Multipolare Welt in Aktion: Berlin im Nahen Osten zunehmend auf Russland angewiesen
von Dennis Simon
Galten die USA zu Zeiten des Kalten Krieges als Anführer des westlichen Lagers, aus dessen Reihen ihre Verbündeten (manche würden sagen: Vasallen) nur in außergewöhnlichen Bedingungen ausschwenken konnten, weitete sich der US-amerikanische Anspruch auf Führerschaft (und Vorherrschaft) nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf den ganzen Globus aus.
Doch die einst von den westlichen Staaten (insbesondere den USA) aus Eigeninteresse vorangetriebene Globalisierung hat wirtschaftliche Prozesse ausgelöst, die zu einer allmählichen Stärkung subalterner Staaten führte. Markantestes Beispiel dafür ist das chinesische Wirtschaftswunder. Auch Russland konnte ab Anfang der 2000er-Jahre den wirtschaftlichen Zerfall, der unter Gorbatschow und Jelzin das Land schwer traf, aufhalten und umkehren. Mit Verzögerung wirkt sich dieses erhöhte wirtschaftliche Potenzial auf die politische Macht der nichtwestlichen Staaten aus. Die zwei wichtigsten subalternen Staaten, China und Russland, haben zudem das politische Kapital, das sie aus ihrer wirtschaftlichen Stellung ziehen können, vergrößert, indem sie stets als Vertreter des Völkerrechts, der friedlichen Lösung von Konflikten und der staatlichen Souveränität auftraten. Die anderen subalternen Staaten haben das zu schätzen gelernt, vor allem angesichts der langen Liste von blutigen Konflikten, die die westlichen Staaten entweder direkt über Aggressionskriege oder indirekt durch Subversion und Einmischung zu verantworten haben.
Jüngstes Beispiel für das Entstehen der multipolaren Welt sind die Bemühungen Berlins, gestalterischen Einfluss auf die Vorgänge im Nahen Osten zu nehmen. Das Projekt der Bundesregierung für einen sogenannten "Berlin-Prozess" zur Lösung des Libyen-Konflikts konnte sie nämlich nicht allein durchsetzen. Auch die US-Amerikaner fielen als Stütze aus. Stattdessen wandte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel an den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Wie die Nachrichtenagentur TASS am Dienstag berichtete, führten Merkel und Putin am Montag (auf Initiative der Bundesregierung, wie die Agentur vermerkte) Gespräche zur geplanten deutschen Libyen-Konferenz.
Bereits am Samstag hatten beide während ihres Gipfeltreffens in Moskau das Thema besprochen. In der anschließenden Pressekonferenz lobte Putin die deutsche Initiative. Russland ist bereits seit den ersten vorbereitenden Konsultationen im September an den Arbeiten beteiligt. Schon im Vorfeld des Gipfeltreffens haben sich deutsche Politiker ungewöhnlich positiv zu Russlands Rolle geäußert, wie das Nachrichtenportal german-foreign-policy.com, das die deutsche Außenpolitik kritisch begleitet, vermerkt. Sogar Vertreter der eher als transatlantisch geltenden FDP äußerten sich in diesem Sinne. So erklärte etwa Bijan Djir-Sarai, außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, gegenüber der ARD:
Wenn Sie an Syrien denken, dann war es früher üblich, wenn Sie solche Konflikte lösen wollten, dass man in Washington angerufen hat. Heute müssen Sie in Moskau anrufen. Ohne Russland wird es keine Lösung für die gesamte Region geben.
Sein Parteikollege Alexander Graf Lambsdorff nannte im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse die deutsch-russischen Beziehungen sogar einen "Schatz". Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid erklärte, es wäre "ein Erfolg", sollte es Berlin gelingen, Russland in den libyschen Friedensprozess einzubeziehen.
Auch Wolfgang Ischinger, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, der bisher nicht gerade als sogenannter Russlandversteher in Erscheinung getreten ist, lobte den russischen Einsatz im Nahen Osten. Moskau verstehe es bei seiner Nahostpolitik, politische Überzeugungsarbeit, kluge Diplomatie und militärische Unterstützung zu kombinieren. Den US-Präsidenten dagegen kritisierte der erfahrene geopolitische Analyst. Trump, der per Twitter den iranischen Demonstranten seine Zustimmung zugesichert hatte, könnte durch "zu viel Unterstützung" eine Eskalation des Konfliktes am Persischen Golf verursachen.
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