
Ein Teil der Welt weigert sich, die USA auf seine Kosten zu ernähren

Von Olga Samofalowa
Im Vergleich zum Mai reduzierte Indien im Juni seine Investitionen in US-Staatsanleihen von 235 auf 227 Milliarden US-Dollar. Mit dem Abbau seiner Investitionen in US-Staatsanleihen begann Neu-Delhi jedoch schon lange vor der Verhängung von Handelszöllen. Innerhalb eines Jahres sank dieser Wert um etwa 15 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig erhöhte die Reserve Bank of India ihre Goldreserven, deren Bestand im Juli 880 Tonnen (gegenüber 841,5 Tonnen im Vorjahr) erreichte.
Zusätzlich repatriiert die Reserve Bank of India schrittweise immer mehr Gold – derzeit befinden sich 512 Tonnen des Edelmetalls im Land, verglichen mit 292 Tonnen im September 2020. Wie der indische Finanzminister zuvor erklärte, sei die Entscheidung zur Diversifizierung der Reserven vor dem Hintergrund eines auf 694 Milliarden US-Dollar angewachsenen Währungspuffers "sehr wohlüberlegt" gewesen.

Nach 2014 wurde der weltweite Trend zur Reduzierung der Investitionen in US-Staatsanleihen von Russland initiiert. Wir lösten uns relativ schnell von diesen US-Wertpapieren. Anschließend griff China diesen Trend auf und begann, seine Abhängigkeit vom US-Dollar systematisch zu verringern und den Goldanteil in seinen Reserven zu erhöhen. Anfang der 2010er-Jahre erreichte China den höchsten Stand seiner Investitionen in US-Staatsanleihen, der 2013 bei 1,28 Billionen US-Dollar lag. Doch bereits 2018/2019 übernahm Japan Chinas Spitzenposition, während China seine Investitionen auf etwas mehr als 1 Billion US-Dollar reduzierte.
In den letzten Jahren wurde der Rückgang noch intensiver: Zwischen 2021 und 2024 zog China mehr als 250 Milliarden US-Dollar aus den "Treasuries" ab. Ende 2024 sank das Volumen seiner Investitionen auf den niedrigsten Stand seit 2009 – auf 759 Milliarden US-Dollar. Nun ist China nur noch der drittgrößte Gläubiger der USA. An erster Stelle steht Japan mit etwa 1,1 Billionen US-Dollar, während Großbritannien mit etwa 850 Milliarden US-Dollar den zweiten Platz einnimmt. Unter den anderen Ländern erhöhen in diesem Jahr auch Kanada, Frankreich und Singapur ihre Anteile, wohingegen Deutschland und die Schweiz ihre Investitionen reduzieren.
Ekaterina Nowikowa, Dozentin am Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie an der Russischen Plechanow-Wirtschaftsuniversität, kommentiert:
"Im Grunde bestehen die USA darauf, dass Japan und die europäischen Länder US-Anleihen erwerben. Die USA können sich so verhalten, da die japanische und die europäischen Volkswirtschaften vom US-Markt und den US-Finanzinstituten abhängig sind. All diese Wirtschaften funktionieren als Einheit und sind im Prinzip Geiseln ihrer gegenseitigen hohen Schulden."
Indien schloss sich Russland und China an und weigerte sich ebenfalls, die USA zu sponsern. Allerdings geschah dies lange vor dem von Donald Trump ausgelösten Handelskrieg, nämlich unmittelbar nach 2022.
Wladimir Jewstifejew, Leiter der Analyseabteilung der Bank Zenit, erklärt:
"Indien reduziert seine Investitionen in US-Staatsanleihen bereits ab 2022. Das Einfrieren der Gold- und Devisenreserven Russlands hat viele Länder dazu veranlasst, den Anteil von US-Treasuries in ihren internationalen Reserven zu verringern. Darüber hinaus zeichnet sich ein Trend zur Goldrückführung ins eigene Land ab, um sich von den Tresoren ausländischer Zentralbanken unabhängig zu machen."
Er fügt hinzu:
"Länder wie Japan und Großbritannien erwerben immer noch traditionsgemäß US-Staatsanleihen im Rahmen von Investitionserklärungen zu Reserven, in denen die entsprechende Investitionsstruktur festgelegt ist".
Ekaterina Nowikowa erläutert:
"Nach 2014 wurde vielen Ländern klar, dass für das weitere Wachstum der westlichen Wirtschaften, vor allem der USA, immer neue Märkte erforderlich sind, wodurch andere Akteure verdrängt werden müssen. Damit waren die Volkswirtschaften des BRICS-Handelsblocks absolut nicht einverstanden. Aus diesem Grund haben sich diese Länder langsam, aber dennoch entschlossen von den westlichen Systemen distanziert und begonnen, Alternativen zu schaffen".
Dies alles stellt für die USA eine sehr unerfreuliche Situation dar, da die Wirtschaft des Landes auf Schulden basiert und es sich durch die Ausgabe von Staatsanleihen Geld von all diesen Ländern borgt. Dies ermöglicht die Finanzierung des US-Haushalts, dessen Ausgaben die Steuer- und sonstigen Einnahmen deutlich übersteigen. Die Staatsverschuldung der USA übersteigt im Jahr 2025 36 Billionen US-Dollar, also 26 bis 27 Billionen US-Dollar mehr als das BIP des Landes. Mit anderen Worten: Die USA haben 10 bis 11 Billionen US-Dollar mehr Ausgaben, als sie sich leisten können, und ihre komfortable Lebensweise auf Kredit wird von Japan, Großbritannien und anderen Ländern finanziert.
Als Peter Navarro, leitender Berater von US-Präsident Donald Trump für Handel und Produktion, die BRICS-Staaten als "Vampire" bezeichnete, die mit ihren unlauteren Handelspraktiken den USA das Blut aussaugen, übersah er offensichtlich den Balken in seinem eigenen Auge. Die USA selbst sind wie ein Vampir, der auf Kosten anderer existiert.
Jaroslaw Kabakow, Leiter der Strategieabteilung bei der Investmentfirma "Finam", erläutert:
"Für Washington ist der Zufluss ausländischer Investitionen in Treasuries von entscheidender Bedeutung, da dadurch chronische Haushaltsdefizite ohne einen starken Anstieg der Kreditkosten finanziert werden können, während ein Rückgang der Nachfrage zu einem Anstieg der Renditen und einer Verteuerung der Schuldendienstkosten führt".
In der Theorie könnte das Abstoßen eines Großteils der von China gehaltenen US‑Staatsanleihen ein wichtiges Argument in den Handelsverhandlungen mit Donald Trump sein. Experten bezweifeln jedoch, dass Peking davon Gebrauch machen würde. Dieser Prozess verläuft langsam, nicht weil die asiatischen Länder ihre Abhängigkeit vom US-Dollar nicht loswerden wollen, sondern weil dies nicht so einfach ist.
Ekaterina Nowikowa sagt dazu:
"Ein schneller und massiver Verkauf von US-Staatsanleihen durch China würde zu einem Absturz aller Märkte führen, auch des chinesischen."
Nach Ansicht von Wladimir Jewstifejew würde auch China selbst darunter leiden, da es US-Staatsanleihen mit hohen Verlusten verkaufen würde, während die USA in diesem Fall Dollar für diese Zwecke emittieren könnten, um übermäßige Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Finanzmarkt zu vermeiden,
"Der schrittweise Verkauf von US-Anleihen gibt den USA die nötige Zeit, diese zurückzukaufen, und China die Möglichkeit, sich auf den Übergang zu einem neuen System vorzubereiten, das weniger vom US-Dollar abhängig sein wird", sagt Ekaterina Nowikowa.
Jaroslaw Kabakow ist überzeugt, dass auch Indien seine Reserven kaum als Waffe im Handelsstreit mit den USA wegen der eingeführten Zölle einsetzen würde: Das Volumen seiner Investitionen in US-Staatsanleihen sei deutlich geringer als das der Spitzenreiter, und ein plötzlicher Verkauf würde den eigenen finanziellen Interessen des Landes schaden. Er kommt zu dem Schluss, dass die Maßnahmen Neu-Delhis in dieser Situation nicht als Versuch, Druck auszuüben, sondern als durchdachte Strategie zur Risikominderung und Stärkung der finanziellen Unabhängigkeit zu verstehen sein sollten.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 10. September 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.
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