Meinung

#Baerplag – Grüne (t)wittern Rufmord

Der Baerbock-Express kommt nicht zum Stillstand, aber anders, als es sich die Partei vorstellt. Nach der Lebenslauf-Posse hagelt es jetzt Plagiatsvorwürfe. Einige Stellen ihres Buches seien unsauber, aber nicht dramatisch. Ist alles nur eine Lappalie?
#Baerplag – Grüne (t)wittern RufmordQuelle: www.globallookpress.com © Felix Schröder/dpa

von Arthur Buchholz

Um mit einer Weisheit von Andreas Brehme, dem Weltmeister von 1990, zu beginnen:

"Haste Sche*** am Fuß, haste Sche*** am Fuß!"

Für Annalena Baerbock kann es momentan nicht schlechter laufen. Weniger als hundert Tage bis zur Bundestagswahl und die einzigen Schlagzeilen, die über sie gemacht werden, sind alles andere als gut.

Nach dem Lebenslauf-Debakel hätte ihr Team schon sehr vorsichtig sein müssen. Jeder weitere Schummelversuch würde ihren Wahlkampf noch mehr demontieren. Und so ist es jetzt gekommen. Der österreichische Plagiatsjäger Stefan Weber hat ihr Buch "Jetzt: Wie wir unser Land erneuern" analysiert und herausgefunden, dass einige Passagen unter anderem aus dem Parteiprogramm der Grünen, Wikipedia und Nachrichtenartikeln stammen.  

Soweit, so lapidar und juristisch gesehen höchstwahrscheinlich folgenlos. Der Urheber der Studie, Stefan Weber, sagte zu Focus Online: "Dass das Buch vom Markt genommen werden muss, ist, denke ich, nicht nötig." Für die Medien und den politischen Gegner ist es jedoch ein gefundenes Fressen. Sogar die Tagesschau berichtete über die Vorwürfe und damit war die Sache sozusagen erst richtig in der Welt.

Jetzt musste Baerbock zum Gegenschlag ausholen, um zu retten, was zu retten ist. Sie schaltete den Medienanwalt Christian Schertz ein, der erklärte: "Ich kann nicht im Ansatz eine Urheberrechtsverletzung erkennen."

Nur von der CSU kam bisher scharfe Kritik: "Vorsätzlich getäuscht, schlampig gearbeitet und bei der eigenen Leistung schon wieder hochgestapelt – das hat bei Annalena Baerbock scheinbar System und erschüttert einmal mehr ihre Glaubwürdigkeit", sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume zu Focus Online. Politiker anderer Parteien halten sich mit einem Kommentar bisher weitgehend zurück. Möchte man vielleicht keine schlafenden Hunde wecken?

"Ich frage mich echt, was die Grünen erwartet haben."

Einzig Marco Buschmann (FDP) gewährt mit seinem Tweet einen schönen Einblick in die Logik des Wahlkampfs: "Kommt Leute! Regt Euch ab! Es gibt echt Wichtigeres. Jeder weiß, dass Bücher von Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten vor der Wahl eher die literarische Qualität einer Werbebroschüre haben. Da ist eher selten ein wirklich origineller Gedanke drin."

Bei den Grünen möchte man jedenfalls auf so eine Einsicht nicht vertrauen. Jetzt wird die Basis eingeschaltet. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner schrieb in einer Mail an Unterstützer und Mitglieder: "Das ist der Versuch von Rufmord und Teil einer Kampagne gegen Annalena Baerbock. Twittere selbst dazu oder retweete und zeige damit volle Solidarität mit Annalena!"

Und die Anhänger folgen zu zahlreich, als dass man es hier widergeben könnte. Das Motto lautet: "Wer am lautesten schreit, hat recht."

Interessant ist jedoch, wer sich für Annalena Baerbock in die Bresche wirft. Da wäre zum einen Felix Zimmermann. Der ZDF-Rechtsexperte nimmt es auf sich, einen immerhin 15-stufigen Thread zu verfassen, warum die Plagiatsvorwürfe nicht haltbar sind. 

Wie es der Zufall so will, war Zimmermann von 2012 bis 2015 in der Kanzlei von Christian Schertz angestellt, der jetzt von Baerbock zu Hilfe gerufen wurde. 

Eine andere Grünenpolitikerin greift sogar die ARD an. Dr. Hannah Neumann, Mitglied des Europäischen Parlaments, fordert: "Liebe ARD, liebe Journalist*innen, wir alle haben eine Verantwortung für den demokratischen Diskurs. Gerade nach Trump, gerade jetzt."

Nach den zu erwartenden Reaktionen schrieb sie dann etwas milder, aber inhaltlich nicht weniger fragwürdig: "Ich bitte Journalist*innen um kurzes Nachdenken und selbstbestimmtes Weitermachen. Sonst will ich nix von all dem, wofür ihr gerade versucht, mich einzuspannen."

Man könnte es auch so formulieren: "Bitte nur genehme Nachrichten bringen."

Erstaunlich nüchtern die Analyse von Patrick Gensing, die man ihm so nicht zugetraut hätte: "Nicht alles ist immer und sofort eine Rufmord-Kampagne, damit kann man Begriffe auch entwerten. Wir haben Wahlkampf und dass die politischen Sitten rauer geworden sind, ist auch nicht ganz neu. Ich frage mich echt, was die Grünen erwartet haben."

Und auch wenn Baerbocks Buch eine auf 240 Seiten ausgewalzte Werbebroschüre ist. Sind die Plagiatsvorwürfe allein ein juristisches Thema? Eine Person, die sich anschickt, ein herausragendes Amt anzustreben, sollte doch nach mehr streben, als gerade noch nicht juristisch angreifbar zu sein. Dass die Grünen, die von sich selbst stets eine moralisch besonders hochstehende Meinung haben, jetzt empört aufheulen und eine Hexenjagd wittern, empfinden viele Menschen als unglaubwürdig.

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