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Damaskus: Syrische Christen feiern erstmals seit vielen Jahren Osterfest ohne Terrorgefahr

In der "Wiege des Christentums" wurde in diesem Jahr Ostern erstmals seit langer Zeit wieder ohne Angst gefeiert. Noch vor wenigen Wochen war die Terrorgefahr für Kirchen und Gläubige in Damaskus noch allgegenwärtig. Jetzt ist die Zuversicht wieder zurück.
Damaskus: Syrische Christen feiern erstmals seit vielen Jahren Osterfest ohne TerrorgefahrQuelle: RT © Karin Leukefeld

von Karin Leukefeld, Damaskus

Zum ersten Mal seit Jahren haben Christen in Damaskus das Osterfest ohne Angst gefeiert. Der Abzug von mehr als 41.000 Kämpfern und deren Angehörigen aus den östlichen Vororten hat die Damaszener aufatmen lassen. Im Gedenken an den Leidensweg Jesu und die vielen Toten der vergangenen Jahre wurde die Nacht zu Karfreitag nachdenklich begangen. Am Ostersonntag strömten die Menschen zu Tausenden in die Kirchen der Altstadt.

Syrien gilt als die "Wiege des Christentums". Hier findet man die ältesten Kirchen und Klöster des Nahen Ostens. In Damaskus wurde der Überlieferung zufolge Saul, der im Auftrag des Römischen Reiches Christen verfolgte, von seiner Blindheit geheilt und bekehrte sich zum christlichen Glauben. Als Paulus wurde er später zu einem der wichtigsten Kirchenväter und Missionare. Seine Geschichte wird in der Hanania-Kirche erzählt, die unterirdisch nahe an der Stadtmauer liegt. Hier hat sich Paulus vor seinen eigenen Verfolgern versteckt und konnte später aus Damaskus fliehen.

Alte Traditionen leben wieder auf

Mehr als zwei Millionen Christen lebten 2011 in Syrien, während der Kriegsjahre hat rund die Hälfte von ihnen das Land verlassen. Diesen Eindruck hatte man allerdings nicht, wenn man an diesem Osterfest in der Nacht zu Karfreitag die Kirchen der Damaszener Altstadt besuchte. Alle sechzehn Kirchen, die verschiedenen religiösen Richtungen folgen, waren geöffnet. Die Gemeinden zelebrierten Messen, die Gläubigen sangen und beteten. In Erinnerung an die Fußwaschung der Jünger durch Jesus beim letzten Abendmahl vor seinem Tod am Kreuz wurden in der Maronitischen Kirche Alten und psychisch Kranken die Füße gewaschen. In der Altsyrisch-Katholischen Kirche kniete der Patriarch vor Schulkindern nieder, um dieses altehrwürdige Ritual zu zelebrieren. In der Zeitoun-Kirche trug Patriarch Joseph Absi symbolisch das Kreuz durch die Gänge. Es waren so viele Menschen gekommen, dass die Zeremonie auch auf eine große Leinwand im Hof der Kirche übertragen wurde.

Es ist eine alte Tradition, dass die Damaszener Christen - ungeachtet ihrer jeweiligen eigenen Kirchenzugehörigkeit - am Vorabend des Karfreitags mindestens sieben Kirchen zwischen dem Tomas- und dem West-Tor (Bab Touma und Bab Scharki) in der Altstadt besuchen. Bis vor zwei Wochen schlugen hier noch täglich Granaten und Raketen ein. Schulen, Krankenhäuser und Kirchen wurden getroffen, viele Menschen starben. Seit ein Abkommen über den Abzug der Kämpfer aus den östlichen Vororten in und um Ghuta in Kraft trat, schweigen die Waffen.

Katholische und orthodoxe Christen einigen sich auf einheitlichen Ostertermin

Familien, Nachbarn und Freunde spazierten in kleinen Gruppen durch die schmalen Gassen, die mit Kerzen erleuchtet waren. Manche Kirchen liegen so nah beieinander, dass man durch Türen von einem Kirchhof in den nächsten gelangt. Auffällig viele in Schwarz gekleidete Frauen und junge Leute waren unter den Gläubigen, die in den Kirchen beteten, Kerzen entzündeten oder einfach nur ruhig dasaßen und Chorälen lauschten. In diesem Jahr diente die Nacht zu Karfreitag der Erinnerung an diejenigen, die ihr Leben oder ihre Gesundheit im Krieg verloren haben. Die Gläubigen suchten die Nähe zu Jesus in seinen letzten Stunden, die Nähe zu Gott.

In Damaskus wird das Osterfest von katholischen und orthodoxen Christen an zwei aufeinander folgenden Wochenenden gefeiert, im "Tal der Christen" (Wadi an Nazara) und in Homs ist man da weiter. Vor fünf Jahren (2013) einigten sich die Christen aller Kongregationen auf einen gemeinsamen Termin zum orthodoxen Osterfest. Nicht alle seiner Gemeindemitglieder seien damit einverstanden, sagte Père Michel von der Altsyrisch-Katholischen Kathedrale der Autorin an Karfreitag in Homs. Angesichts der vielen Probleme im Land sei es aber eine gute Entscheidung der Christen, zusammenzurücken:

Wie wird unsere Zukunft aussehen? Sehen Sie, was in Afrin, im östlichen Ghuta geschieht. Ist das unsere Zukunft, vertrieben zu sein? So viele Menschen haben ihr Zuhause verloren, wer wird ihnen helfen?

Das Leid derjenigen, die seit Anfang März zu Tausenden ihre Heimat im östlichen Ghuta verlassen haben, trat angesichts der österlichen Freude der Christen von Damaskus in den Hintergrund. Festlich gekleidet genossen sie am Ostersonntag die friedliche Stimmung und verweilten nach dem Gottesdienst noch in den Kirchen, um den Kapellen der Jugend zu lauschen oder mit Freunden und Verwandten zu plaudern, bevor sie langsam wieder nach Hause gingen.

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