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Israel verschiebt weiter Grenzen - Die der Pressefreiheit

Der israelisch-palästinensische Konflikt ist längst zum Dauerzustand geworden. Ins Fadenkreuz israelischer Sicherheitskräfte gelangen dabei auch immer häufiger Journalisten und Reporter. Die Übergriffe der israelischen Armee gegen Medienvertreter sind konstant, schaffen es aber nur selten in die westliche Presse.
Israel verschiebt weiter Grenzen - Die der PressefreiheitQuelle: Reuters © Mussa Qawasma

Ein Gastbeitrag von Florian Osrainik


Grenzen sind flexibel, auch im Westjordanland. Dort in der Regel aber nur in eine Richtung. Das bringt die Palästinenser seit Jahrzehnten auf die Straße und den Nahost-Konflikt regelmäßig in die Öffentlichkeit. Junge Palästinenser – die Arbeitslosenquote bei 20 bis 24-Jährigen liegt bei knapp 42 Prozent – werden dabei schnell gewalttätig, sie greifen zu Steinen, zünden Reifen an oder gehen irgendwie auf israelische Beamte los. Da kann es in der Hitze des Gefechts schon Mal vorkommen, dass der eine oder andere Grenzschützer, den Staat im Rücken, die Nerven verliert und einfach auf alle, auch auf Journalisten, losgeht – oder?

Angriffe auf die Presse

Nein, das Vorgehen der israelischen Armee gegen internationale und besonders palästinensische Medienvertreter ist konstant, schafft es aber nur selten in die westliche Presse. „Übergriffe der Armee gegen palästinensische und ausländische Journalisten in den Palästinensergebieten sind häufig und bleiben fast immer straflos“, stellt Reporter ohne Grenzen fest. Die Organisation steht sonst der US-Außenpolitik nahe und kann Milliardäre wie George Sorros und Serge Dassault, den Medienkonzern Vivendi oder die Werbeagentur Saatchi & Saatchi (CEO, Kevin Roberts: „der Krieg gegen den Terror sollte als Krieg für eine bessere Welt dargestellt werden“) zu ihren Unterstützern zählen. 

Und auch in der Berichterstattung über die letzten Zusammenstöße im Westjordanland wurden Journalisten wieder zur Zielscheibe. Israelische Grenzschützer jagen, schlagen oder attackieren Journalisten. Berichterstatter müssen vor Ort mit allem rechnen: Tränengas, Schockgranaten, Haft oder dem Tod. Es hilft auch nichts, wenn dick  „Presse“ auf der Kleidung geschrieben steht.

Aktuelle Beispiele:

Am 06. Oktober 2015 wurde eine freie Journalistin und Rechercheurin von Human Rights Watch bei einer Demonstration im besetzten Westjordanland angeschossen – trotz Jacke mit dem Hinweis „Presse“  Am 27. Oktober 2015 wurde eine Mitarbeiterin der israelischen Menschenrechtsorganisation B`Tselem mit einer gummibeschichteten Metallkugel beschossen und verletzt, als sie über eine Demonstration jugendlicher Palästinenser in Hebron berichtete. Am 03. und 04. November 2015 berichten die iranische Nachrichtenagentur Press TV und die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua, dass die israelische Armee den arabischsprachigen Radiosender „Free Palestine Radio“ in Hebron überfallen und die Technik beschlagnahmt hat und RT Deutsch zeigt in einem Video, wie ein Journalist mit Pfefferspray angegriffen, geschlagen und abgeführt wird.

Die dummen Journalisten

Im Juni 2015 veröffentlichte das israelische Außenministerium ein selbst produziertes Propaganda-Video, um die Berichterstattung des letzten Gaza-Kriegs ins Visier zu nehmen. In einem 49 Sekunden langen Zeichentrickfilm wird ein Reporter in Gaza gezeigt, der die Realität nicht erkennt und von einem ruhigen Leben der Menschen vor Ort berichtet, während Hamas-Kämpfer im Hintergrund Raketen auf Israel abfeuern und in Tunneln Angriffe vorbereiten.

Die Mitteilung: ausländische Journalisten wissen nicht, wovon sie berichten. Die israelische Regierung macht mit dem Video ihre Meinung über ausländische Journalisten unmissverständlich klar. Laut einem Sprecher des israelischen Außenministeriums ziele man darauf ab, „offenzulegen mit welcher Ironie Gaza dargestellt wird”. Der Trickfilm sei aber nicht als Beleidigung ausländischer Journalisten zu verstehen, was die „Foreign Press Association“ anders sah und das Video der israelischen Regierung verurteilte.

Die Grenzen der Palästinenser-Wirtschaft

Die Eingrenzung der Bewegungs- und wirtschaftlichen Freiheit der Palästinenser wird als Hintergrund für palästinensische Attacken oft ignoriert. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH sagt über die Lage in den besetzten Gebieten:

„In den Jahren der vollständigen israelischen Besatzung ist die palästinensische Wirtschaft ein reiner Zulieferbetrieb für Israel, eine eigenständige Wirtschaftsentwicklung gibt es nicht. Auch nach der Schaffung der Palästinensischen Autonomiebehörde blieb die wirtschaftliche Entwicklung von Israel abhängig. Bis heute sind alle Exporte und Importe von der Zustimmung und Genehmigung der israelischen Behörden abhängig.“

Und Israel trägt zur Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation weiter bei: palästinensische Steuern und Zölle von rund 125 Millionen Dollar pro Monat – ungefähr zwei Drittel der inländischen Einnahmen der Palästinensischen Behörde –, werden von Israel eingesammelt und einbehalten. Eine Reaktion Israels auf das palästinensische Beitrittsgesuch zum Internationalen Strafgerichtshof. Einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Palästina stehen „die existierenden Einschränkungen des Personen- und Güterverkehrs, die Abriegelung der Gebiete nach außen, die Behinderung von Ex- und Import, Zerstörung der palästinensischen Infrastruktur sowie Inbesitznahme von palästinensischem Land für den (Aus-)Bau israelischer Siedlungen“ entgegen. Das schreibt die GIZ, eine staatliche Organisation zur Entwicklungszusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland.

Ein Journalist und die Schuldfrage

Der israelische Journalist Gideon Levy kommentierte die neue Welle der Gewalt am 09. Oktober 2015 in der Tageszeitung Haaretz:

„Israel hat kein begründetes Argument mehr in seinem Arsenal, das ein anständiger Mensch akzeptieren könnte. Selbst Mahatma Gandhi würde verstehen, warum Palästinenser zur Gewalt greifen. Selbst jene, die vor Gewalt zurückschrecken, die sie für unmoralisch und zwecklos halten, werden verstehen müssen, warum sie hin und wieder ausbricht. Die Frage ist doch, warum bricht sie nicht viel öfter aus? (...) Nicht, dass die Palästinenser ohne Schuld wären, aber Israel trägt die Hauptschuld.“

Weiter schreibt Levy, dass Israel, ohne sich seiner Schuld zu entledigen, keinen Grund hat, von den Palästinensern irgendetwas zu fordern. Alles andere sei „verlogene Propaganda“. Levy über das Vorgehen Israels:

„Es dachte, Soldaten könnten fast jede Woche einen kleinen Jungen oder Teenager umbringen – und die Palästinenser würden stillhalten. Es dachte, militärische und politische Führer könnten diese Verbrechen stützen und niemand würde strafrechtlich verfolgt werden. Es dachte, Häuser könnten abgerissen und Hirten vertrieben werden – und die Palästinenser würden es demütig hinnehmen. Es dachte, der Siedlermob könnte Schäden anrichten, Brände legen und so tun, als gehöre ihm das Eigentum der Palästinenser – und die Palästinenser würden es gebeugten Hauptes ertragen. Israel dachte, seine Soldaten könnten jede Nacht palästinensische Häuser stürmen und die Bewohner terrorisieren, demütigen und verhaften. Es dachte, Hunderte könnten ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden; der Sicherheitsdienst Shin Bet könnte Verdächtigte mit Methoden foltern, die direkt aus der Hölle kommen; Israel dachte, es könnte Hungerstreikende und befreite Gefangene grundlos wieder verhaften, alle zwei oder drei Jahre Gaza zerstören – und Gaza würde sich ergeben und die Westbank ruhig bleiben (...) Das ist der Hintergrund – wenn junge Leute Siedler töten, Brandbomben auf Soldaten werfen und Steine auf Israelis. Man braucht schon ein hohes Maß an Abgestumpftheit, Ignoranz, Nationalismus und Arroganz – oder alles gleichzeitig –, um dies zu ignorieren.“

Im Westjordanland verschieben sich die Grenzen, auch die der Pressefreiheit, weiter einseitig. Es gilt einzig das Faustrecht – für Grenzbeamte, Palästinenser und Journalisten.

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