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Der Ausbau von Chinas Militär zur Interventionsmacht beunruhigt die USA

Neben dem aktuellen Handelskrieg der USA gegen China zeichnet sich zunehmend die Möglichkeit einer tatsächlichen militärischen Konfronation zwischen beiden Großmächten ab. China baut seine Streitkräfte aus und zur Interventionsmacht um – zum Missfallen der USA.
Der Ausbau von Chinas Militär zur Interventionsmacht beunruhigt die USAQuelle: www.globallookpress.com

von Luis Gonzalo Segura

Es war der Aufstieg Athens und die Angst, die dies Sparta einflößte, die den Krieg unvermeidlich machte. (Thukydides)

Die USA und China befinden sich im Krieg – kommerziell (und mit der Verhaftung von Meng Wanzhou). Und niemand kann leugnen, dass dies eine Phase vor einer großen Konfrontation sein könnte. Vor allem, wenn wir uns die bekannte "Thukydides-Falle" ansehen, in der sich eine aufstrebende und eine konsolidierte Macht gegenüber stehen. Eine Falle, die seit ihrer Beschreibung im Peloponnesischen Krieg (5. Jahrhundert v. Chr.) mit fast erstaunlicher Präzision bestätigt wurde.

China ist heute eine aufstrebende Weltmacht. Und diese Tatsache steht am Anfang der Entwicklung erster Scharmützel mit den Vereinigten Staaten. Auseinandersetzungen, die sich in der militärischen Welt und in geopolitischen Interessen widerspiegeln: China hat eine immer mächtigere Armee und immer klarere Ziele.

In den letzten Jahrzehnten stieg der Anteil Chinas an der Weltwirtschaft von zwei Prozent im Jahr 1980 auf 18 Prozent im Jahr 2016, wohingegen der Anteil der USA von 50 Prozent nach dem Zweiten Weltkrieg auf 22 Prozent im Jahr 1980 und 16 Prozent heute fiel. Dieser drastische wirtschaftliche Wandel wurde auch von der militärischen Modernisierung und Umstrukturierung Chinas begleitet. Und auch Russland hat seine Streitkräfte modernisiert und umstrukturiert. Beide eurasischen Mächte haben ihre Armeen mehr als deutlich aktualisiert, was sie der Stärke der US-amerikanischen Militärmacht näher gebracht hat – und sie herausfordert.

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Chinas wachsende Militärmacht

Diese Modernisierung der chinesischen Streitkräfte hat bei verschiedenen Analysten aufgrund der militärischen und wirtschaftlichen Macht Chinas Alarm ausgelöst. So erklärte beispielsweise Harry Harris, Chef des U.S. Pacific Command (PACOM), dass China bald in der Lage sein wird, die Vereinigten Staaten auf allen Schlachtfeldern herauszufordern. Das Time Magazine diskutiert, wie man Krieg vermeidet, und die BBC analysiert die militärischen Fortschritte, die zu Bedenken aufseiten der USA geführt haben. Heute gibt es kaum Zweifel daran, dass China bereits ein Rivale ist, mit dem man rechnen muss.

Über die Präsentationen militärischer Stärke hinaus gibt es einige objektive Daten. Erstens ist Chinas Militärhaushalt viel näher an dem der Vereinigten Staaten, als es den Anschein hat. Denn obwohl er nur ein Drittel des entsprechenden Haushalts der Vereinigten Staaten ausmacht (zwischen 140 und 200 Milliarden US-Dollar gegenüber 600 Milliarden), ist der Anteil der Lohnkosten dort erheblich niedriger. Zudem ist er in den letzten Jahren (von 2007 bis 2016) um fast 120 Prozent gestiegen, während er in den Vereinigten Staaten um fünf Prozent zurückgegangen ist.

Zweitens hat China seine militärische Stärke mit der Entwicklung von fortschrittlichem Kriegsmaterial bewiesen, das mit dem der Vereinigten Staaten konkurrieren könnte. Von einem Jäger der fünften Generation wie der J-20 mit neuen Luft-Luft-Raketen bis hin zum gewaltigen Lenkwaffenzerstörer Typ-55, der chinesischen Drohne CH-5 (und der CH-7) oder dem Kampfpanzer ZTZ-99. Als ob das noch nicht genug wäre, arbeitet China bereits am Bau eines dritten Flugzeugträgers (die Vereinigten Staaten haben zehn), verfügt über eine erstklassige U-Boot-Flotte und eine Flotte, die bis 2030 möglicherweise die der Vereinigten Staaten übertreffen könnte. Es hat den alten Panzer ZTZ-59 robotisiert und Übungen mit Luft- und Wasserdrohnen durchgeführt.

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Drittens macht sich China auf den Weg in den Rüstungsmarkt. Jeden Tag verkauft es mehr Waffen (China hat seinen Umsatz um 38 Prozent gegenüber dem Zeitraum von 2008 bis 2012 gesteigert) in mehr Länder (48 zwischen 2013 und 2017). Damit ist China der fünftgrößte Waffenexporteur der Welt, obwohl es nur einen Anteil von 5,9 Prozent am weltweiten Gesamtwert hat (die Vereinigten Staaten haben 34 Prozent und Russland 22 Prozent). Diese Verkäufe generieren Umsätze und erhöhen vor allem den Einfluss Chinas in der Welt (Pakistan, Bangladesch und Algerien waren die Hauptkunden). Die Grundlage für den Anstieg der chinesischen Waffenverkäufe liegt in der Fähigkeit, Waffen technologisch sehr nahe an den USA, aber zu erschwinglicheren Preisen zu verkaufen – oftmals zum halben Preis.

Viertens, und wie im Falle Russlands, hat China in den letzten zwei Jahrzehnten eine tiefgreifende Umstrukturierung seiner Streitkräfte vorgenommen und eine gigantische, aber veraltete Militärstruktur in eine moderne Armee verwandelt, die in Bezug auf Material, Ausrüstung, Verfahren, Taktiken und Techniken immer aktueller wird. Zu diesem Zweck hatte die Volksbefreiungsarmee 300.000 Militärangehörige entlassen und 13.000 Offiziere wegen Korruption bestraft. Dies ermöglichte der Volksrepublik, ihre Streitkräfte zu verkleinern und deren Strukturen zu erneuern. Auch die Bedeutung der Marine-, Luftwaffen- und Cybereinheiten hat gegenüber den Landstreitkräften zugenommen: Chinas Streitkräfte haben sich von einer Binnenarmee zu einer Interventionsarmee entwickelt.

Fünftens hat China die Eröffnung seiner ersten Militärbasis außerhalb seiner Grenzen (in Dschibuti) angekündigt und mit der Stärkung und Befestigung seiner Präsenz im Südchinesischen Meer begonnen. Die Marinebasis von Dschibuti, deren erklärtes militärisches Ziel die Bekämpfung der Piraterie ist, wird den chinesischen Streitkräften eine militärische Erfahrung bieten, die sie bisher lediglich im Rahmen von Dutzenden von Übungen und internationalen Missionen sammeln konnten (der letzte von China geführte Krieg fand 1979 in Vietnam statt). Darüber hinaus wird die Reichweitenkapazität erheblich zunehmen, zumal die Basis von Dschibuti nicht die einzige, sondern die erste Militärbasis einer militärischen Ausrichtung sein wird, die auf einen globalen Einfluss abzielt.

Die Befestigung des Südchinesischen Meeres ist ein Zeichen von beträchtlicher Stärke. Dabei handelt es sich um sieben künstlich befestigte Inseln, die im umkämpften Südchinesischen Meer gebaut wurden (kurz vor der Fertigstellung). Aber darüber hinaus hat China auch finanzielle Stärke bewiesen. Denn obwohl der internationale Gerichtshof in Den Haag den Philippinen Recht gegeben hat, ist es China mit Investitionen und Darlehen im Wert von mindestens sechs Milliarden US-Dollar als Kompensation gelungen, dass die Philippinen nicht international gegen die Befestigung der sieben Inseln protestieren.

All dies führt zu einer Verbesserung der chinesischen A2/AD-Fähigkeit (Anti-Access and Denial of Zone), die es einem Land zum ersten Mal seit Jahrzehnten ermöglicht hat, die freie militärische Bewegung der Vereinigten Staaten im Pazifik zu unterbinden oder zu behindern. Darüber hinaus wird mit zunehmendem Einfluss Chinas die weitgehend risikolose militärische Bewegungsfreiheit der US-Amerikaner sinken (voraussichtlich auch in Asien). Dies wird zu einem größeren militärischen Gleichgewicht auf globaler Ebene führen. Gleichwohl ist eine offene Konfrontation kaum zu erwarten. Vor allem, weil es die letzte sein könnte.

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Andererseits scheint es an Konflikten ohnehin nicht zu mangeln. In letzter Zeit haben wir eine Zunahme der Spannungen als Folge des Kaufs russischer Waffen durch China (Su-35-Kampfjets und S-400-Flugabwehrsysteme) beobachtet, wobei das durch den ukrainischen Konflikt verhängte US-Embargo umgangen wurde. Auf diese Aktion haben die USA mit dem Verkauf von Waffen an Taiwan im Wert von 330 Millionen US-Dollar reagiert, zusätzlich zu den 1,4 Milliarden an Militärausrüstung, die Donald Trump zuvor an dieses Land verkauft hat. Während Barack Obama sein Bestes tat, um die Spannungen mit China durch Zurückhaltung beim Waffenverkauf an Taiwan zu reduzieren, hat sich Trump für das genaue Gegenteil entschieden.

Auf jeden Fall sagte James Stavridis, ein ehemaliges Mitglied des militärischen Oberkommandos der USA und der NATO, er denke nicht an eine militärische Konfrontation mit China, weil "unsere Interessen viel wahrscheinlicher konvergieren (Nordkorea, Klimawandel) als divergieren und unsere Wirtschaften eng miteinander verflochten sind" (China ist der größte Handelspartner der USA). Laut diesem Ex-Militär und Analytiker werden sich China und die Vereinigten Staaten vermutlich nicht direkt gegenüberstehen, sondern "hart" konkurrieren. Diese Situation, so der Analyst, stellt China (und Russland) als eines der Hauptrisikoelemente für die Weltmacht der Vereinigten Staaten dar und rechtfertigt den Ausschluss der Chinesen von den US-geführten Militärübungen im Pazifik (RIMPAC) in diesem Jahr.

Die militärischen Interessen Chinas

Insgesamt scheint es so, als ob Chinas Ziele derzeit nicht auf offene bewaffnete Konflikte ausgerichtet sind, sondern auf militärische Expansion. Weshalb Chinas Hauptprioritäten die Folgenden sein werden:

  1. Konsolidierung der Macht im Pazifik, um den Schutz und die Reichweite zu verbessern.
  2. Verstärkung des Einflusses in Asien, um eine privilegierte Rolle im Nahen Osten und Südostasien einzunehmen.

Entgegen den Erwartungen hat Donald Trump einen enormen Beitrag zu beiden Zielen geleistet. Trumps Außenpolitik beruht auf manchmal sehr schwer verständlichen und gerechtfertigten Entscheidungen, wie die Aufgabe von Allianzen im Pazifikraum oder der kürzlich angekündigte Truppenabzug aus Afghanistan und Syrien.

Da China expandiert und Donald Trump auf eine sehr eigentümliche Weise agiert, bleibt mit Blick auf Thukydides abzuwarten, ob die dominante Macht zum ersten Mal in der Geschichte in der Lage ist, Konfrontationen durch die Annahme von Veränderungen zu vermeiden.

Luis Gonzalo Segura ist Ex-Leutnant des spanischen Heeres. Er hatte Korruption, Amtsmissbrauch und anachronistische Privilegien in den Reihen der Streitkräfte angezeigt, was zu seiner Entlassung aus dem Militärdienst führte. Er ist Autor des Essays "El libro negro del Ejército español" (2017) sowie der Erzählungen "Un paso al frente" (2014) und "Código rojo" (2015).

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