Meinung

Das "Russendenkmal" in Wien: Erinnerungen dürfen nicht am Gewicht gemessen werden

Das 1945 errichtete "Russendenkmal" steht zu Recht in der Wiener Innenstadt und erinnert an die gefallenen sowjetischen Soldaten des Zweiten Weltkriegs. Hier einige Gedanken, warum es auch weiterhin stehen bleiben wird – unabhängig von Einflüsterungen jeglicher Art.
Das "Russendenkmal" in Wien: Erinnerungen dürfen nicht am Gewicht gemessen werden© Thomas Ledl/Wiki Commons

von Dmitrij Ljubinskij

Unter den zahlreichen russlandbezogenen Publikationen der vergangenen Wochen fiel mir gerade eine mit Wien-Bezug besonders unangenehm auf. Aufgrund des Artikels von Wolfgang Freitag in der österreichischen Presse könnten deren Leser glauben, das Denkmal für die gefallenen sowjetischen Soldaten am Schwarzenbergplatz sei etwas das Andenken störendes und passe nicht in das moderne Bild der Hauptstadt, wäre bereits in Vergessenheit geraten – oder werde jedenfalls unvermeidlich bald in Vergessenheit geraten.

Genau eine Woche später folgte vom selben Autor zwar eine Art korrigierende Ergänzung mit der Überlegung, wie oft doch der Schein über das Sein triumphiere. Und obwohl die Schlussfolgerung über die unbestreitbare Berechtigung der Existenz des "Russendenkmals" im Zentrum Wiens eher Hoffnung aufkeimen lässt, ließen sich jedoch auch damit meine nachstehenden Bedenken nicht völlig zerstreuen.

Im vergangenen Jubiläumsjahr 2020 wurde vor allem an ein großes Datum erinnert: 75 Jahre Kriegsende. In Österreich gab es ein inhaltsvolles Programm verschiedener Gedenkveranstaltungen, was von einem hohen Niveau der Erinnerungskultur in der Republik zeugte.

Eine derartige Erinnerungskultur ist genau das, was ich während meines dienstlichen Aufenthaltes in Wien an den Österreichern unter anderem schätzen lernte. Und dies gilt aktuell nicht nur für die hohe politische Ebene. Im Laufe der Zeit bildete sich hier in breiten Bevölkerungsschichten ein im Vergleich zu früher viel tieferes Verständnis für die harten Lehren der Geschichte – und zwar des Zweiten Weltkriegs – heraus. Und zwar ein Verständnis dafür, wie man verantwortungsvoll und behutsam selbst mit den schwärzesten Seiten der Geschichte umgehen sollte – weil, wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen zutreffend betonte: "Ohne Erinnern an die schreckliche Vergangenheit gibt es keine humane Gegenwart".

Natürlich kann die Zeit viele Wunden heilen. Ganz wichtig sind aber die dabei verwendeten Arzneien. Der Genesungsprozess darf nämlich keinesfalls mit einem (noch so meisterhaft verdeckten) Gedächtnisverlust einhergehen, sonst wird es wirklich gefährlich für jede Gesellschaft, denn sonst verschließt sie sich in einem gnadenlos wirbelnden Teufelskreis.

In einem Punkt stimme ich dem Autor grundsätzlich zu: Begriffe wie "Erinnerungskultur" dürfen nicht in Tonnen und Metern an Bronze gemessen werden. Dafür gibt es andere "Maßeinheiten", wie zum Beispiel fast 27 Millionen sowjetische Bürger, die für den Sieg über den Nazismus mit ihrem Leben bezahlen mussten, oder mehr als 70.000 zerstörte Städte und niedergebrannte Dörfer in der Sowjetunion, oder Millionen Tote, ermordet in den Gaskammern von Mauthausen, Auschwitz und anderen KZs. Gerade diese schrecklichen "Maßeinheiten" müssen für uns alle maßgebend sein.

Österreich ist einen beschwerlichen und dornigen Weg bis zum bewussten Bekenntnis der Mitbeteiligung an diesen grausamsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit gegangen. Auch deswegen steht absolut berechtigt im Stadtkern Wiens das "Russendenkmal". Dieses wird auch weiterhin stehen bleiben, und zwar unabhängig von Einflüsterungen jeglicher Art an das österreichische Volk, endlich "zu vergessen", "aus dem Bewusstsein verschwinden zu lassen" oder wenigstens "zu verdecken". Denn die heutige Erinnerungskultur der Österreicher ruft tiefen Respekt hervor – und ich bin mir sicher, dass das auch so bleiben wird.

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