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Alte Story neu aufgewärmt: Iran soll Kopfgeld an Taliban für getötete US-Soldaten zahlen

Im Juni behaupteten US-Medien unter Berufung auf Geheimdienstkreise, Russland zahle an die Taliban Kopfgelder für in Afghanistan getötete US-Soldaten. Doch die Story war haltlos. Nun wird sie wieder aufgewärmt. Allerdings zahle diesmal Iran Kopfgelder.
Alte Story neu aufgewärmt: Iran soll Kopfgeld an Taliban für getötete US-Soldaten zahlenQuelle: AFP © Jewel Samad/AFP

von Scott Ritter

Laut CNN hat die iranische Regierung "Kopfgelder" an das Haqqani-Netzwerk, eine Terrorgruppe mit engen Verbindungen zu den Taliban, für sechs Angriffe auf US- und Koalitionstruppen in Afghanistan im Jahr 2019 gezahlt. Darunter eine Attacke vom 11. Dezember, die den Luftwaffenstützpunkt Bagram nördlich von Kabul zum Ziel hatte, bei der vier US-Soldaten verletzt wurden.

Diese explosive Behauptung geht auf ein Briefing des Pentagon zurück, das von CNN gesichtet wurde. Während darin die erwähnten Kopfgelder einer namentlich nicht genannten "ausländischen Regierung" zugeschrieben wurden, behauptet CNN unter Berufung auf Quellen aus dem Umfeld der Geheimdienste, dass es sich dabei um die iranische Regierung handelt.

Laut dem US-Sender hätten diese Kopfgelder und die damit zusammenhängenden Angriffe auf US-Militärs eine Rolle bei der Entscheidung gespielt, den Kommandeur der iranischen Quds-Einheit zu töten. Am 3. Januar 2020 kam Qassem Soleimani dann bei einem US-Drohnenangriff in Bagdad ums Leben. 

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Der CNN-Bericht knüpft an ähnliche Behauptungen über "Kopfgelder" an, die der russische Militärgeheimdienst an die Taliban gezahlt haben soll, ebenfalls um Angriffe auf Mitarbeiter der USA und der Koalition in Afghanistan zu finanzieren. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, basierte die Geschichte über die russischen Kopfgelder auf unbestätigten, unverarbeiteten Geheimdienstinformationen, die von hochrangigen US-Beamten als nicht ausreichend belegt eingestuft wurden, um sie dem Präsidenten oder seinen leitenden Beratern vorlegen zu können. Ungeachtet dessen sickerten die Informationen an die Presse durch, offenbar mit dem Zweck, Präsident Trumps laufende Bemühungen um ein Friedensabkommen mit den Taliban zu untergraben und ihn im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 in Verlegenheit zu bringen.

Auf den ersten Blick scheint es, als sei der aktuelle CNN-Bericht aus dem gleichen Stoff gesponnen wie die russische "Kopfgeld"-Geschichte. Zunächst bleibt festzuhalten, dass das Haqqani-Netzwerk keine finanziellen Anreize von außen braucht (wie der CNN-Bericht auch feststellt), um es zu Angriffen auf US-amerikanische und andere Soldaten der Koalitionstruppen zu motivieren. Selbst wenn also tatsächlich Zahlungen aus Iran an das Haqqani-Netzwerk geleistet wurden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit dem Angriff vom 11. Dezember oder einem anderen Ereignis in Verbindung stehen, praktisch gleich null.

Die Verbindung, die zwischen dem Angriff vom 11. Dezember auf den Luftwaffenstützpunkt Bagram und der Entscheidung der USA, Qassem Soleimani zu ermorden, bestehen soll, ist ebenfalls dürftig. In den Tagen, Wochen und Monaten nach dem Attentat auf Soleimani wurde die Trump-Regierung vom Kongress und den Medien aufgefordert, den Drohnenangriff auf den iranischen Brigadegeneral zu rechtfertigen.

Während Washington zu diesem Zweck einen Raketenangriff auf den irakischen Luftwaffenstützpunkt K-1 am 27. Dezember 2019 geltend machte, bei dem ein ziviler US-Mitarbeiter getötet wurde, gab es zu keiner Zeit einen Hinweis auf ein iranisches "Kopfgeld"-Programm innerhalb Afghanistans, obwohl ein direkter Zusammenhang zwischen einem solchen "Kopfgeld" und der Notwendigkeit, Soleimani zu töten, ein stärkeres Argument für die Rechtfertigung des Angriffs auf den General gewesen wäre.

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US-Geheimdienste haben behauptet, dass Iran seit 2007 kontinuierlich "bescheidene" Mengen an Waffen an die Taliban geliefert habe, was sowohl die Taliban als auch Iran bestreiten. Laut Aussagen von Sprechern der US-Geheimdienste vom November 2019 wurde diese Hilfe 2015 aufgestockt, um die Taliban bei der Auseinandersetzung mit dem "Islamischen Staat" (IS) innerhalb Afghanistans zu unterstützen. Von einem "Kopfgeld"-Programm war nicht die Rede, obwohl Außenminister Mike Pompeo die iranische Unterstützung mit einem Angriff auf US-Streitkräfte in Afghanistan im Mai 2019 in Verbindung brachte.

Es gibt zwar Anhaltspunkte dafür, dass zwischen Iran und den Taliban eine Art Beziehung besteht, die bis in das Jahr 2007 zurückreicht, aber diese Beziehung schien sich auf die Unterstützung der Taliban-Truppen zu konzentrieren, die in Westafghanistan entlang der Grenze zu Iran stationiert waren. Es gab keine Hinweise darauf, dass diese Beziehung die Zahlung von "Kopfgeldern" für das gezielte Vorgehen gegen US-Militärangehörige beinhaltete.

Darüber hinaus gab es keinen Hinweis darauf, dass Iran zum Zeitpunkt des Angriffs vom 27. Dezember 2019 auf den Luftwaffenstützpunkt Bagram das Haqqani-Netzwerk unterstützte, eine sunnitische Terrororganisation mit engen Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst, die von der pakistanischen Stadt Quetta aus operiert. In der Tat gab es erste Anzeichen für eine iranische Verbindung zum Haqqani-Netzwerk nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen den USA und den Taliban im Februar 2020, als Randelemente der Taliban, darunter auch Verbündete innerhalb des Haqqani-Netzwerks, sich abspalteten, um den Kampf gegen die USA in Afghanistan fortzusetzen.

Und selbst dazu gibt es nur vage Berichte – die angebliche Kooperation zwischen Iran, den Taliban und dem Haqqani-Netzwerk befand sich demnach im "Frühstadium der Entstehung", was nicht auf die Art von Reife hindeutet, die nötig gewesen wäre, um ein tragfähiges Kopfgeldprogramm aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus konnte eine Zusammenarbeit, die im Februar 2020 noch in den Kinderschuhen steckte, nicht die Grundlage für eine Vereinbarung über einen Angriff im Dezember 2019 gewesen sein.

Und zu guter Letzt wäre eine Kopfgeld-Vereinbarung zwischen Teheran und dem Haqqani-Netzwerk dem öffentlichen Engagement des Haqqani-Netzwerks zur Unterstützung des Friedensabkommens zwischen den USA und den Taliban zuwidergelaufen. Kurz gesagt, die Behauptungen des CNN-Berichts halten den Fakten und der Logik nicht stand.

Der CNN-Bericht erschien, kurz nachdem die USA eine wichtige Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über die Aufhebung eines Embargos gegen Iran verloren hatten. Das Timing liefert vielleicht die beste Antwort auf die Frage, warum der US-Sender nun mit einer so dünnen Story aufwartet.

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Diese peinliche Niederlage im Sicherheitsrat, bei der die USA nur eine einzige zusätzliche Stimme zur Unterstützung ihrer Resolution aufbringen konnten, hat den Boden für eine noch größere Konfrontation bei den Vereinten Nationen über die sogenannten "Snapback"-Sanktionen bereitet, die die USA gegen Iran verhängen wollen.

Personen aus der US-Geheimdienst-Community hatten den Kopfgeldvorwurf gegenüber Iran durchsickern lassen, die keine Skrupel haben, zu einem äußerst sensiblen Zeitpunkt – es verbleiben weniger als 90 Tage bis zur US-Präsidentschaftswahl – fabrizierte und/oder irreführende Informationen in den amerikanischen Nachrichtenzyklus zu injizieren. Dieser Informations-Leak dient nicht dazu, Trump in Verlegenheit zu bringen, sondern das Argument seiner Regierung zu untermauern, wonach Iran eine Bedrohung darstelle, die es wert sei, eine größere Konfrontation im Sicherheitsrat auszuhalten, auch wenn das die Legitimität und Lebensfähigkeit dieser Organisation bedrohen könnte.

Letztendlich sind die Motive hinter einem solchen Geheimdienst-Leak irrelevant. Die US-Geheimdienste haben sich durch die wiederholte Nutzung gut getimter Leaks, mit denen die Politik durch die Täuschung der amerikanischen Öffentlichkeit beeinflusst werden soll, als hoch politisierte Institutionen erwiesen, die nach der Willkür parteiischer und anonym bleibender Agenten handeln, und nicht im besten Interesse der Vereinigten Staaten.

Dass diesen Geheimdiensten immer noch ein jährliches Budget von mehr als 80 Milliarden US-Dollar zusteht, ist ein deutliches Indiz dafür, wie marode das Regierungssystem der USA geworden ist, wo weiterhin ein Auge zugedrückt wird, wenn es um den eklatanten Missbrauch von Geheimdienstinformationen und deren Zweckentfremdung geht.

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Übersetzung aus dem EnglischenScott Ritter ist ein ehemaliger Offizier für Aufklärung der US-Marineinfanterie. Er diente den USA in der Sowjetunion als Inspektor für die Umsetzung der Auflagen des INF-Vertrags, während des Zweiten Golfkriegs im Stab von General Norman Schwarzkopf und war danach von 1991 bis 1998 als Waffen-Chefinspekteur bei der UNO im Irak tätig. Auf Twitter ist er zu finden unter @RealScottRitter

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