaftlichen Wert bedeutet. Indem Peking Gaming als "spirituelles Opium" brandmarkt, stellt es metaphorisch eine Beziehung zur Geschichte des Landes her: Dass China in einen neuen "Opiumkrieg" gegen den Westen verstrickt ist, mit einer Reihe von Ländern, die China ihre ideologischen, wirtschaftlichen und strategischen Präferenzen aufzwingen wollen. So, wie es die Briten im 19. Jahrhundert mit ihrem Opiumexport vom indischen Subkontinent aus nach China versuchten.

Aber dieses Mal hat Peking beschlossen, dass sich diese Art der Unterwerfung nicht wiederholen wird. Xi Jinping will keine Gesellschaft von Gamern, er will eine Gesellschaft von Ingenieuren, Wissenschaftlern, Ärzten und Erfindern. Menschen, die dafür sorgen, dass Peking den technologischen Wettlauf gewinnt und im Wettbewerb mit den USA die Oberhand gewinnt. Dabei setzt er die Prinzipien des Kollektivismus gegen die individualistische Natur westlicher Gesellschaften ein, in denen Kinder machen dürfen, was sie wollen. Dies ist die Ära einer neuen sozialistischen Reform, die sehr ehrgeizig und eindeutig radikal ist. Es wird ein faszinierendes Experiment.

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Übersetzt aus dem Englischen. Tom Fowdy ist britischer Autor und Analyst für internationale Beziehungen, mit Schwerpunkt auf Ostasien. 

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