"Die beißen nicht, die wollen nur spielen" – Oppositionsparteien unter Corona
von Falko Looff
Angesichts der Corona-Krise hat das parteipolitische Gefüge eine deutliche Korrektur erfahren. Man betrachte einmal die Umfragewerte von kurz vor der Pandemie und vergleiche sie mit denen von heute. Die CDU und Kanzlerin Angela Merkel standen stark unter Druck. Einige Kommentatoren empfahlen bereits die Übergabe der Kanzlerschaft an einen (noch zu findenden) Nachfolger. Die Union rangierte in den Umfragen damals permanent bei Zahlen von unter 30 Prozent. Und nachdem die SPD schon seit geraumer Zeit nicht mehr als Volkspartei wahrgenommen wurde, schien nun auch die CDU diesen Status zu verlieren – wenngleich noch eher langsam.
Im März kam dann aber plötzlich Corona nach Deutschland, und genauso plötzlich strömten die potenziellen Wähler – jedenfalls in den Erhebungen – wieder zurück zur bis eben noch so gescholtenen Kanzlerpartei. In Zeiten der Verunsicherung gehen Menschen nun mal nicht gern ein Risiko ein. Man setzt lieber auf das Altbekannte, als etwas Neues zu wagen. Ob man mit dem Altbekannten eigentlich zufrieden war, spielt dabei eher eine nachgeordnete Rolle. Psychologie der Massen halt. Und gut für die Union und für die Bundeskanzlerin, die laut Umfragen bei den Deutschen heute wieder ganz oben auf der Beliebtheitsskala rangiert.
Die Regierung aus CDU/CSU und SPD brillierte nach Auffassung vieler mit ihrem Kurs und all den Maßnahmen, die den Deutschen Schutz bringen sollten. Dabei war sie stets flankiert von der "Expertenriege" Drosten, Wieler und Co. Dass sich dies – trotz SPD-Corona-Erklärer Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach – aber nicht ebenso positiv für die SPD auswirkte, ist wenig überraschend. Die SPD dürfte – nachdem sie ihre Kernwählerschaft seit Jahren kontinuierlich verprellte – mittlerweile den Grundsockel des eigenen Wählerpotenzials erreicht haben. Sie gilt den Menschen weder als Alternative zum Bestehenden noch als "Macher"-Partei in der Regierung.
Und die Oppositionsparteien? AfD und Grüne gerieten in den Umfragen – mal stärker, mal schwächer – ins Straucheln, die AfD zuletzt noch einmal deutlicher wegen der parteiinternen Auseinandersetzungen. Doch gerade bei den Grünen, die sich (gefühlt) schon auf einen Kanzler Habeck vorbereiteten, sorgen die Bewegungen in den Umfragen seither für Unruhe. Die Werte für Linke und FDP blieben dagegen in der gesamten Corona-Phase relativ stabil, wenngleich auch auf einem eher niedrigen Niveau bei klar unter 10 Prozent.
Opposition wirkt blass
Doch wie verhielten sich die Oppositionsparteien in der Corona-Zeit? Zunächst so, indem sie unisono die Regierung und deren Maßnahmen unterstützten. Das war nachvollziehbar, denn das Virus war nun einmal in der Welt und die Situation für alle neu und ungewohnt. Doch die Lage hat sich seitdem verändert.
So ist die (medizinische) Notwendigkeit der ergriffenen Maßnahmen mitunter nur bedingt nachvollziehbar. Mainstream-Medien nehmen logische Zusammenhänge wie beispielsweise den zwischen Anzahl der Testungen und Zahl der "Infizierten" schlicht nicht zur Kenntnis. "Meinungsabweichler" – auch solche mit Verdiensten in der Vergangenheit – kommen dort nicht (mehr) zu Wort.
Gleichzeitig erwecken die Eingriffe in Grundrechte zunehmend den Anschein, keine kurzen vorübergehenden Notmaßnahmen, sondern von dauerhafter Natur zu sein. Und überdies wird das Land wirtschafts- und finanzpolitisch in einer Weise beschädigt, die schon mittelfristig keinesfalls durchzuhalten sein dürfte.
Alles in allem also eigentlich ein gefundenes Fressen für Oppositionsparteien. Zumal der Unmut eher wächst und die Menschen den Protest bereits vielerorts auf die Straße verlegen. Doch was ist von der Opposition an "Opposition" zu vernehmen? Wenig bis nichts. Sie stützen die Regierung. Würden alles im Kern ganz genauso machen.
Die Grünen wollen Kurs halten Richtung Regierungsbeteiligung und es sich nicht verscherzen mit Merkels Union. Jetzt bloß kein schlechtes Image bekommen. Lieber über CO2 sprechen. Das kommt bei der eigenen Klientel gut an. Die ist auch von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Maßnahmen nur bedingt betroffen. Gehaltseinbußen wegen Kurzarbeit oder gar Jobverlust stehen bei Lehrern, Beamten und Werbefachleuten einfach nicht so sehr im Raum. Das Tragen von Masken ist dagegen wichtig, zum Schutz halt. Auf der Parteihomepage liest sich das wie folgt:
Die Pandemie wird erst zu Ende sein, wenn wir einen Impfstoff gegen sie haben, der überall auf der Welt gleichberechtigt verfügbar ist. Solange werden wir weiter Vorsicht walten lassen müssen, um andere und uns selbst zu schützen: häufiger Hände waschen, Abstand halten, Schutzmasken tragen, große Menschenansammlungen vermeiden.
Ähnlich staatstragend gibt sich die FDP, verweist aber auf die Folgen für Betriebe und Arbeitsplätze. In einem Papier zur "Ersten Hilfe für den Mittelstand" heißt es dazu:
Die Existenzen von Selbstständigen, Freiberuflern, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind bedroht. Unternehmerinnen und Unternehmer kleinerer und mittlerer Betriebe machen sich Sorgen um ihre Beschäftigten, ihre Betriebe und ihre persönliche Zukunft. Bis gestern noch erfolgreiche Geschäftsmodelle stehen plötzlich in Frage. Wir Freie Demokraten fordern nun ein schnelles und unbürokratisches Handeln des Staates.
Auch fordert die FDP bisweilen immerhin noch eine "Überprüfung sämtlicher Corona-Beschränkungen", wie zuletzt geschehen Anfang Juli anlässlich des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts Münster bezüglich der strengen Auflagen im Kreis Gütersloh. Alle Maßnahmen müssten nunmehr "auf ihre Verhältnismäßigkeit abgeklopft" werden, so der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Michael Theurer damals. Jenseits solcher eher allgemeinen Äußerungen bleibt es aber ansonsten bislang beim Stützen des Regierungskurses.
Die Linken wiederum würden die Maßnahmen gerne sozialer gestalten – zum Beispiel durch eine rückwirkende Anhebung des Kurzarbeitergelds auf 90 Prozent des Nettoentgelts –, gleichzeitig aber an den Maßnahmen selbst nichts grundlegend verändern. Die zunehmende Proteststimmung in Teilen der Bevölkerung und der damit einhergehende massive Vertrauensverlust gegenüber allem "Etablierten" ist auch für die Linke kein Thema.
Im Gegenteil. Parteichefin Katja Kipping schwingt viel lieber die Nazikeule und verurteilt Protestdemonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung wegen vermeintlich zu großer Nähe nach "rechts". Überdies hat Kipping bereits mehrfach geäußert, dass sie die Demonstranten für "rücksichtslose Menschen" halte, da diese Corona-Vorschriften wie beispielsweise das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht konsequent einhielten.
Über eine solche Opposition kann sich eine Regierung nur freuen. Von dort droht sicher keine Gefahr. Warum hat das der Lukaschenko nicht genauso gemacht? Dann hätte er jetzt nicht den ganzen Ärger. Ein paar unbedeutende Zugeständnisse hier, ein bisschen Bauchpinselei dort, dann fressen sie alles.
AfD für Proteste gegen Corona-Maßnahmen?
Einzig die AfD gibt sich kritischer, ist sich dabei allerdings gleichzeitig uneins. Zunächst hatte die Partei genau wie alle anderen den Regierungskurs mitgetragen und die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie unterstützt. Immerhin scheint sie aber zumindest über ein feineres Gespür zu verfügen, wenn es darum geht, "ins Volk hineinzuhören". Denn als der offene Protest gegen die Regierungsmaßnahmen einsetzte und wuchs, verlor die ursprüngliche AfD-Position an Festigkeit.
Dies mag unter anderem auch daran liegen, dass der Partei selbst ja erst dann der Sprung in den Bundestag gelang, als sie das Thema "Flüchtlinge" kritisch aufgriff. Damit hatte sie einer politischen Meinung Stimme verliehen, die bis dato im Parlament faktisch nicht vorkam. Ebenso wie heute in Sachen Corona passte vor 2017 in Sachen Flüchtlinge kein Blatt zwischen Regierung und Opposition – von eher "kosmetischen" Beanstandungen einmal abgesehen.
Dennoch wäre es wohl eher ein Missverständnis, wollte man die AfD etwa als "politischen Arm" der Corona-Kritiker begreifen. Dafür sind zum einen die Demonstrationen zu bunt gemischt, was politische Strömungen angeht. Zum anderen hat die AfD trotz Aufweichen des ursprünglichen Regierungsunterstützungskurses bislang keine einheitliche Parteiposition zu Corona entwickelt.
Von Bundessprecher Jörg Meuthen beispielsweise weiß man, dass er die Demonstrationen eher kritisch sieht und sich vor diesem Hintergrund um eine insgesamt zunehmende Polarisierung sorgt. Andere namhafte AfD-Politiker wie beispielsweise der bayerische Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller treten dagegen für eine klar erkennbare Unterstützung der Proteste durch die Partei ein.
Allerdings ist die AfD momentan in innere Auseinandersetzungen verstrickt, die durchaus die Qualität haben könnten, die Partei dauerhaft zu spalten. Dies dürfte das Ringen der Partei um eine nach außen erkennbare Positionierung beim Corona-Thema in den Hintergrund rücken lassen. Stattdessen scheint man sich aktuell eher auf die Argumentation eingelassen zu haben, dass die Maßnahmen stets verhältnismäßig sein müssten – und es aktuell eben nicht seien. AfD-Gesundheitspolitiker Detlev Spangenberg äußerte sich vor Kurzem in einem Welt-Interview so:
Es sind ja in den letzten Monaten schon zahlreiche Maßnahmen eingeleitet worden. Die halten wir für überzogen, weil das Problem nicht vernünftig und auf eine für die Wirtschaft vertretbare Weise angegangen wurde. Man muss diejenigen schützen, die gefährdet sind, darf aber nicht die ganze Gesellschaft isolieren, weil einige Menschen eventuell gefährdet sind.
Weil "die ganze Gesellschaft in Quarantäne gestellt" wurde, sei bereits ein "ungeheurer Schaden angerichtet" worden, so Spangenberg. Mache man so weiter, werde "irgendwann niemand [mehr] die Sozialleistungen für gefährdete und erkrankte Menschen aufbringen können". Auch gebe es nach Spangenberg etwa für den medizinischen Nutzen von Gesichtsmasken keine "zwingenden Belege", was auch die sehr unterschiedlichen Regelungen für die Schulen in den einzelnen Bundesländern zeigten.
Die Verwendung von Begriffen wie "zweite Welle" und "neuer Lockdown" sei zudem "Panikmache". Die Menschen hätten den Eindruck, ständig "durch Katastrophenszenarien unter Druck gesetzt" zu werden. Bezugnehmend auf die jüngsten Demonstrationen äußert sich der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland auf der AfD-Homepage so:
Kritik an der Regierung muss auch in Zeiten von Corona möglich sein. Auch auf den Straßen. Zugleich wird immer deutlicher, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Wenn beispielsweise ein Basketball-Spieler von seinem Verein entlassen wird, weil er ohne Maske an der Corona-Demonstration in Berlin teilgenommen hat, ein Fußballspieler dagegen, den Filmaufnahmen ohne Maske auf einer Demonstration von Black-Lives-Matter zeigen, keine Sanktionen fürchten muss, sondern sogar noch von Dunja Hayali ins aktuelle Sportstudio eingeladen wird, dann läuft etwas gewaltig schief.
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