Meinung

Impfung mit Sputnik V wird nicht akzeptiert: Die EU gefährdet Russlands Impfkampagne

Das russische Vakzin Sputnik V steht nicht auf der Liste der Impfstoffe, dessen Verabreichung freies Reisen in EU-Ländern ermöglicht. Damit wird der Impfstoff stark verleumdet, obwohl dieser einer der wirksamsten der Welt ist. Profitieren kann davon kaum jemand.
Impfung mit Sputnik V wird nicht akzeptiert: Die EU gefährdet Russlands ImpfkampagneQuelle: Sputnik © Aleksej Majschew / RIA Nowosti

von Gabriel Gavin

Russland hat einen der wirksamsten inländischen Impfstoffe auf der ganzen Welt, aber angesichts der Unsicherheit darüber, ob andere Länder diesen für Reisen akzeptieren, zögern viele russische Bürger immer noch, sich für Verabreichung anzumelden.

Vor dem Ausbruch der Pandemie im vergangenen Jahr war die Zahl der Russen, die Reisen in die EU unternommen hatten, rapide angestiegen. Fast jedes vierte Visum von Ländern im Schengen-Raum war russischen Bürgern erteilt worden. Seitdem Regierungen auf der ganzen Welt ihre Grenzen als Reaktion auf die Ausbreitung von COVID-19 schließen, sank die Zahl der Auslandsurlaube und Geschäftsbesuche drastisch, da beliebte Reiseziele von den Kanälen von Venedig bis zum Eiffelturm nicht mehr zugänglich waren.

Das ändert sich jetzt aber. Während der weltweite Tourismus im Vergleich zu den Monaten vor dem Ausbruch der Pandemie im letzten Jahr um kolossale 83 Prozent zurückging, ergab ein neuer Bericht der Vereinten Nationen, dass die Mehrheit der Experten eine Erholung innerhalb des kommenden Jahres vorhersagt. Eine weltweite Impfkampagne sowie die Zunahme von Impfzertifikaten werden hoffentlich dazu führen, dass mehr internationale Besucher durch die Ankunftsgates gehen, ohne tagelang unter Quarantäne gestellt zu werden.

Am Dienstag verabschiedete die EU ihr lang erwartetes Gesetz über Impfpässe, das darauf abzielt, die Reisebranche wiederzubeleben und unzähligen Menschen Hoffnung zu geben, die darauf warten, ihre Familien zu sehen oder zum Studium bzw. zur Arbeit zu reisen. Einwohner von Mitgliedsstaaten, die Dosen einer der von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), der zentralen Regulierungsbehörde des Blocks, genehmigten Impfungen erhielten, können Zertifikate beantragen und nun wieder frei reisen. Die Regelung, so Brüssel, "wird es uns in diesem Sommer ermöglichen, sicherer zu reisen. (…) Wir bekräftigen gemeinsam, dass sich ein offenes Europa durchsetzt."

Am Freitag kündigte die EU an, die Reisebeschränkungen für US-Bürger sowie für Personen aus Albanien, Hongkong, dem Libanon, Macau, Nordmazedonien, Serbien und Taiwan aufzuheben. Einwohner dieser Länder, die auf der sogenannten "Weißen Liste" stehen, können einen Großteil des Kontinents für Tourismus und Freizeitzwecke bereisen.

Für Bürger von Drittstaaten wie Russland sieht ein Großteil des Kontinents jedoch immer noch ausgesprochen verschlossen aus. Als Nicht-EU-Mitglieder sind diese Länder aus dem System ausgeschlossen, und es wird kaum darüber nachgedacht, wie die Grenzen selbst für diejenigen, die einen Impfstoff erhielten, wieder geöffnet werden können. Zusammen mit dem chinesischen Sinopharm steht der in Moskau hergestellte Impfstoff Sputnik V nicht auf der Liste derjenigen, deren Erhalt die Berechtigung für einen Impfpass bedeutet. Und das, obwohl zwei EU-Mitgliedsstaaten, Ungarn und die Slowakei, vorher beschlossen, der Entscheidung der EMA zuvorzukommen und den russischen Impfstoff im Rahmen ihrer landesweiten Impfkampagne einzusetzen.

Dies bedeutet praktisch, dass diejenigen, die in diesen Ländern geimpft wurden, ebenfalls von der Regelung ausgeschlossen sind und vorerst nicht die gleichen Rechte auf freie Reise wie EU-Bürger ausüben können. Angesichts der Tatsache, dass Beweise, die in internationalen medizinischen Fachzeitschriften wie The Lancet veröffentlicht wurden, durchweg nachgewiesen hatten, dass Sputnik V sicher und wirksam ist, erscheint die wissenschaftliche Grundlage für die Reisebeschränkung der mit Sputnik V geimpften Menschen bestenfalls wackelig. Russland seinerseits argumentiert, dass politische Aspekte und eine gezielte Kampagne im Westen, russische Impfstoffe zu untergraben, Menschenleben kosten.

Für viele Russen, insbesondere junge Menschen, die möglicherweise das Gefühl haben, dass das Virus ein geringes persönliches Risiko für sie darstellt, könnten Reisen durch die EU zu einem entscheidenden Faktor werden, um sich für eine Impfung anzumelden. Derzeit können diejenigen, die sich dafür entscheiden, die Ärmel hochzukrempeln, nicht sicher sein, dass der Impfstoff von ausländischen Grenzbeamten akzeptiert wird. Hinzu kommt: Da es keine innerstaatlichen Beschränkungen für geimpfte Personen gibt, ist das Reisen ein wichtiger Bereich, in dem die Impfung möglicherweise die individuellen Freiheiten wiederherstellen könnte, derer die Menschen im Rahmen der Pandemiebekämpfung beraubt wurden.

Trotz der steigenden globalen Nachfrage nach Sputnik V, das inzwischen in 67 Ländern weltweit zugelassen ist, ist diese im Inland relativ gering. Gesundheitsexperten und der Kreml äußerten sich gleichermaßen enttäuscht darüber, dass Impfzentren oft leer sind. Obwohl es seit Monaten allen zur Verfügung gestellt wird, ist die Zurückhaltung immer noch weit verbreitet. Letzte Woche erklärte Präsident Wladimir Putin in einer Rede, dass bereits 18 Millionen Dosen verabreicht worden seien. Damit wollte der russische Staatschef den Russen versichern, dass "kein einziger schwerwiegender Fall von Komplikationen" aufgetreten sei. "Hier gibt es nichts zu befürchten", betonte er.

Dessen ungeachtet bleiben die Bedenken hinsichtlich der Impfung groß. Im März veröffentlichte Untersuchungen des in der Schweiz ansässigen Investmentriesen Credit Suisse ergaben, dass die Russen im Durchschnitt skeptischer waren als die Bürger jedes anderen untersuchten Landes, einschließlich Entwicklungsländer wie China, Indien und Thailand.

Die wachsende Nachfrage nach Impfterminen und der ersten Impfstoffdosis verhinderte einen starken Anstieg der Infektionsraten jedoch nicht. Nach einem monatelangen Plateau bei rund 8.000 Infektionsfällen pro Tag, wo die Regeln für Unternehmen und den öffentlichen Raum allgemein gelockert wurden, stieg die offizielle Bilanz steil und erreichte allein am Montag 14.000 COVID-19-Fälle. Experten warnten, dass eine dritte Welle vor der Tür stehe. Darum verhängte der Bürgermeister von Moskau Sergei Sobjanin eine Ausgangssperre für das Nachtleben der Hauptstadt um 23 Uhr Ortszeit, während für die meisten Angestellten ein einwöchiger bezahlter Urlaub angeordnet wurde, damit die Menschen zu Hause bleiben.

Länder wie Israel, Großbritannien und die USA begannen jedoch endlich damit, strenge Vorschriften für die öffentliche Gesundheit zu lockern, da viele Bürger geimpft sind. Es ist klar, dass Russland in einem Zustand mal verschärfter, mal gelockerter Beschränkungen feststecken könnte, wenn den Menschen kein Anreiz zur Impfung geboten wird, während andere Nationen die Pandemie hinter sich lassen. Dies wäre ein beunruhigendes Ergebnis für den Kreml, der bisher erhebliche innere Unzufriedenheit über seine Maßnahmen vermieden hatte. Es wäre auch eine Art Ironie, da Russland im vergangenen Sommer als erstes Land der Welt einen Impfstoff gegen das Virus zugelassen hatte.

Die hohe Skepsis in Russland gegenüber Impfstoffen im Inland wurde durch eine Reihe von Faktoren angeheizt, darunter weit verbreitete Online-Videos über angebliche Nebenwirkungen und Gerüchte über die Wirksamkeit. Gleichzeitig taten Beamte im Bereich der Gesundheitserziehung wenig, um das öffentliche Verständnis für die Funktionsweise von Impfstoffen und das relativ geringe Risiko im Vergleich zur Ansteckung mit dem Virus zu erhöhen. Eine Reihe von Ärzten im Land rief die Menschen kürzlich direkt zur Impfung auf und forderte die Behörden auf, die Kriterien für die Impfung zu vereinfachen.

Viele Russen bleiben jedoch skeptisch, nur etwa jeder Zehnte erhielt bisher beide Impfungen. Durch die Berichterstattung in den westlichen Medien wurde ständig versucht, das Vertrauen in den Impfstoff zu untergraben, indem dieser eher als zwielichtiges Instrument des politischen Einflusses denn als echte Innovation im Bereich der menschlichen Gesundheit dargestellt wurde. Der Ruf des Impfstoffs wurde durch die schleppende Überprüfung der Daten durch die EMA weiter untergraben, die bei der Genehmigung seines Einsatzes wenig Dringlichkeit vermittelte, obwohl einige EU-Mitglieder ihre Beunruhigung über das Tempo des Impfprogramms im Staatenbund zum Ausdruck brachten. Die Unsicherheit darüber, wann – wenn überhaupt – Personen, die damit geimpft wurden, Anspruch auf einen beschleunigten Zugang zur EU haben könnten, verschärft das Problem.

Dieses Dilemma wird noch dadurch verkompliziert, dass Russland auch zwei andere Impfstoffe verwendet, die auf der internationalen Bühne weniger bekannt sind. EpiVacCorona und CoviVac, beide ebenfalls im Inland entwickelte Impfstoffe, wurden auch für den Gebrauch zugelassen, es liegen immer mehr Beweise für deren Wirksamkeit und Sicherheit vor. Trotzdem schritten diese bei internationalen behördlichen Überprüfungen nicht annähernd so weit fort wie das Flaggschiff Sputnik V. Auch wenn der bekannteste Impfstoff des Landes schließlich von westlichen Nationen für Reisen als ausreichend sicher anerkannt wird, ist es noch unklarer, wann dies mit anderen russischen Impfstoffen geschieht.

Der Mangel an Klarheit über die Aussichten auf einen quarantänefreien Zugang zu weiten Teilen Europas wird nicht nur das Zögern zu Hause verstärken, sondern auch die wirtschaftliche Erholung innerhalb der EU beeinträchtigen. Es wurde nachgewiesen, dass russische Touristen im Durchschnitt mehr als 1.300 Euro für Auslandsreisen ausgeben – deutlich mehr als andere Europäer, die rund 900 Euro ausgeben.

Angesichts der Tatsache, dass die Besucherzahlen großer Touristenziele wie Paris auf nur fünf Prozent ihrer üblichen Rate sanken, werden die Auswirkungen auf Unternehmen und die lokale Wirtschaft gerade erst deutlich. Wegen der erheblichen öffentlichen Kosten durch die Pandemie kann es sich Europa kaum leisten, seine potenziellen Besucher abzuschrecken. Andere Reiseziele scheinen jedoch kauffreudige Touristen abzuwerben, die nach exotischen Pausen suchen.

China, wohin vor der Pandemie jedes Jahr Millionen von Russen gereist waren, begann bereits eine Zusammenarbeit mit Moskau bei der Herstellung von Sputnik V. Zudem scheint es unwahrscheinlich, dass politische Hindernisse der Wiederherstellung der Freizügigkeit für diejenigen im Wege stehen, die Antikörper nachweisen können. Ebenso sind Dubai und andere Länder des Nahen Ostens bei denjenigen beliebt, die einen Luxusurlaub suchen – auch wegen vergleichsweise lockerer Bedingungen bei den Einreisebestimmungen.

Es liegt zwar im Interesse der EU, den Menschen in Ländern wie Russland klarzumachen, dass bald wieder internationale Reisen auf dem Plan stehen werden, doch das Unterlassen hat auch im Inland erhebliche Folgen. Die Wahrnehmung der Legitimität von Russlands Impfstoffen wird immer noch untrennbar mit deren Wahrnehmen im Westen verbunden sein, der Sputnik V fast ausschließlich einseitig durch eine politische Linse betrachtet. Jetzt liegt es an den Regulierungsbehörden und Politikern im Westen zu entscheiden, ob sie damit zufrieden sind, im Ausland weiterhin Skepsis zu schüren und möglicherweise Bemühungen zur Rettung von Menschenleben zu untergraben.

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Übersetzt aus dem Englischen.

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