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Gefährliche Doppelmoral: Die USA und das Atomprogramm Saudi-Arabiens

Saudi-Arabien plant in den kommenden Jahren die Entwicklung eines eigenen Atomprogramms und erwartet Unterstützung aus Washington. Der CIA-Veteran und Wissenschaftler Paul Pillar warnt vor den Sicherheitsrisiken einer Politik, die mit zweierlei Maß misst.
Gefährliche Doppelmoral: Die USA und das Atomprogramm Saudi-ArabiensQuelle: Reuters © REUTERS/Jonathan Ernst

Die Vereinigten Staaten planen, Saudi-Arabien beim Bau von Atomreaktoren zu unterstützen. Dabei seien strenge Nichtverbreitungsstandards eine Herausforderung, so der US-Energieminister Rick Perry nach Gesprächen mit König Salman und seinem Sohn, Kronprinz Mohammed bin Salman. Die Planung zwischen Riad und dem US-Energieministerium sowie dem US-Außenministerium sieht zunächst zwei große Atomkraftreaktoren vor, insgesamt sollen es in den kommenden 20 bis 25 Jahren 16 werden, im Wert von mehr als 80 Milliarden Dollar.

Grundstein für Bau der Bombe womöglich bereits gelegt

Während über die Verhandlungen wenig nach außen dringt, sind unterschiedliche Kommentatoren besorgt, nicht zuletzt mit Blick auf die Politik von Kronprinz bin Salman sowie den Mord am saudischen Journalisten Kashoggi und die Lügen darüber.

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Paul R. Pillar zeigt die Sicherheitsrisiken auf, welche es durch die augenscheinlichen Unterschiede in der Herangehensweise der US-Administration mit Riads Bestrebungen im Vergleich zu anderen Staaten bei der Entwicklung ihrer Atomprogramme gibt. Pillar selbst hat mehrere Publikationen verfasst und gründet seine Einschätzungen auch auf Erfahrungen in leitenden Positionen innerhalb des US-Geheimdienstes CIA, darunter als Geheimdienstoffizier für den Nahen Osten.

Der Geheimdienst wiederum war laut einem Bericht in der New York Times vor der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi mit der Frage beschäftigt, ob der saudische Kronprinz bereits den Grundstein für den Bau einer Atombombe gelegt hat.

Der Haken bei den Verhandlungen sei, dass Saudi-Arabien auf die Herstellung seines eigenen Kernbrennstoffs bestehe, obwohl es ihn im Ausland günstiger kaufen könnte, so die amerikanischen und saudischen Beamten, die mit den Verhandlungen vertraut sind.

Der international mittlerweile nicht mehr einzig als Modernisierer gefeierte Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS) hat mehrfach angekündigt, Atomwaffen produzieren zu wollen und dabei auf die Entwicklung des Iran verwiesen, mit dem es zum Wohl der regionalen Stabilität gleichzuziehen gelte.

So drohte Prinz Mohammed, dass, wenn der Iran, Saudi-Arabiens schärfster Rivale, "eine Atombombe entwickelt, wir dem so schnell wie möglich folgen werden".

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Gegenüber umfassenden internationalen Inspektionen, um bisherige Arbeiten an Kernwaffen aufzudecken, waren die Saudis jedoch vergleichsweise zurückhaltend.

Die saudischen Unterhändler gaben den amerikanischen Gesprächspartnern offen zu verstehen, dass Saudi-Arabien sich weigern würde, ein Abkommen zu unterzeichnen, das es den Inspektoren der Vereinten Nationen ermöglichen würde, das gesamte Land – wie es im Iran der Fall ist – zu durchsuchen, um auszuschließen, dass Saudi-Arabien die Atomkraft zur Herstellung von Waffen nutzt, so amerikanische Beamte.

Der US-Energieminister Perry seinerseits wich der Frage im Kongress aus, ob die US-Regierung darauf bestehen würde, dass das Königreich die Produktion von Kernbrennstoff ausschließen müsse.

Die Autoren des Berichts in der New York Times stellen die Frage, ob einer saudischen Regierung, die „Kashoggi ermordet und ihre Geschichte über den Mord wiederholt geändert hat“, hinsichtlich der Atom-Technologie vertraut werden könne, da der Kraftstoff sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden kann.

Paul Pillar verweist auf das iranische Atomabkommen (JCPOA) als ein Modell, welches dazu dient, die heimliche Anreicherung von waffenfähigem Uran auszuschließen.

Zum einen durch strenge Beschränkungen der Anreicherung von Uran – welches bei 4 Prozent zur Befeuerung eines Kernkraftwerks dient und bei 90 Prozent für Atomwaffen –, durch die Entkernung von Reaktoren, welche möglicherweise zur Herstellung von Plutonium hätten verwendet werden können, und durch das Verbot der Wiederaufbereitung von Kernbrennstoff.

Zudem ging das Abkommen mit einem gründlichen Inspektionssystem einher, das sowohl die routinemäßige Überwachung kerntechnischer Anlagen als auch die anderer Standorte durch internationale Inspektoren, sofern diese Anlass dazu sehen, vorsah. Dabei konnte zudem der Iran von anderen Vertragsparteien überstimmt werden, sofern es Meinungsverschiedenheiten über die Relevanz einer beantragten Untersuchung geben würde.

Doch trotzdem der Iran dieses Abkommen eingehalten habe, habe die Trump-Administration das Abkommen verlassen und das Land mit weiteren Sanktionen belegt.

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Ausgerechnet jene Klauseln, welche Gegner des Atomabkommens mit dem Iran angeführt haben, um dieses zu torpedieren, wurden scheinbar von Energieminister Perry als Optionen für Saudi-Arabien diskutiert, nämlich eine Frist von zehn bis fünfzehn Jahren für Einschränkungen der Atomenergieentwicklung.

Riad will das, was Teheran hat – und noch viel mehr

Sofern Washington Riad also nur das zugestehen würde, was es wiederholt verlangte – das zu „erhalten“, was der Iran auch hat – würde es ebendiese Beschränkungen auferlegen, so Pillar. Das wären neben strengen Grenzwerten für die Menge und den Umfang der Urananreicherung auch ein völliges Verbot der Wiederaufarbeitung abgebrannter Reaktorbrennstoffe im Land. Und damit müsste Riad sein Vorhaben, mit Reaktoren seinen eigenen Kernbrennstoff herzustellen, aufgeben. Außerdem müsste Saudi-Arabien den gleichen, weitreichenden Inspektionsregelungen zustimmen.

Pillar betont, die von Riad verlangte Gleichberechtigung würde keinerlei Unterstützung der Vereinigten Staaten in Form von Reaktorverkäufen oder anderer Hilfen bei der Entwicklung eines Atomprogramms bedeuten, denn der Iran habe im Rahmen des Atomabkommens ebenfalls nichts Nukleares aus den Vereinigten Staaten erhalten.

Weiterhin fügt Pillar hinzu, dass die Golfmonarchie entsprechend dem, was dem Iran seitens der Trump-Administration zuteil wurde, ebenfalls mit Wirtschaftssanktionen belegt werden müsse – und zwar nicht nur solange diese nicht den Vertragsbedingungen zustimme, sondern darüber hinaus:

Oder, um völlig im Einklang mit der Politik der Trump-Administration gegenüber dem Iran zu stehen, Saudi-Arabien würde mit Wirtschaftssanktionen belegt, selbst wenn es diesen Bedingungen zustimmen und sie einhalten würde. Aber dies ist nur eine der offensichtlichsten Formen, in denen die Politik der Regierung gegenüber der Region inkonsistent und heuchlerisch war.“

Denn während dem Iran unter dem Schah überhaupt erst ein Vorsprung in der Entwicklung seines Atomprogramms gelang, hat Saudi-Arabien selbst Anlass zur Sorge um die Nichtverbreitung von Atomwaffen geboten, hat es doch Pakistans Atomwaffenprogramm finanziert und damit die erste "islamische Bombe" ermöglicht.

Weiterhin, so der CIA-Veteran, sollten sich die Gegner des sogenannten Iran-Deals darüber im Klaren sein, dass Saudi-Arabien im Hinblick auf Raketen einen Vorsprung erlangt habe, indem es bereits vor zwei Jahrzehnten heimlich Mittelstreckenraketen aus China gekauft hat, die, obwohl sie angeblich für den Transport konventioneller Waffen konfiguriert waren, von einem Typ waren, der ursprünglich für die Lieferung eines nuklearen Sprengkopfes konzipiert war. Seither haben die Saudis mit Hilfe aus China ihre Raketen modernisiert.

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Pillar nennt weitere Punkte, warum es schwierig sei, Riad als konstruktiven, vertrauenswürdigen Partner anzusehen. So habe Saudi-Arabien den Jemen in den Zustand einer humanitären Katastrophe bombardiert, den libanesischen Ministerpräsidenten entführt und versucht, ihn zum Rücktritt zu zwingen, und diplomatische Einrichtungen im Ausland genutzt, um friedliche Dissidenten zu ermorden. Gleichzeitig habe der junge Prinz sein Reich immer weiter hin zu einer Alleinherrschaft bewegt.

Trump beharrt darauf, dass Arbeitsplätze, Öl und die strategische Beziehung zwischen Riad und Washington weitaus wichtiger sind, als der Tod eines saudischen Dissidenten.

Doch Pillar verweist auf die Gefahr einer solchen Politik. Nicht nur, so zitiert er den Politiker Brad Sherman, sollte man einem "Land, dem man mit einer Knochensäge nicht trauen kann, nicht [...] mit Atomwaffen trauen". Weiterhin ergeben sich aus der unterschiedlichen Herangehensweise an Länder in der Region neue Dynamiken. Denn während der Iran-Deal attackiert und das Land mit schweren Sanktionen belegt werde, steige die Gefahr, dass einige Iraner sich ebenfalls gegen das Abkommen stellen – damit hätte Riad einen idealen Vorwand, sein Bestreben nach Atomwaffen voranzutreiben.

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