Meinung

"Russlandaffäre": Was man über die sechs größten Lügen wissen sollte

Die angebliche "russische Einmischung" in die US-Präsidentschaftswahlen von 2016 ist nicht nur bei den Demokraten, sondern auch bei vielen Republikanern ein Glaubensbekenntnis – dank dem endlosen Wiederholen vager Argumente, von denen keines stichhaltig ist.
"Russlandaffäre": Was man über die sechs größten Lügen  wissen sollteQuelle: AFP © Brendan Smialowski / AFP

von Nebojsa Malic

Alles begann damit, dass das DNC (Democratic National Commitee, eine bundesweite Organisation der Demokratischen Partei der Vereinigten Staaten) im Juni 2016 die Behauptung aufstellte, Russland habe seine Computer gehackt. Anlass war eine Veröffentlichung von Dokumenten, die eine Manipulation der parteiinternen Kandidatenvorwahlen durch die Partei selbst enthüllten.

Darauf folgten Anschuldigungen von Hillary Clinton gegen Donald Trump, ihren Rivalen um die Präsidentschaft: Er hätte sich mit Russland "verschworen", indem er Moskau um diese ihre E-Mails bat – jene E-Mails zufällig, die sie von einem privaten Server löschte, den sie zur Abwicklung von dienstlicher Kommunikation des Außenministeriums benutzte.

Mit ein wenig Hilfe jener Mainstream-Medien, die ja mit überwältigender Mehrheit Hillary Clinton unterstützten und auch deren Wahlsieg orakelten, wuchsen auch ihre Bemühungen, den eigenen E-Mail-Skandal zu vertuschen, ihn in einen "Hackerangriff gegen unsere Demokratie" durch Russland umzudeuten. Dies mündete schließlich sogar in der "Russiagate"-Untersuchung unter der Leitung von Sonderberater Robert Mueller und brachte eine Reihe gescheiterter Versuche hervor, Trumps Wahlsieg zunichte zu machen und ihn doch noch aus dem Weißen Haus zu drängen.

Lüge Nr. 1: Russland hackte die DNC-Server

Dem berüchtigten sogenannten ICA  (Intelligence Community Assessment, dt.: Falleinschätzung durch die US-Geheimdienstgemeinschaft) vom Januar 2017 und dem darauf basierenden Bericht des Geheimdienstausschusses im US-Senat zufolge – sowie auch gemäß der unter anderem von echten Wahlmanipulatoren aufgestellten "Analytik" – steckten Russlands Regierung und gar Präsident Wladimir Putin persönlich hinter dem "Hack" sowie der Veröffentlichung der DNC-Dokumente. Hierzu blieb es allerdings stets bei Behauptungen, Beweise wurden niemals vorgelegt.

Die in der letzten Woche erfolgte Veröffentlichung von mehr als 50 ursprünglich geheimen Protokollen von Befragungen im Rahmen der vom Geheimdienstausschuss des US-Repräsentantenhauses durchgeführten Untersuchung ergab: Auch die Cybersicherheitsfirma CrowdStrike, die von den DNC-Anwälten zur Behebung des "Hacks" hinzugezogen worden war, hatte keine Beweise vorzulegen.

Der Präsident von CrowdStrike, der ehemalige FBI-Mitarbeiter Shawn Henry, sagte aus, man habe "Aktivitäten gesehen, von denen wir glaubten, dass sie mit Aktivitäten übereinstimmten, die wir zuvor gesehen und mit der russischen Regierung in Verbindung gebracht hatten" [Hervorhebungen durch den Autor].

In derselben Zeugenaussage gab Henry ferner an, CrowdStrike hätte nie einen Beweis dafür gehabt, dass die Daten tatsächlich "exfiltriert", also von den DNC-Servern gestohlen wurden.

Ich möchte betonen, was für eine (ziemlich große) Offenbarung das hier ist. CrowdStrike, die Firma, die hinter dem Vorwurf steht, Russland habe DNC-E-Mails gehackt und gestohlen, gab vor dem Kongress zu, keine unmittelbaren Anhaltspunkte dafür zu haben, dass Russland die E-Mails tatsächlich gestohlen hat.

Mehr dazu von CrowdStrike-Präsident Shaun Henry:

Mr. Stewart für Utah: […] Ich meine, als Sie über den DNC-Computer sprachen, sagten Sie, es gebe Hinweise, dass Daten zur Entnahme vorbereitet wurden, jedoch keine Hinweise, dass sie auch wirklich entnommen wurden. Habe ich mir das korrekt notiert?

Mr. Henry: Ja.

Mr. Stewart für Utah: […] Gut. Wie sieht es mit den E-Mails aus, von denen alle, Sie wissen schon, so gut informiert sind? Gab es da auch Anzeichen, dass sie vorbereitet wurden, aber keine Anzeichen tatsächlicher Entnahme?

Mr. Henry: Es gibt keine Indizien dafür, dass sie tatsächlich entnommen wurden. Es gibt mittelbare Indizien… Aber keine Indizien, dass sie wirklich entnommen wurden.

Mr. Henry: Es gibt mittelbare Indizien dafür, dass diese Daten aus dem Netzwerk entnommen wurden. […] Da war kein Netzwerksensor, der eine Datenentnahme dokumentiert hätte. Wir sagten, dass Daten entnommen wurden, und wir stützten uns dabei auf mittelbare Indizien. Dies war unsere Schlussfolgerung.

Der von CrowdStrike selbst so bezeichnete Glaube an einen Hacks bleibt bisher der einzige "Beweis" – denn das FBI befragte weder die Firmenmitarbeiter noch das DNC nach dem eigentlichen Server, was Henry ebenfalls bestätigte. Unterdessen argumentierte der ehemalige NSA-Mitarbeiter und Whistleblower William Binney bereits im November 2017, dass die tatsächlichen Befunde eher auf ein Leck im Inneren deuten – und nicht auf einen Hack.

Lüge Nr. 2: Russland hackte die E-Mails von Podesta und veröffentlichte sie in Absprache mit WikiLeaks

Ebenfalls null Beweise gibt es dafür, dass die russische Regierung irgendetwas mit dem privaten E-Mail-Konto von John Podesta, Clintons Wahlkampfleiter, zu tun hatte: Die Sicherheit dieses E-Mail-Kontos war – wie ein Mitarbeiter zugab – kompromittiert worden, weil jemand auf einen Phishing-Angriff hereinfiel.

Stattdessen beruht das Hauptargument dafür, dass WikiLeaks sich irgendwie mit Russland über die Veröffentlichung der E-Mails "verschworen" habe, auf einer Verschwörungstheorie, die von den Mitarbeitern der Clinton-Kampagne vertreten wurde. Diese Theorie wurde in Umlauf gebracht, nachdem es RT gelungen war, schneller über eine neue Charge von E-Mails zu berichten, bevor man bei WikiLeaks dazu kam, etwas darüber zu twittern. Doch auch RT schrieb erst darüber, nachdem die Charge bereits auf der Webseite von WikiLeaks veröffentlicht war und somit auch jedem anderen zugänglich war, der bereit war, echten Journalismus zu betreiben.

Tatsächlich war die bloße Existenz von RT ein wichtiges "Argument" der Russiagate-Adepten: Ein ganzes Drittel jener "ICA", welche die "russische Einmischung" belegen sollte, bestand aus einem vier Jahre alten Beschreibungsanhang zu RT. Dieser war allerdings in keiner Weise für die Situation im Jahr 2016 von Belang, denn er beklagte sich zum Beispiel über die Berichterstattung von RT zu Themen wie Fracking oder den "Occupy Wall Street"-Protesten. 

Lüge Nr. 3: Relevanz des Steele-"Pinkel-Tape"-Dossiers

Wie sich später herausstellte, waren Clintons Behauptungen zu angeblichen "Absprachen mit Russland" auf ein abenteuerliches Dossier gegründet, das ihr Wahlkampf-Stab vermittelt durch das DNC und eine Firma namens Fusion GPS von einem britischen Spion namens Christopher Steele beschafft hatte. Darin wurde behauptet, dass der Kreml Trump mit einer Videoaufnahme von fragwürdigen Sexualakten in einem Moskauer Hotel erpressen würde, wobei Prostituierte angeblich dafür bezahlt wurden, obendrein auf ein Bett zu urinieren, in dem zuvor Präsident Barack Obama geschlafen haben soll.

Das Dossier war eindeutig lächerlich und völlig bar jeglichen Beweismaterials. Die "Demokraten" behaupteten denn auch, das habe bei den Ermittlungen zu Russiagate auch gar keine Rolle gespielt. Dennoch wurde Steele vom FBI für die "Informationen" in diesem Dossier bezahlt. Und das FBI nutzte diese Informationen zum Erwirken eines FISA-Beschlusses (FISC, auch: FISA Court – Gericht der Vereinigten Staaten betreffend die Überwachung durch Auslandsgeheimdienste) zur Überwachung des Trump-Wahlkampfhelfers Carter Page – und damit auch des Wahlkampfs selbst, was mit dem Inkrafttreten kurz vor der Wahl begann und dreimalig verlängert wurde.

Im Januar 2020 erklärte das US-Justizministerium schließlich das Dossier, alle daraus geschöpften Informationen sowie alle vier darauf gegründeten FISA-Beschlüsse offiziell für nichtig – und zwar mit der aufschlussreichen Begründung, dass "die Belege zur Feststellung eines stichhaltigen Anlasses unzureichend" seien. 

Lüge Nr. 4: General Michael Flynn verschwor sich in verräterischer Weise mit Russland und belog das FBI darüber

Trumps erster nationaler Sicherheitsberater wurde nach weniger als zwei Wochen aus dem Weißen Haus gejagt. Anlass waren Informationslecks in den Medien, die unterstellten, er habe in unberechtigter Weise mit dem russischen Botschafter Sergei Kisljak zum Thema Sanktionen diskutiert, dabei gegen den Logan Act (Gesetz zum Schutz der Verhandlungshoheit der US-Regierung mit anderen Regierungen, mit welchen ein Streit besteht) verstoßen und dann das FBI darüber belogen.

Nachdem Trump den FBI-Direktor James Comey im Mai 2017 entließ, erklärte dieser gegenüber Medien, der Präsident habe ihn gedrängt, die Ermittlungen gegen Flynn einzustellen. Das wurde schnell als "Behinderung" ausgelegt und als einer der Vorwände benutzt, um Robert Mueller als Sonderberater für den Russiagate-Skandal zu ernennen.

Als den Staatsanwälten endlich tatsächliche Beweise entlockt werden konnten, zeigte sich jedoch: Das FBI hatte die Absicht, Flynn in eine Meineid-Falle zu locken, und Comey persönlich, sein Stellvertreter Andrew McCabe, die in Ungnade gefallenen FBI-Mitarbeiter Peter Strzok () und Lisa Page (FBI-Anwältin) und andere mehr daran beteiligt waren. Alle Anklagen gegen Flynn wurden folglich fallen gelassen.

Flynn hatte den FBI-Chefermittler Peter Strzok und den anderen Agenten, der ihn befragte, nicht einmal angelogen – darüber hinaus wurde die Aufzeichnung dieses Gesprächs zunächst stark redigiert und später ganz vernichtet. Im Grunde war alles am Fall Flynn genauso falsch wie am ABC-Sensationsbericht vom Dezember 2017 über dessen "Absprachen" mit Russland (weswegen der Sender auch seinen Journalisten Brian Ross später gefeuert hat). 

Lüge Nr. 5: Mueller "fand" eine geheime Absprache oder zumindest eine russische Einmischung

Als Muellers Abschlussbericht im Frühjahr 2019 herauskam, wurden darin keinerlei Hinweise auf "Absprachen" dokumentiert – aber die Verfasser bestanden dennoch darauf, dass es eine russische "Einmischung" in die US-Präsidentschaftswahl gegeben habe. Das einzige Problem bestand darin, dass Mueller keinen Beweis für eine Einmischung hatte, weil er sich ausschließlich auf die oben erwähnten "Einschätzungen" der Geheimdienste und seine eigenen Anklageschriften stützte.

Eine russische Firma, die in einer der Anklageschriften genannt wurde, focht dies vor einem US-Gericht an – und gewann! Zuerst verpasste ein Bundesrichter Muellers Staatsanwälten wegen Regelverstößen eine gehörige Schlappe –  dafür nämlich, reine Vorwürfe als "erwiesene" und "bestätigte" Tatsachen dargestellt zu haben – und entschied dann, dass zwischen einem Catering-Unternehmen, dem man vorwarf, "Zwietracht in sozialen Medien zu säen", und der russischen Regierung tatsächlich keine Verbindung festzustellen ist. (Man entscheide selbst, wie weit es von einer solchen Lappalie zu einem DNC-Hack ist!)

Das Justizministerium ließ diesen speziellen Fall dann im März stillschweigend fallen, gerade als in den USA die Quarantänemaßnahmen gegen das Coronavirus begannen. Als Ausreden zur Gesichtswahrung führte es "jüngste Ereignisse" und eine Änderung der Klassifizierung einiger der angeblich vorliegenden Beweise an. 

Lüge Nr. 6: Paul Manafort war Trumps Verbindungsmann zu Russland

Paul Manafort, der Trumps Kampagne zwischen März und August 2016 leitete, wurde der Verschwörung gegen die USA in mehreren Fällen schuldig gesprochen und zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Doch trotz wiederholter Versuche der Medien, ihn als eine Art Verbindungsglied zwischen Trump und Russland darzustellen, hatte alles, was ihn gegen Gesetze in Schwierigkeiten brachte, mit Steuerhinterziehung zu tun – und zwar Steuern auf Einnahmen, die er für seine Lobbyarbeit "verdient" hatte – für und in der Ukraine.

Im Laufe der beiden Prozesse gegen Manafort stellte sich heraus, dass er und sein Geschäftspartner Rick Gates jahrelang mit Podestas Bruder Tony zusammen daran gearbeitet hatten, ukrainische Oligarchen auszunehmen und ihre Gewinne in Steueroasen zu verstecken.

Die ukrainischen Beamten, die das so genannte "schwarze Kassenbuch" an die US-Medien durchsickern ließen, das Manafort belastete, wurden sogar von einem Gericht in Kiew wegen Wahlmanipulation verurteilt. Und das Ganze könnte von einem ukrainisch-US-amerikanischen DNC-Subunternehmer in die Wege geleitet worden sein. Dass die US-Medien sich bisher merkwürdigerweise nicht für diese "geheime Absprache" interessiert haben, bedarf fast keiner Erwähnung.

Wenn man all diese Schalen von Fehlinformationen wie die Schichten einer Zwiebel öffnet, bleibt im Innersten nichts als leeres Gerede übrig, das von "Demokraten" wie Adam Schiff (Kongressabgeordneter für Kalifornien) in Dauerschleife wiederholt wird: "Russland hat unsere Demokratie gehackt".

Dieser Vorwurf ist so vage, dass er alles bedeuten kann – und das ist auch Absicht. Es werden keine Beweise dargelegt, weil es keine gibt – und das zeigen die jahrelangen Ermittlungen und Kisten voller Dokumente überdeutlich.

RT bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Übersetzt aus dem Englischen. Nebojsa Malic ist ein serbisch-US-amerikanischer Journalist, Blogger und Übersetzer, der in den Jahren 2000 bis 2015 eine regelmäßige Kolumne für Antiwar.com schrieb und jetzt als leitender Autor bei RT International tätig ist. Folgen Sie ihm auf Twitter @NebojsaMalic

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