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"Abrüsten ist das Gebot der Stunde": Parteienvertreter präsentieren friedenspolitischen Appell

In Berlin präsentierten Vertreter der Linken, der SPD, der Grünen sowie sogenannter zivilgesellschaftlicher Organisationen einen internationalen friedenspolitischen Appell. Vor dem Hintergrund weltweit steigender Rüstungsausgaben sei dieser dringend notwendig.
"Abrüsten ist das Gebot der Stunde": Parteienvertreter präsentieren friedenspolitischen Appell   Quelle: www.globallookpress.com © Global Look Press

Anlässlich der jüngsten Veröffentlichung des SIPRI-Berichtes zu den weltweiten Rüstungsausgaben präsentierten am Mittwoch in Berlin Vertreter von Parteien und Nichtregierungsorganisationen ihren friedenspolitischen Aufruf "Disarm!" auf einer Pressekonferenz. Der internationale Appell wurde von zahlreichen Wissenschaftlern, darunter mehreren Nobelpreisträgern, sowie Parlamentariern und Gewerkschaftern unterzeichnet. Initiiert hatte den Appell der langjährige Friedensaktivist Rainer Braun, Co-Präsident des Internationalen Friedensbüros (IPB).

Braun richtete auch die Pressekonferenz aus, auf der jeweils ein Vertreter der Linken, der Grünen, der SPD sowie des Vereins Church and Peace anwesend war. Laut dem schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI erreichten die weltweiten Rüstungsausgaben im Jahr 2017 mit 1,43 Billionen Euro den höchsten Stand seit Ende des Kalten Krieges.

Die SIPRI-Zahlen zeigen: Der weltweite Rüstungswahnsinn nimmt weiter und verstärkt Fahrt auf", leitete Braun die Pressekonferenz ein.

Die Realität zeige,

dass wir in einer Übergangsphase sind, in der die USA sich hin zu einer Billion Rüstungsausgaben entwickeln und besonders die Schwellenländer wie China und Indien mit Wachstumsraten zwischen 5 und 7 Prozent für einen gigantischen Rüstungswettlauf im fernen Asien stehen.

"Falsch investiert": Wo Rüstungsgelder besser angelegt wären

Die Teilnehmer des Podiums setzten die für Rüstung aufgewendeten Mittel ins Verhältnis zu anderen Ausgaben. So verwies Braun auf den sogenannten Klimafonds 2020 der Vereinten Nationen, in den erst 37 von eigentlich veranschlagten 100 Milliarden US-Dollar eingezahlt worden seien. Der Friedensaktivist sprach auch die "UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung" an, für deren Umsetzung laut UN-Generalsekretär 300 Milliarden US-Dollar nötig seien. "Da wäre das Rüstungsgeld gut angelegt", so Braun.

Für Rüstung würden 50.000 Mal so viele Mittel aufgewendet wie für die Konfliktprävention, gab Michael Bloss zu Bedenken, der Sprecher der BAG Frieden von Bündnis 90/Die Grünen.

Die Bundestagsabgeordnete Katrin Vogler von der Linken ging auf die Pläne der Bundesregierung ein, die Zielvorgabe der NATO umzusetzen und zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für militärische Zwecke aufzuwenden, was ungefähr 70 Milliarden Euro entspräche. Damit würde sich der deutsche Verteidigungsetat nahezu verdoppeln und auf ein Fünftel des Gesamthaushaltes ansteigen.

Etwa 50 Milliarden Euro wären für Infrastrukturprojekte erforderlich

Alleine die 12 Milliarden Euro, die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zusätzlich bis 2021 einfordert, machten drei Viertel der Gelder aus, die die Bundesregierung in Gesundheit investiere. "Wenn die NATO ruft, dann steht Frau von der Leyen Gewehr bei Fuß", sagte Vogler.

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Auch könne der Mangel an Wohnraum mit jährlichen Investitionen von 20 Milliarden Euro behoben werden. Die Bundestagsabgeordnete verwies außerdem auf eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes, laut der der Investitionsstau in der Infrastruktur jährlich mit 50 Milliarden Euro überwunden werden könnte. Die Podiumssprecher waren sich einig, dass eine erhebliche Schieflage zwischen den Ausgaben für militärische und zivile Zwecke bestehe.

SPD-Abgeordneter kritisiert "Salami-Taktik der Bundesregierung"

MdB Marco Bülow von der SPD kritisierte wiederum, dass militärische Einsätze vom Parlament immer wieder verlängert werden, "ohne dass es darüber größere Debatten" gebe. Zudem werde eine Erhöhung des Rüstungsetats nicht infrage gestellt, so der SPD-Politiker, der zu Beginn seiner Einlassungen klarstellte, dass er "leider nicht die Mehrheitsmeinung" seiner Fraktion vertrete.

Bülow kritisierte, dass von der Politik und den Medien das Bild einer maroden Bundeswehr gezeichnet werde, ohne die Frage zu stellen, "warum sie marode ist und welches Fehlmanagement dem zugrunde liegt". Er verwies auf einen jüngst erschienenen Bericht des Bundesrechnungshofes, der von einer Verschwendung der Gelder bei der Bundeswehr spricht.

Der SPD-Politiker bemängelt zudem, dass im Koalitionsvertrag der Bundesregierung die Umsetzung der Zwei-Prozent-Vorgabe der NATO als Fernziel festgeschrieben steht, obwohl seine Partei im Wahlkampf dieses Ziel "einhellig abgelehnt" habe. Bülow kritisiert auch die Zusage seiner Partei und des Finanzministers Olaf Scholz, bis zum Jahr 2021 sechs zusätzliche Milliarden Euro für die Verteidigung auszugeben, nachdem von der Leyen sogar den doppelten Betrag gefordert hatte:

Aber auch diese sechs Milliarden drauf bis 2021 sind ein Riesenbatzen, und eigentlich sprengen sie auch das, was im Koalitionsvertrag festgelegt worden ist.

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Denn dieser sehe vor, dass Erhöhungen im Verteidigungshaushalt 1:1 an Erhöhungen im Bereich der Entwicklungshilfe gekoppelt werden. In der Entwicklungshilfe sei aber eher ein Rückgang auszumachen, "von daher passen da auch die sechs Milliarden nicht". Bülow spricht von einer "typischen Salami-Taktik":

Die Union fordert ganz viel. Die SPD geht dann auf einen bestimmten Betrag ein – und eigentlich ist der schon viel zu hoch, aber alle denken 'ist ja ein super Kompromiss'. Am Ende steht dann eine große Erhöhung bei der Verteidigung.

Die von seinem Parteigenossen und Bundesaußenminister Heiko Maas getätigte Zusage zum Zwei-Prozent-Ziel bezeichnete Bülow als "absolut falsch". Er sehe in seiner Partei insgesamt keine Mehrheit für diese Haltung, auch nicht in seiner Fraktion. Alle Beschlusslagen in der SPD stünden dem entgegen. Seine Partei werde diesem Ansinnen "eine schallende Ohrfeige" erteilen, prognostizierte Bülow.

Mehr Rüstung bedeutet nicht mehr Sicherheit

Grundsätzlich würden mehr Gelder für Rüstung nicht zu mehr Sicherheit beitragen, sondern im Gegenteil diese sogar gefährden, weil sie den Rüstungswettlauf beschleunigten, gibt Bülow zu bedenken.

Der Gedanke, dass mehr Waffen mehr Sicherheit mit sich bringen, sei grundfalsch, meint auch Grünen-Politiker Bloss. Die Aufrüstungsspiralen im Nahen Osten und Asien müssten überwunden werden. Dafür sei es nötig, Institutionen zu schaffen, die einen Dialog ermöglichen, so Bloss, der in diesem Zusammenhang auf das Atomabkommen mit dem Iran als ein "positives Beispiel" verwies.

Er kritisierte die deutschen Waffenlieferungen in den Nahen Osten und andere Krisenregionen und forderte die Bundesregierung auf, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen.

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Als Vertreterin der sogenannten Zivilgesellschaft widmete sich Antje Heider-Rottwilm von Church and Peace e.V., einem europäischen Zusammenschluss christlicher Friedensorganisationen, insbesondere der Militarisierung auf EU-Ebene, beispielsweise in Form der "Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit" (PESCO) oder der Einrichtung eines Rüstungsfonds. Bei Letzterem gehe es in erster Linie nicht um eine Reduktion der Kosten, sondern um die "Umwidmung von Haushaltsmitteln der EU in Rüstungsforschung- und Entwicklung, also ein Geschenk an die Rüstungsindustrie". Die EU habe ihr Selbstverständnis als Friedensakteur aufgegeben, so Heider-Rottwilm.

Entgegen dem Trend: Russland senkt Militärausgaben deutlich

Einigermaßen überrascht zeigten sich die Podiumsteilnehmer von dem starken Rückgang der russischen Rüstungsausgaben, obwohl die Pläne dazu schon seit über einem Jahr öffentlich bekannt sind. Laut SIPRI sanken diese im vergangenen Jahr um 20 Prozent, was in absoluten Zahlen einem Minus von 13,9 Milliarden US-Dollar entspricht. Kein anderes Land der Welt hat seine Rüstungsausgaben um einen so hohen Betrag gesenkt.

Michael Bloss betrachtete diese Zahlen mit Skepsis. Es sei ihm nicht genau klar, "woher die eigentlich kommen", und es sei "bestimmt nicht so, dass Putin jetzt seine Politik wechselt. Da sehen wir immer noch viele Aggressionen". Doch gebe das Anlass, "wieder ins Gespräch" mit Russland zu kommen, zudem würden dadurch die Argumente für eine Aufrüstung Deutschlands und Osteuropas "vielleicht ein wenig entkräftet", so der Grünen-Politiker.

Rainer Braun nannte diesen Rückgang angesichts der steigenden Militäretats der NATO-Staaten "umso überraschender". Das Minus von 20 Prozent in Russland sei "sicher auch auf die ökonomische Schwäche dieses Landes zurückzuführen", so der Friedensaktivist, der weiterhin ausführte:

Es ist doch aber auch nachdenkenswert, dass Russland weder mit einer stärkeren Verschuldung des Haushaltes noch mit einer stärkeren Steigerung der Steuern für die Bevölkerung auf diese ökonomische Krise antwortet, sondern abrüstet und nicht glaubt, im äquivalenten System nachziehen zu müssen. Wir möchten diese Zahlen nutzen, um an die Bundesregierung zu appellieren, dies als ein Zeichen zu nehmen, das mit Entspannungspolitik beantwortet werden sollte.

Auch die anderen Podiumssprecher begrüßten den Schritt Moskaus und drückten ihre Hoffnung aus, dass dieser vom Westen aufgegriffen wird und zu einer Entspannung zwischen beiden Seiten beitragen kann. "Abrüsten ist das Gebot der Stunde", erklärte Vogler.

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