China wird zur neuen Bedrohung des Westens erklärt – Lawrow zieht Bilanz zur Münchner SiKo
Der russische Außenminister Sergei Lawrow absolvierte bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MCS) 20 bilaterale Treffen und besuchte mehrere Podiumsdiskussionen. Bei seiner Pressekonferenz sagte er, was aus seiner Sicht bei diesem Event in diesem Jahr besonders wichtig gewesen sei.
Er wies auf das Motto der Konferenz "Westlessness" hin, was sich aus dem Englischen als "Westenlosigkeit" übersetzen lässt: "Die meisten Redner aus den USA und Europa haben nach Schuldigen für diesen Zustand gesucht und mit dem Finger auf Washington wegen der 'zu egoistischen Politik' oder auf uns und in Richtung China gezeigt."
Vor allem auf China, das war der neue Moment in den Diskussionen, dass China einen festen Platz in der Liste der Bedrohungen eingenommen hat", so Lawrow.
Die Suche nach den Schuldigen kritisierte der russische Diplomat als fruchtlos und nicht konstruktiv: "Zu 99 Prozent hat sich die Konferenz zu der Frage reduziert, wer der Schuldige ist und wer am schlauesten die Ansprüche den Schuldigen gegenüber – sei es China oder Russland – zur Sprache bringt." Dem stünde allerdings der Ansatz des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gegenüber.
Vor diesem Hintergrund war der Auftritt des französischen Präsidenten vernünftig und nüchtern. Er war auf Lösungsansätze ausgerichtet und nicht auf die Suche nach den Schuldigen und Versuchen, die eigene Unfähigkeit zu rechtfertigen", merkte Lawrow an.
Macron stünde damit in Dissonanz zu den Auftritten vieler Europäer und US-Amerikaner, die über die "Westlessness" mit Enttäuschung oder Sorge gesprochen haben.
Lawrow hob auch positiv hervor, dass Macron multilaterale Konsultationen zur Überwindung der Situation nach der Kündigung des INF-Vertrages vorschlägt. Der russische Chef-Diplomat stellte fest, dass der französische Staatschef dazu drängte, "die Realität" der Existenz Russlands und dessen Einfluss auf viele Weltprozesse zu akzeptieren.
Am 15. Februar sagte Macron bei seinem Auftritt bei der MSC, Europa brauche einen Dialog mit Moskau, dessen Ziel die Beilegung eingefrorener Konflikte und die Gewährleistung der Cybersicherheit sein sollte. Macron betonte, dass die von den europäischen Ländern gegen Russland verhängten Sanktionen sowie die Gegensanktionen für die Europäer genauso teuer sind wie für Russland selbst, da sie zu keinen positiven Ergebnissen geführt haben.
MSC-Papier: Potemkinsches Land
Die Münchner Sicherheitskonferenz stellte in ihrem Hauptbericht fest, dass Moskaus Einfluss auf die Weltpolitik gewachsen sei. Moskau hätte laut den Verfassern im letzten Jahr mit der Rückkehr in den Europarat, dem Verkauf des S-400-Luftverteidigungssystems an einen NATO-Staat und der Festigung seiner Vermittlerrolle im Nahen Osten einige diplomatische Erfolge zu verbuchen. Am wichtigsten sei jedoch der diplomatische Annäherungsversuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gewesen, der die Europäer aufforderte, "die Grundlagen ihrer Beziehungen zu Russland zu überdenken".
Diese Politik nannte der Thinktank der Konferenz mit Verweis auf die "vielen europäischen Politiker" als "unverdiente Entspannung", denn Moskaus "destruktive Politik" gegenüber dem Westen und der Ukraine sei unverändert geblieben. Dabei sei Russland ein "Potemkinsches Land", das sich trotz der inneren Schwäche und Instabilität eine zu teuere Außenpolitik leistet.
Lawrow: NATO verweigert den Dialog
In seinem Presseauftritt kritisierte Lawrow auch die NATO, die aus seiner Sicht vom Dialog spricht, aber echte Gespräche verweigert. Er verwies dabei auf die letzten Äußerungen des NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg beim Interview mit einer italienischen Zeitung. Es sei Russland und nicht die NATO, das konkrete Schritte zur Entschärfung der Situation im Osten Europas einreicht – die Festlegung einer Sperrzone für grenznahe Militärübungen und die Ausstattung der Militärflugzeuge mit Transpondern. Die Rede des NATO-Generalsekretärs sei daher "eine leere Hülse".
Er kritisierte auch die Ukraine für die anhaltende Verweigerungshaltung bei der Donbass-Regulierung. Diese komme, wie schon zu Poroschenko-Zeiten, nicht voran. Um diese unverzichtbaren Sicherheitsmaßahmen umzusetzen, müssten die Kiewer Behörden in direkten Kontakt zu den örtlichen Verantwortlichen, die von der Donbass-Bevölkerung gewählt wurden, in Kontakt treten – das wollen sie aber nicht.
Die Geschichte wird "grob verzerrt"
Der Einzelauftritt Lawrows und die anschließende Pressekonferenz (s. Protokoll in deutscher Sprache) gehörten zu den meistbesuchten Programmpunkten am Samstag. Seinen Vortrag begann der russische Außenminister mit einem Verweis auf die aktuellen Versuche, die Geschichte des Zweiten Weltkrieges "grob zu verzerren". Es sei unzulässig, die Nazis, die den Krieg entfesselt hätten, mit den Befreiern, also der UdSSR und der Roten Armee gleichzustellen, so Lawrow.
Niemand und nichts kann die entscheidende Rolle der Roten Armee, aller Völker der Sowjetunion bei der Zerschlagung des Faschismus herabsetzen, betonte er.
Zwei der insgesamt drei anschließenden Fragen betrafen die aktuellen Spannungen mit der Türkei in der syrischen Provinz Idlib. Der Abgeordnete und Sicherheitssprecher der Linkspartei Alexander Neu wollte etwas zur russischen Bewertung der türkischen Syrienpolitik hören. "Wie will denn die russische Führung die Souveränität Syriens garantieren, während die türkischen Truppen in Idlib, Afrin und anderen Gebieten im Norden des Landes weilen?", fragte der deutsche Politiker.
Lawrow sagte, dass nicht Russland, sondern der UN-Sicherheitsrat der Garant der syrischen Souveränität sei. Er wies auch auf die anderen Konfliktherde in Syrien hin, denn neben Idlib gebe es "separatistische Bestrebungen in den Regionen östlich vom Euphrat". Dieses Problem sei mit den US-Amerikanern zu besprechen. Zur Türkei sagte Lawrow:
Unsere Beziehungen mit der Türkei sind sehr gut. Das bedeutet nicht, dass wir immer einverstanden sein müssen.
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