Meinung

Symptom statt Krankheit – Trump als Feuerteufel im "Spiegel"

An der medialen Hetze gegen den US-Präsidenten im Zusammenhang mit der Polizeigewalt in den USA beteiligt man sich auch im Ausland – doch hinter dem Symptom Trump wird die eigentliche Krankheit ignoriert. Der Spiegel ist hierbei herausragend, findet Helen Buyniski.

von Helen Buyniski

Tötungen durch die Polizei sind in den USA deprimierend häufig – jedes Jahr sterben etwa 1.000 Menschen durch die Hände von Polizisten. Der Tod von George Floyd scheint jedoch einen Nerv getroffen zu haben, denn er löste weltweit Proteste aus – auch in Deutschland.

Die deutschen Medien, die zur Reaktion des US-Präsidenten Donald Trump auf die Proteste, die Unruhen und die Gewalt im Zusammenhang mit dem Mord des Polizisten Derek Chauvin an George Floyd berichteten, haben sich karikaturartig bei ihren Bemühungen überschlagen, alle Probleme der Nation auf den Bad Orange Man zu schieben.

Der Spiegel, dessen Blick auf den US-Präsidenten nie ein allzu freundlicher war, übertraf sich dennoch selbst mit der Titelgeschichte dieser Woche: Das Bild zeigt Trump an seinem Schreibtisch mit einem brennenden Streichholz, während die USA vor seinem Fenster in Flammen stehen. Der Titel? "Der Feuerteufel". Ein Händchen für Feines ist schon etwas anderes.

Trump, so verkündet das "Linkszentristische" (Zeichensetzung d. Red.) Medienhaus, "facht den Hass an, um vom eigenen Versagen abzulenken – und mit fragwürdigen Methoden seine Wiederwahl abzusichern."

Dem US-Präsidenten die Schuld für die Unruhen und Zerstörungen zu geben, von denen Dutzende US-amerikanischer Städte heimgesucht werden, ist nichts Neues – zumindest ist dieses Narrativ in den US-Medien sicherlich allgegenwärtig. Aber sollte Trump allen Widrigkeiten zum Trotz eine weitere vierjährige Amtszeit ergattern, hat sich Der Spiegel komplett in eine narrative Ecke gedrängt. Was soll schließlich noch bösartiger sein als der Teufel? Siamesische Zwillingsteufel? Ein Teufel mit einem anderen Teufel an der Leine? Doch "wer sich nachts zu lange mit den Problemen von morgen beschäftigt, ist am nächsten Tag zu müde, sie zu lösen", und so beschließen die Redakteure offenbar, sich erst dann darüber Gedanken zu machen, wenn es so weit ist.

Jetzt haben sie genug damit zu tun, Trump – der, wie man sich erinnern sollte, sein Amt im Jahr 2016 antrat – die Schuld für einen guten Teil der Geschichte des US-amerikanischen Rassismus, der Polizeigewalt, der politischen Spaltung der Gesellschaft und des wachsenden Autoritarismus zuzuschieben. Sie sagen auch voraus, dass er jedes Wahlergebnis streitig machen werde, bei dem er nicht als Gewinner dasteht – dabei vergessen sie wohl, dass es Trumps Gegnerin Hillary Clinton war, die die letzten vier Jahre mit Anspielungen verbrachte, sie sei die rechtmäßige Erbin dessen, was man den Thron der USA nennen könnte.

Der Artikel zitiert sogar eine Juraprofessorin der Georgetown University, der die landesweiten Unruhen nach dem Mord des Polizisten Chauvin an George Floyd mit dem Reichstagsbrand von 1933 vergleicht – die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler lasteten ihn ihrer politischen Opposition an und benutzten ihn als Vorwand, um die meisten Regierungsbefugnisse für sich zu sichern.

Anstatt Professor Rosa Brooks zu fragen, warum es ihr "schwerfällt, nicht an den Reichstagsbrand zu denken", wenn sie über die Ereignisse der letzten Wochen nachdenkt, beschreibt Der Spiegel jedoch lediglich eine verstärkte Polizeipräsenz rund um das Weiße Haus, die Errichtung eines neuen meterhohen Zauns und einen inzwischen berüchtigten Hubschrauber-Stunt, bei dem eine mit Rotkreuz-Insignien gekennzeichnete Militärmaschine im Tiefflug über die Demonstranten hinweg bügelte, um sie so auseinanderzutreiben. Die letztgenannte "Machtdemonstration" war in fast allen Beiträgen, die die angeblich überzogene Reaktion der Trump-Regierung auf friedliche Proteste in Washington DC beschreiben, an prominenter Stelle zu finden.

Keine Erwähnung finden hingegen die Gouverneure der verschiedenen Bundesstaaten, die sofort die Chance ergriffen, mitten in der Coronavirus-Pandemie den Ausnahmezustand auszurufen und im Namen des Virus so viel Macht wie möglich an sich zu reißen, während Trump selbst merkwürdig zurückhaltend blieb – obwohl die medialen Schockschwerenöter ihre künstliche Empörung auf 200 Prozent hochregelten.

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Selbst als er dazu aufrief, die Antifa-Aktivisten als "Inlandsterroristen" anzuerkennen, überließ der Präsident die Modalitäten der eigentlichen Strafverfolgung dem Generalstaatsanwalt William Barr. Der Generalstaatsanwalt wiederum wälzte die Verantwortung weitgehend auf die Gouverneure der Bundesstaaten ab – Ein Problem, das Trump weiterhin frustriert, wenn diese Gouverneure sich weigern, die "Hilfe" anzunehmen, die er in Form der Nationalgarde angeboten hat.

Wohl deutet der Spiegel zwar an, dass die Rassismus-Probleme der USA mehrere Jahrzehnte vor Trumps Einzug ins Weiße Haus entstanden – doch um dies zu erfahren, muss man fast die Hälfte des Stücks durchackern. Der Chicagoer Stadtteil Austin, geben die Autoren zu, sei in den späten 1980er-Jahren von der Globalisierung verwüstet worden und habe sich nie wirklich erholt. Die Tatsache, dass Chicago eine Hochburg der Demokraten ist – sogar die Heimatstadt von Trumps Vorgänger Barack Obama – und dennoch immer noch vor dem Problem der "Mauer" des "institutionellen Rassismus" steht, wird nicht kommentiert.

Die Anti-Trump-Trommelfeuerorgie setzt sich selbst an einigen wenigen Punkten in den Sand. Trump habe "keinen einzigen Schwarzen auf einen prominenten Kabinettsposten geholt". Doch obwohl der Minister für Wohnungsbau und Stadtentwicklung, Ben Carson, auf seinem Posten bisher wohl verschwindend wenig vollbrachte, ist der schwarze Neurochirurg immer noch in der Trump-Administration tätig – was man von den meisten der Ersternennungen des Präsidenten nicht behaupten kann.

Die Autoren versuchen auch, die Unterdrückung der Wähler in Wisconsins "Coronavirus-Primärwahl" mit Trump in Verbindung zu bringen. Doch offenbar erkennen sie nicht, dass Trump um die republikanische Nominierung mit niemandem konkurrieren musste und somit keinen Grund hatte, die Schließung von 175 der 180 Wahllokale anzuordnen. Und als Beweis dafür, dass Trump wirklich nicht freiwillig gehen wird, dient den Autoren eine "Arbeitsgruppe", eingerichtet im Rahmen der Kampagne des Rivalen Joe Biden für eine Amtsenthebung Trumps mit allen verfügbaren Mitteln – eingerichtet extra für den Fall, dass er sich weigert, freiwillig zu gehen.

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Sogar der Never-Trump-Neocon Bill Kristol tritt in Erscheinung – und wird als "führender Intellektueller" und "Entdecker der Vize-Präsidentschaftskandidatin Sarah Palin" gefeiert – zwei Punkte, deren gegenseitige Widersprüchlichkeit auf ersten Blick deutlich ist, doch solcherlei Feinheiten gingen an der deutschen Redaktion wohl unbemerkt vorbei.

 Alle anderen Unheilssymbole schon benutzt

Der Spiegel hatte keine andere Wahl, als Trump zum Teufel zu deklarieren – hatte man ihn zuvor doch schon auf der Titelseite als vermummten Ku-Klux-Klan-Anhänger, als einen Kometen, der alles Leben auf der Erde bedroht, und als Klinge schwingenden Barbaren, der die Freiheitsstatue enthauptet, dargestellt. Natürlich steht es diejenigen, denen der Angriff des Spiegels zu übertrieben ist, frei, den Stern zu lesen. Für die Redakteure des mit dem Spiegel  konkurrierenden Magazins ist Trump immerhin "nur" "Der Zerstörer", zu dem sie die Frage stellen, ob er "die USA in einen Bürgerkrieg" treibt – und das alles auf einem Titelbild, das erfrischend frei von Flammen ist.

Trump wird sowohl innerhalb als auch außerhalb der USA für die in den Städten landesweit wütenden Unruhen verantwortlich gemacht – dies geht bis hin zur Zensur der sozialen Medien für seine angeblich gewaltverherrlichenden Tweets. Doch zur selben Zeit priesen Mainstream-Medien wie Slate Gewalt wortwörtlich als "wichtiges Instrument für Proteste" an. Und ebenfalls zur selben Zeit weigerten sich einige örtliche Verwaltungen, Randalierer, die wegen Gewalttaten verhaftet wurden, strafrechtlich zu verfolgen.

Übersetzt aus dem Englischen

Helen Buyniski ist eine US-amerikanische Journalistin und politische Kommentatorin bei RT.

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