Schnell, billig, üppig: Bei mobilen Internet-Tarifen ist uns Russland dreifach überlegen
von Björn Kawecki
Ganz ehrlich: Russlands Mobilfunkanbieter haben es eben drauf. Schon vor Jahren ist mir das bei Reisen dorthin aufgefallen. Mein Handy in der einen Tasche war immer glücklich, der Geldbeutel in der anderen auch. Erstens war das Handy immer mit ausreichend Datenvolumen versorgt. Und zweitens setzte ich damit nicht gleich meine finanzielle Existenz aufs Spiel.
Umso tiefer war jedes Mal der Fall, wenn ich zurück nach Deutschland kam. Die Flatrate zum Telefonieren, die gibt es bei uns immerhin. Aber das wertvolle Datenvolumen ist bei den Internetsüchtigen unter uns flugs weggesurft. All die schönen Angebote für mich als Verbraucher, an die ich mich kurzzeitig gewöhnen durfte, musste ich in Russland zurücklassen; stattdessen wieder die gewohnten Schweißausbrüche bei Warnungen zum Datenvolumen, das schneller schmilzt als das Eis in der Arktis.
Es ist nicht zu leugnen: Das deutsche Internet ist im europaweiten, ja im weltweiten Vergleich erstaunlich langsam und teuer. Besonders das mobile Internet, das man doch unterwegs mit vielen datenhungrigen Apps nutzen will – und soll. Datenflatrates? Gott behüte die Provider! Nur mit Vertrag und jahrelanger Laufzeitknebelung für die Nutzer.
Blühende digitale Landschaften
Und das Smartphone ist keine Erfindung mehr von gestern. Transhumanisten planen sicher schon die Verpflanzung von Handys ins Gehirn, während ich mich in Deutschland über die mageren Gigabyte meines Prepaid-Tarifs ärgere.
Klar, für besseres, schnelleres, günstigeres Netz muss ich nicht erst nach Russland. Bessere Preise haben auch schon unsere Nachbarn in Polen und Frankreich. Aber Russland heimst schon lange den Ruhm für sein gutes Internet ein – und wird im westlichen Teil Europas dennoch eher selten als IT-Pionier zur Kenntnis genommen.
Nicht nur bei der Infrastruktur für schnelles Internet liegt Russland vorne. Blühende Landschaften im digitalen Sortiment zeigen, dass man sich an den Anwendern orientiert: freie Nutzung von Messengerdiensten, sozialen Netzwerken und auf Youtube. Unbegrenzte Nutzung von Musik-Apps. Zuverlässiger Empfang, selbst in den Tiefen der Moskauer Metro. Und wer will, bekommt ein unbegrenztes Datenvolumen mit 1.000 Freiminuten für umgerechnet weniger als 10 Euro, und zwar ganz ohne Vertrag. So einfach kann es sein. Und noch günstigere Tarife bieten schon 50 Gigabyte pro Monat.
Unterwegs: Die Wahl zwischen Telekom oder McDonald's
Wer aber in Deutschland mit seinem internetfähigen Handy viel unterwegs ist, wird vor allem sie kennen, die Hotspots bestimmter Provider, die sich einladend und ohne Passwort anbieten, aber nach dem Verbinden zur Kasse bitten – und dabei für Frust bei allen Anwendern sorgen, die nicht bereits als Kunden "ins Netz" gegangen sind. Wem da unterwegs der mobile Saft ausgeht und man nur mal schnell die Routen-App für eine Wegbeschreibung braucht, der hat Pech – oder muss ein teures Zeitfenster buchen.
Großzügiger sind da schon die Filialen großer Fast-Food- oder Bekleidungs-Ketten. Seit Jahren zeigen die sich als die verlässlichsten Quellen kostenlosen Surfens im öffentlichen Raum. Doch auch die sind nicht allgegenwärtig und häufig nur in den Zentren größerer Städten angesiedelt.
Digitaler Sozialismus ist keine Lösung
Im Deutschland der Funklöcher tut sich aber zum Glück doch etwas. So stattet die Deutsche Bahn nach den IC-Zügen mittlerweile auch ihre Regionalzüge mit kostenlosen WLAN-Zugängen aus. Und auch das Angebot öffentlicher Hotspots durch die Städte nimmt zu.
Nach Angaben vom Chef der Berliner Senatskanzlei soll es in Berlin bereits 8.000 Zugangspunkte für kostenloses und anonymes WiFi geben, an denen sich auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) beteiligen sollen. Gehört damit die Suche nach kostenlosem WiFi der Vergangenheit an?
Jein: Für unattraktive oder fehlende Marktangebote bieten öffentliche WLAN-Zugänge nur bedingt eine Lösung. Denn die gibt es vor allem für das Publikum an hochfrequentierten Orten. Hinzu kommt, dass die nötige Infrastruktur den damit überdurchschnittlich regen Netzverkehr auch aushalten muss. Und garantiert ist der öffentliche Zugang zum Internet im Gegensatz zum privaten auch trotz allem nicht. Sie sind eine Notlösung, ja ein digitaler Sozialismus, wenn der Staat aus Mangel an Alternativen einspringen muss.
Falsche Frage: Warum sind Kosten in Deutschland so hoch?
Die deutschen Telefon- und Internetanbieter gehören allgemein zu den teuersten der Europäischen Union (EU). Echte mobile Flatrates sind in Deutschland total überteuert. Weit günstiger als die Flatrate ist daher immer noch der Kauf von Prepaid-Guthaben. Discounter bieten den Verbrauchern Pakete aus Telefonie-SMS-Internet-Guthaben mit unterschiedlichem Umfang an. Statt Konsumentenglück lösen die wenigen Gigabyte aber höchstens das Gefühl aus, noch in den 2000er Jahren zu leben.
Wie kommt es bei uns zu den hohen Kosten für die Verbraucher? Der durchschnittliche Preis für ein Gigabyte entspricht hierzulande im Jahr 2021 übrigens umgerechnet 3,38 US-Dollar. Zum Vergleich: In den Nachbarländern Frankreich und Polen sind es 0,41 bzw. 0,64 Dollar, in China 0,52 und in Russland – 0,29 US-Dollar. Dabei hat Deutschland seit 2019 immerhin schon etwas aufgeholt, denn damals kostete ein Gigabyte sogar noch umgerechnet 6,96 Dollar.
Hierzu fairerweise das Offensichtliche: Natürlich ist ein Durchschnittseinkommen in Russland um einiges niedriger als in Deutschland. Das Jahreseinkommen in Deutschland betrug knapp 59.000 KKP-Dollar (kaufkraftbereinigter Dollar), in Russland etwa 28.000 KKP-Dollar, also ungefähr halb so viel. Für den Durchschnittspreis eines Gigabytes entspräche das – gemessen am Einkommensunterschied – dennoch nur 0,58 Dollar in Russland, also weiterhin knapp ein Sechstel des aktuellen Preises in Deutschland.
Das Problem: Deutschland sei "zu groß und zu bergig"
Die Kosten pro Gigabyte sagen noch nicht viel über die Qualität der Verbindungen aus. Für die Höhe der Preises sind nämlich zwei Faktoren entscheidend: Die Höhe des Verbrauchs durch die Nutzer und der Zustand der Infrastruktur des Netzes. An der erwünschten Nachfrage wird es in einem modernen Land wie Deutschland nicht mangeln. Folglich muss es ein Problem bei der Infrastruktur geben – und somit muss die Schuld bei den Netzanbietern liegen.
Die Provider sagen aber, dass die hohen Preise mit den Kosten für die Lizenzen, aber eben auch mit dem Netzausbau zusammenhingen, mit dem sie beauftragt sind. Der sei in einem großen und bergigen Land wie Deutschland eben teuer. Folglich muss es ein Problem bei der Geografie geben – und somit muss wohl die Ursache in der geografischen Lage Deutschlands zu suchen sein.
Deutschland – einer der teuersten Netzanbieter der Welt, weil eines der bergigsten oder gar größten Länder der Welt? Was ist das überhaupt für ein Argument in einem Land als einer Heimat von weltbekannter Ingenieurskunst? Hat man solche Ausflüchte je beim Bau von Wasserleitungen oder des Telefonnetzes gehört?
Für manche Experten ist es viel wahrscheinlicher, dass fehlende Konkurrenz das Problem ist. Drei Firmen teilen sich den Anbietermarkt. In ihren Netzen tummeln sich dann die vielen Service-Provider. Noch mehr Experten bemängeln wiederum die komplexen Antragsverfahren für staatliche Fördergelder, um den Ausbau von Glasfaseranschlüssen voranzutreiben. Folglich muss es ein Problem bei ... zumindest sind sich alle darin einig, dass sie eine Antwort gefunden haben, warum es bei uns nicht funktioniert.
Richtige Frage: Warum ist es in Russland so billig?
Was nützt die Suche nach guten Gründen für einen schlechten Zustand? Mich als Konsumenten interessiert das schlussendlich nicht die Bohne. Ich will einfach surfen!
Wenn man als postindustrielles Land beim Internet so weit hinterherhinkt, sollte man aufhören, immer nach den Ursachen für selbst verschuldete Probleme suchen. Dann sollte man über den eigenen Schatten zu springen und schauen, wie es andere besser machen. Das muss nicht einmal unbedingt Russland sein. Die Marktsituation sieht dort aber besser aus als in Deutschland. Im Jahr 2020 teilten sich die fünf stärksten Anbieter nur 71 Prozent des Marktes – gemessen an Kundenzahlen. Die restlichen fast 30 Prozent entfallen auf eine ganze Reihe kleinerer Anbieter.
Und für die ausgezeichnete Infrastruktur sorgte schon ab 2014 das börsennotierte Unternehmen Rostelekom, als es das Glasfasernetz Russlands baute. Russland hat zwar relativ zur Fläche weniger Berge, aber groß ist es doch. Das Auftragsvolumen betrug 160 Milliarden Rubel. Gleichzeitig bauten die größten vier Mobilfunkanbieter Russlands kontinuierlich ihr 4G-Netz aus. Die Folge: Auch die letzten Dörfer haben zuverlässigen Zugang zum Internet, durch das Glasfasernetz gibt es keinen Stau im Datenverkehr. Und die Verbraucher dürfen sich freuen.
Wohlstandsgesellschaft mit niedriger Moral
Man hat also ordentlich Geld in die Hand genommen und die Unternehmen haben die Sache einfach durchgezogen. Geld ist aber die eine Seite. Das sollte man auch bei uns irgendwo finden. Dass es woanders funktioniert, bei uns aber nicht, hat womöglich noch andere Gründe. Dann kann auch mangelnde Moral eine Rolle spielen. Denn dass ein Land Berge versetzen kann, wenn es nur den Willen dazu aufbringt, zeigt die Menschheitsgeschichte doch an zahllosen Sternstunden.
Offenbar konnte man sich in Deutschland zu lange auf den früheren Erfolgen ausruhen. Im 20. Jahrhundert gehörte unser Telefonnetz zu den besten der Welt. Das teilweise 80 Jahre alte Kupferkabelnetz war so stark, dass man zeitgemäßen Fortschritt verbummelte – im Gegensatz zu Aufstiegsländern mit wenig Infrastruktur – bis die weltweite Entwicklung Deutschland einholte – und schließlich überholte.
Die Infrastruktur der Telekommunikation in der UdSSR wurde dagegen lange vernachlässigt. Der Aufbau des russischen Netzes erfolgte von einer grundsätzlich schlechteren Ausgangslage und mit schlechterer Infrastruktur, praktisch bei null. Muss eine Gesellschaft erst vor dem Nichts stehen, bevor sie sich zu neuen Höhen emporschwingt?
Das Problem Wohlstandsgesellschaft kann tatsächlich ein Faktor sein. Den Wunsch zur Erneuerung, die Motivation, irgendwann wieder zu den Besten zu gehören, der ist bei uns kaum noch zu spüren. Die Moral ist niedrig. Warum aus dem Sessel aufstehen, etwas ändern, wenn es um weniger geht, als gleich die ganze Welt zu retten? Da baut man eben lieber Windräder. Nein, die Innovation ist keine Meisterin aus Deutschland mehr. Und die Konsumenten zahlen eben geduldig, was sie zahlen müssen.
Wer aber Russland bereist, der kaufe sich dort sofort eine SIM-Karte und genieße die kleinen Freuden der Konsumfreiheit – so lange er eben kann.
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