Pandemiemaßnahmen angemessen? In England weniger als 400 COVID-19-Tote unter 60 ohne Vorerkrankung

In England sind an COVID-19 weniger als 400 Menschen jünger als 60 Lebensjahre ohne Vorerkrankung gestorben. Daher ist es gar nicht so falsch, unsere Reaktion auf die COVID-19-Pandemie zu hinterfragen – nicht nur die Lockdowns, sondern zum Beispiel auch die Impfstrategien.
Pandemiemaßnahmen angemessen? In England weniger als 400 COVID-19-Tote unter 60 ohne VorerkrankungQuelle: Gettyimages.ru © www.imago-images.de

von Damian Wilson

Statistiken, denen zufolge gesunde Menschen unter 60 Jahren nur 0,8 Prozent der COVID-Todesfälle zwischen April und Dezember ausmachten, lösten einen großen Sturm aus. Aber es ist durchaus richtig, dies zu nutzen, um zu fragen, ob eine allgemeine Abriegelung ein guter Lösungsansatz ist.

Der nachweihnachtliche COVID-19-Lagerkoller hat Großbritannien erfasst. Und da sie es satt haben, nur im Familienkreis zu streiten, fragen sich unsere selbsternannten "Experten" (zahlenmäßig stets im Überangebot und zu wenig angefragt), ob und warum sie sich in einer Welt, die sich so ziemlich nur um sie dreht, an die aktuellen Einschränkungen gemäß dem britischen vierstufigen System halten müssen.

Ordentlicher Zoff gerade in der Weihnachtszeit ist stets allseits beliebt, und wenn die Parteien erst nach dem Prinzip "Dringeblieben! gegen Lasst uns raus!" aufgeteilt sind, dann hat auch jeder zwangsläufig eine Meinung.

Mit den Füßen stampfend und schreiend wie Kleinkinder, denen das letzte Weihnachtsplätzchen verweigert wurde, verfechten die einen Sofawissenschaftler mit Nachdruck ihren Anspruch darauf, stante pede aus ihrer Gefangenschaft gemäß Stufe Vier entlassen zu werden, damit sie mit ihrem Leben weitermachen können – so schreckliche Gefahren bei diesem Unterfangen auf sie auch lauern mögen. Andernorts schreien die paranoiden Mikrobophobiker schon auf, wenn man lediglich meint, einen Winterschnupfen ignorieren zu können – panisch entsetzt über die Vorstellung, dieser könnte zum Killervirus auswachsen.

Solange man mit beschäftigungslosen Narzissten auf beiden Seiten dieser Debatte nicht in einem Haus festsitzt, macht es durchaus Spaß, sie dabei zu beobachten, wie sie sich in dieser Festtagszeit der Menschen guten Willens gegenseitig zerfleischen. Das Problem: Dabei kommt nicht wirklich etwas heraus.

In Wirklichkeit sind bisher in ganz Großbritannien 70.752 Todesfälle auf COVID-19 zurückgeführt worden. Um es einmal klar und deutlich auszusprechen: Das sind zu viele.

Aber jetzt – nach etwa zehn Monaten Erfahrung mit diesem Virus und fast 2,3 Millionen Fällen und nachdem wir bei der Nachverfolgung der Infektionswege, beim Schutz von Pflegeheimen und dem Vermitteln klarer Botschaften kläglich versagt haben – sollte unsere verpeilte Landesführung ein wenig kreativer darüber nachdenken, wie die Lage im neuen Jahr aussehen könnte.

Denn momentan sieht die Lage düster aus und zeigt wenig Anzeichen von Besserung.

Eine Freundin von mir bot für Nachbarn über eine App für das Örtliche zwei Weihnachtsessen an. Sie hatte die vage Vermutung, dass irgendeine einsame Oma Doris oder ein Opa Derek ihr Angebot annehmen würden, zumal es sich um diese Art von Nachbarschaft handelt.

Sie war schockiert, als sie von willigen Abnehmern förmlich überschwemmt wurde, die jedoch größtenteils auch noch junge, allein lebende Männer waren. Und das ist traurig. Denn während wir uns alle gut einen einsamen Rentner vorstellen können, der in einem bequemen Sessel gemütlich am Fenster sitzt, während Weihnachten vorbeizieht, denken wir nie an unabhängige, selbstbewusste, gesellige Leute in ihren Zwanzigern, die langsam den Verstand verlieren, nachdem sie sich urplötzlich im Last-Minute-Heimurlaub à la Boris Johnson isoliert wiederfinden.

Dieses Szenario würde, für die Serie Friends verwendet, eine Folge mit einem schrecklich unpassenden Stich ins Dunkelgrau ergeben: Die Serienfolge, in der Rachel, Monica, Phoebe, Joey, Chandler und Ross alle durchdrehen und sich selbst abmurksen.

Heißt das, wir sollten junge Leute auf der Prioritätenliste für den Impfstoff deutlich höher einordnen? Auf diese Weise könnten sie mit ihren Freunden ausgehen, einkaufen, essen und trinken und so die Wirtschaft in Schwung halten, während die Medizin bei den anderen, den gefährdeten und verwundbareren Bevölkerungsgruppen aufholt. Doch vorsichtig ... Solche Vorschläge sind derzeit nicht gerade willkommen.

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Einige Aufregung gab es um die Zahl der COVID-19-Todesfälle bei Menschen ohne Vorerkrankung im Alter von 60 Jahren oder jünger, die in England zwischen dem 2. April und dem 23. Dezember anfielen. Das waren insgesamt 388 Todesfälle.  

Das ist eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass es die gesamte Schülerschaft der Schule meiner Tochter wäre. Zweifelsfrei zu viel. Aber was die Gesamtzahl der COVID-19-Todesfälle in England in diesem Zeitraum betrifft, so gab es davon 45.770 mit Vorerkrankungen und 1.979 ohne. Und von der letzteren der Zahlen waren 1.591 Todesopfer über 60 Jahre alt.

Es ist offensichtlich, dass Menschen in älteren Altersgruppen viel anfälliger für die tödlichen Auswirkungen von COVID-19 sind. Man muss kein Gelehrter im Wissenschaftlichen Dienst einer Regierung sein, um das zu erkennen.

Vielleicht – nur vielleicht! – könnten also die Beschränkungen für jüngere Menschen gelockert werden, denn die Zahlen scheinen darauf hinzudeuten, dass dieser Weg sich sowohl für ihre eigene Gesundheit und ihr Wohlbefinden als auch für das größere Wohl der Gemeinschaft lohnen könnte.

Ich schlage nicht vor, dass wir uns einfach über die Gesetze hinwegsetzen, wie jene erbärmlichen britischen Skiurlauber, die erwischt wurden und meinten, aus der Schweiz fliehen zu müssen. Aber vielleicht könnten wir ja eine bessere Zielsetzung, eine klarere Identifikation und überhaupt etwas mehr gesunden Menschenverstand in der öffentlichen Gesundheitspolitik ganz gut gebrauchen – damit Maßnahmen zum Mindern negativer Auswirkungen drakonischer Vollsperren und zur gleichzeitigen Eindämmung der Coronavirus-Infektion etwas zielgenauer ins Auge gefasst werden?

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So sehr es mich auch schockiert, auf einen solchen Gedanken überhaupt erst gekommen zu sein – aber vielleicht hat Tony Blair recht. Während er einräumte, dass jeder zwei Dosen des Impfstoffs benötigt, schlug er zugleich vor, so viele Menschen wie möglich zunächst nur mit der ersten Einzeldosis zu impfen, sobald Impfstoff dafür verfügbar ist, und erst dann alle mit der zweiten Dosis zu versorgen, sobald auch dafür genug Impfstoff von Pfizer/BioNTech, AstraZeneca oder wem auch immer eintrifft – um nämlich so einer breiteren Bevölkerungsschicht schnellstmöglich zumindest einen gewissen ersten Schutz zu bieten.

Es ist eine einfache Idee, und es muss noch andere geben, die genauso einfach sind (und vielleicht sogar von einem anderen Menschen kommen als von Blair). Allerdings setzt man sich im Moment, wenn man sie vorschlägt, der Zensur aus – seitens der Ängstlichen, der intellektuell Neidischen und derjenigen, die es zu ihrem Lebensinhalt machen, als selbsternannte Anwälte der Anderen gern die Opferrolle zu übernehmen.

Lassen wir einmal all das beiseite und versuchen wir es mit einem Denken, das den Beinamen "weltweit bahnbrechend" wirklich verdient, gefolgt von ein paar echten "Überflieger"-Ideen. Sie könnten sogar funktionieren – und wenn das auch nur als eine Möglichkeit im Raum steht, sollte es einen Versuch wert sein.

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Übersetzt aus dem EnglischenDamian Wilson ist ein britischer Journalist, ehemaliger Redakteur der Fleet Street, Berater der Finanzindustrie und Sonderberater für politische Kommunikation in Großbritannien und der EU.

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