"Hallo, hier spricht der Präsident": Türkische Handy-Nutzer von Erdogan überrascht
Die Idee, Erdogans Rede zum Jubiläum der Niederlage der Putschisten vom 15. Juli 2016 zu verbreiten, soll von der türkischen Informationstechnologie- und Kommunikationsbehörde (ICTA) gekommen sein, die in der Türkei die Internet- und Mobilfunknetze beaufsichtigt.
Als Präsident beglückwünsche ich Sie zum 15. Juli, dem Tag der Demokratie und der Nationalen Einheit. Ich wünsche den Märtyrern Barmherzigkeit und den Helden [, die sich den Putschisten entgegenstellten] Gesundheit und Wohlbefinden", heißt es in der Handy-Botschaft.
Der 15. Juli wurde nach dem gescheiterten Putsch zum Nationalfeiertag der "Demokratie und der nationalen Einheit" erklärt. Anlässlich dazu hielt der türkische Präsident eine Ansprache auf der Bosporus-Brücke in Istanbul. Hier stießen im letzten Jahr Putschisten und Zivilisten zusammen. Über 30 Menschen sollen an dieser Stelle getötet worden sein. "Ich danke allen Mitgliedern meiner Nation, die ihr Land verteidigt haben", sagte der türkische Erdogan. Er drohte auch, "die Köpfe der Verräter abzuschlagen" und fügte hinzu, dass er sofort einen Gesetzentwurf zur Todesstrafe unterzeichnen würde, sollte ein solcher vom Parlament verabschiedet werden.
Die türkische Regierung beschuldigt den Prediger Fethullah Gülen, hinter dem Putschversuch zu stecken. Der im US-Exil lebende Geistliche hat dies vehement bestritten und wirft Erdogan eine Hexenjagd vor. Zum Jubiläum erklärte Gülen, dass im Nachgang des gescheiterten Putsches "zu viele unschuldige Menschen" leiden mussten. "Sie wurden widerrechtlich von ihren Arbeitsplätzen entlassen, festgenommen, eingesperrt und sogar gefoltert, weil die Regierung entscheidet, dass sie irgendwie mit mir verbunden sind", so Gülen. Nur wenige Stunden vor dem Jahrestag soll Erdogan per Dekret über 7.300 Staatsbedienstete entlassen haben. Bei ihnen handele es sich größtenteils um Soldaten sowie rund 2.300 Polizisten und mehr als 300 Wissenschaftler, meldeten die Zeitung Hürriyet und der Sender CNN Türk unter Berufung auf ein veröffentlichtes Dekret. Sie werden verdächtigt, Verbindungen zu dem in den USA lebenden Fethullah Gülen zu haben.
Nach den dramatischen Ereignissen rund um den Putschversuch mit rund 250 Toten startete Ankara eine massive Kampagne zur Niederschlagung von angeblichen Putsch-Anhängern sowie Oppositionsfiguren und Journalisten. Etwa 50.000 Menschen wurden verhaftet und mehr als 150.000 Beamte, Polizeibeamte und Soldaten entlassen.
Theorien, denen zufolge der Putschversuch von Ankara "kontrolliert" wurde, um einen Vorwand für Erdogan zu schaffen, seine Gegner zum Schweigen bringen zu können und loszuwerden, wurden von der Regierung vehement bestritten und abgelehnt. Allerdings würden allfällige Inside-Job-Theorien auch voraussetzen, dass führende Soldaten sich schon im Vorfeld dazu bereitgefunden hätten, härteste Strafen und eine dauerhafte öffentliche Diskreditierung in Kauf zu nehmen. Allenfalls könnten Regierungskreise mehr oder minder konkrete Informationen über Putschpläne gehabt und zugewartet haben, bis diese sich konkretisieren.
Bislang hat die Regierung auch keine wirklich handfesten Beweise präsentiert, die eindeutig Gülen und dessen Rolle beim Putschversuch belegen. Auch der Chef des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, ist der Meinung, dass Erdogan den Putsch als Vorwand nutzte. "Der Putsch war wohl nur ein willkommener Vorwand", erklärte er im März. Er sähe außerdem keine Anzeichen dafür, dass Gülen hinter dem Putschversuch stecke.
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