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Leere Versprechen statt Erdgas: Wohin führt die Unterstützung der USA für die Drei-Meere-Initiative?

Estland begrüßt die Absicht der USA, eine Milliarde Dollar in Energieprojekte der Drei-Meere-Initiative zu investieren. Laut Experten versuchen die USA, den Vorstoß zum Vertrieb ihres LNG zu nutzen. Man will das billigere russische Röhrengas verdrängen – aber vergebens.
Leere Versprechen statt Erdgas: Wohin führt die Unterstützung der USA für die Drei-Meere-Initiative?Quelle: Sputnik

Tallinn begrüßt die Absicht Washingtons, eine Milliarde Dollar in die Energieprojekte der Drei-Meere-Initiative zu investieren, einer informellen Plattform, bei der 12 mittel- und osteuropäische Länder zusammenarbeiten. Dies erklärte die Präsidentin der Baltischen Republik Kersti Kaljulaid bei einem Gespräch mit dem US-Energieminister Dan Bruyette am letzten Tag der Internationalen Sicherheitskonferenz in München.

Zuvor kündigte US-Außenminister Mike Pompeo auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 15. Februar den Wunsch Washingtons an, solche Gelder bereitzustellen. Seiner Meinung nach soll dieses Projekt die Energiesicherheit in der Region gewährleisten.

Nach Ansicht von Experten versuchen die Vereinigten Staaten, die Drei-Meere-Initiative zum Vertrieb ihres Flüssigerdgases zu nutzen – dafür müssen und wollen sie das billigere russische Erdgas verdrängen. Analytiker sind jedoch zuversichtlich, dass dieses Ziel für die USA unerreichbar bleiben wird.

Nach Ansicht der estnischen Staatschefin ist die Absicht der USA ein Beweis für "den festen Glauben an die Wirtschaft unserer Region". Sie stellte fest, dass die an der Initiative beteiligten Länder ein Drittel des Territoriums der Europäischen Union ausmachen. Das Bruttoinlandsprodukt dieser Länder ist jedoch gering und macht nur ein Fünftel der EU-Wirtschaft aus. Kaljulaid erklärte:

Deshalb ist es wichtig, Möglichkeiten zu finden, mehr Investitionen in die Infrastruktur, Energie und den digitalen Bereich dieser Länder anzuziehen und so die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern weiterzuentwickeln.

Sanitäre Absperrung gegen Russland

Die Drei-Meere-Initiative besteht seit dem Jahr 2016 und umfasst 12 Länder der Region. Teilnehmerstaaten sind Polen, Kroatien, Österreich, Ungarn, die Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland, Litauen, die Tschechische Republik, Rumänien und Bulgarien. Der Name des Projekts soll die weite Geografie der beteiligten Länder symbolisieren, deren Küsten von der Ostsee, dem Schwarzen und dem Adriatischen Meer umspült werden.

Zuvor hatte auch die Ukraine versucht, sich der Drei-Meere-Initiative anzuschließen. Ein solcher Antrag wurde von Präsident Wladimir Selenskij gestellt. Doch der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz erklärte auf dem Warschauer Sicherheitsforum im Oktober 2019, dass Kijew die Teilnahme an diesem Projekt mangels einer Mitgliedschaft in der EU verweigert werde.

Im Jahr 2020 wird Estland Gastgeber des Drei-Meere-Gipfels sein. Im vergangenen Jahr trafen sich die Leiter der Mitgliedsstaaten in Ljubljana, im Jahr 2018 in Bukarest und im Jahr 2017 fand der Gipfel der Drei-Meere-Initiative in Warschau statt. Die Veranstaltung wurde bemerkenswerterweise von US-Präsident Donald Trump besucht.

Die Teilnehmer des Projekts koordinieren Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung ihrer Infrastruktur. Dies umfasst Erdgaspipelines, Straßen, das Eisenbahnnetz und Stromleitungen. Ihre Bemühungen zielen auch darauf ab, die Energieversorgung der Teilnehmerstaaten zu diversifizieren, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu stärken und die Volkswirtschaften zu digitalisieren.

Wie Igor Juschkow, leitender Analytiker der russischen Stiftung für Nationale Energiesicherheit, in seinem Gespräch mit RT bemerkte, zielt die Drei-Meere-Initiative auf den Bau von Knotenpunkten ab, die die Gaspipelines zwischen den teilnehmenden Ländern verbinden sollen. Diese sollen es ermöglichen, Brennstoff innerhalb der Region umzuleiten, einschließlich LNG (verflüssigtes Erdgas). Juschkow analysierte die Situation so:

Es geht um die Schaffung eines ausgedehnten Netzes von Gaspipelines mit LNG-Terminals an der Ostsee- und Mittelmeerküste. Im Idealfall wollen die Teilnehmer der Drei-Meere-Initiative die Ostsee, das Schwarze Meer und das Mittelmeer verbinden, das heißt, ein Pipelinesystem nicht von Ost nach West, sondern eine vertikale Linie von Nord nach Süd aufbauen.

Wie der Experte erklärte, ist ein solches Infrastrukturprogramm für Russland ungünstig, zumal das Land für seinen Erdgasexport Leitungsstränge von Ost nach West benutzt. Vertreter Kroatiens und Polens bestreiten, dass sich das Projekt gegen Russland richtet. Das russische Außenministerium schließt jedoch nicht aus, dass die Drei-Meere-Initiative "Versuche zur Isolierung Russlands" begünstigen kann. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Interfax machte der russische Botschafter in Tallinn Alexander Petrow deutlich:

Wir sind bereit, mit allen unseren europäischen Nachbarn zusammenzuarbeiten, wenn ihre Bemühungen nicht auf die Isolierung Russlands abzielen, für die eine Art 'sanitärer Kordon' geschaffen werden soll, wie der Begriff früher lautete.

Juschkow schließt nicht aus, dass Moskau gewisse Gründe zur Besorgnis hat. Seiner Meinung nach besteht das Hauptziel der Initiative als solches darin, den Kauf russischer Energie Schritt für Schritt zugunsten der teureren amerikanischen Ressourcen aufzugeben. Durch die Unterstützung des Projekts wollen die Vereinigten Staaten ihre Präsenz auf dem europäischen Energiemarkt stärken, erklärte der Experte in einem Gespräch mit RT.

Die Drei-Meere-Initiative zielte von Anfang an darauf ab, eine Alternative zu den russischen Energielieferungen zu finden. Sie entstand zwar, bevor die Vereinigten Staaten begannen, allen in Europa ihr Flüssigerdgas zwangszuverordnen, nun aber werden die US-Amerikaner das Projekt auf jeden Fall nutzen, um ihr Flüssigerdgas, das teurer ist als russisches Röhrenerdgas, auf den europäischen Markt zu bringen, sagt Juschkow voraus.

Immerhin plant Warschau, in naher Zukunft auf russische Gasimporte zu verzichten. So teilte im November 2019 der polnische Energiekonzern PGNiG den russischen Kollegen von Gazprom mit, den am 31. Dezember 2022 auslaufenden Jamal-Vertrag nicht verlängern zu wollen. Warschau führte seine Entscheidung auf den Wunsch zurück, die Erdgasversorgung Polens zu diversifizieren.

PGNiG beabsichtigt, stattdessen Gas aus den USA, Katar und Norwegen zu kaufen. Aus Skandinavien soll der Brennstoff über die geplante Baltic Pipe importiert werden, während Polen für die Entgegennahme von Flüssiggas aus den USA und Katar sein LNG-Terminal im Ostseehafen Swinemünde ausbaut. 

Ein Schlag gegen gemeinsame Interessen

Experten bezeichnen die Unterstützung der USA für die Drei-Meere-Initiative in der Sphäre der Energiesicherheit als "eine rein politische Geschichte". Nach ihren Berechnungen ist der Kauf von US-amerikanischem LNG wirtschaftlich nicht zielführend. Zudem sind gegenwärtig die Lieferungen der Gaslieferanten jenseits des Ozeans in die EU trotz des hohen Preises ihres Exportprodukts unrentabel. Deswegen gab sich Juschkow zuversichtlich:

Die US-Regierung versucht, die LNG-Lieferungen rentabel zu machen. Doch zu diesem Zweck ist es notwendig, die russischen Exportkanäle in die EU zu kappen. Der Wettbewerb um den europäischen Markt hat sich verschärft, und die US-Amerikaner sind gezwungen, verschiedene politische Instrumente einzusetzen. Aber die Lageentwicklung der letzten Jahre zeigt, dass Russland diesen Wettbewerb gewinnt, und die US-Amerikaner können nichts dagegen tun.

Bereits vor fast zwei Jahren haben die Vereinigten Staaten ihre Absicht angekündigt, etwa eine Milliarde Dollar in die Entwicklung der Energieinfrastruktur in den osteuropäischen Ländern zu investieren. Und seitdem ist nichts passiert. Noch einmal das Versprechen zu geben, eine Milliarde Dollar zu investieren, ist natürlich großartig – doch bisher haben die USA nur Versprechungen verteilt, aber kein Geld.

Auf jeden Fall werde eine Milliarde US-Dollar nicht ausreichen, um zwei große LNG-Terminals in Osteuropa "mit mehr oder weniger akzeptabler Kapazität" zu bauen oder zu modernisieren, sagt der Experte voraus.

Alexander Frolow, stellvertretender Generaldirektor des Instituts für Nationale Energiewirtschaft, erklärte gegenüber RT, dass Pompeos Versprechen, eine Milliarde Dollar für die Modernisierung der Infrastruktur der Mitgliedsländer der Drei-Meere-Initiative bereitzustellen, lediglich ein Versuch ist, "die Entschlossenheit zu demonstrieren, auf dem europäischen Markt erfolgreich zu bestehen". Der Experte bezweifelt allerdings, dass die Vereinigten Staaten wirklich bereit sind, in die Region zu investieren.

Auch aus Frolows Sicht stellt die Drei-Meere-Initiative keine ernsthafte Bedrohung für russische Energieprojekte dar, einschließlich der Erdgaspipeline Nord Stream 2. Die meisten Sorgen muss sich Westeuropa machen – insbesondere Deutschland. Wie der Analytiker erklärt, widersprechen die Pläne der Drei-Meere-Initiative direkt der EU-Strategie, die auf die Bildung eines gemeinsamen Energieraums abzielt. Frolows Schlussfolgerung fällt daher nüchtern aus:

Die Drei-Meere-Initiative impliziert die Schaffung einer separaten Gastransportinfrastruktur. Als sie ins Leben gerufen wurde, hat dies in Deutschland, das ein Vorkämpfer für die Umsetzung gemeinsamer europäischen Normen ist, eine verständliche Verwirrung ausgelöst. Alle separaten Entwicklungsprojekte der einzelnen EU-Länder sind ein Schlag gegen gemeinsame Interessen der Europäischen Union. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass die von den Anführern der Drei-Meere-Initiative vorgelegten Schlüsselprojekte nicht umgesetzt werden.

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