
Ideologie gegen Pragmatismus: EU verhindert Erneuerung der Schwarzmeer-Initiative

Von Alexei Latyschew
Die Europäische Union kann antirussische Sanktionen mildern oder aufheben, nur nachdem der Konflikt in der Ukraine endet und nachdem Russland seine Streitkräfte von Territorien zurückzieht, die der Westen für ukrainische hält, meldet die Eurokommission.
"Ein bedingungsloser Rückzug sämtlicher russischer Streitkräfte wird zu einer der wichtigsten Vorbedingungen für eine Milderung oder Aufhebung der Sanktionen", zitierte ein Vertreter der Eurokommission das Nachrichtenportal Euractiv.
Die Publikation zitierte auch einen ungenannten europäischen Diplomaten mit den Worten, Brüssel werde "darauf hinarbeiten, dass sich an den Beschränkungen nichts ändert, da sich weder Russlands Ziele noch Russland selbst geändert haben".
Diese Behauptungen erfolgten nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der russisch-amerikanischen Verhandlungen in Riad. Nach zwölfstündigen Gesprächen erklärten beide Seiten ihre Absicht, einen Waffenstillstand auf dem Schwarzen Meer zu schließen und die sogenannte Schwarzmeer-Initiative zu erneuern. Diese sieht eine Gewährleistung der Sicherheit der Schifffahrt, Nichtanwendung der Gewalt und Verhinderung der Nutzung von kommerziellen Schiffen zu militärischen Zwecken vor.
Die USA verpflichteten sich auch, die Wiederherstellung des Zugangs der russischen Landwirtschaftserzeugnisse und Düngemittel zum Weltmarkt zu fördern, die Versicherungskosten für Seetransporte zu vermindern und den Zugang zu Häfen und Zahlsystemen für Transaktionen zu erweitern.

Gleichzeitig betonte der Kreml, dass die Wiederaufnahme der Schwarzmeer-Initiative erst nach der Aufhebung der Sanktionen gegen den russischen Agrarsektor, einschließlich der Wiederanbindung der russischen Landwirtschaftsbank an das SWIFT-System, möglich ist.
Wie das russische Außenministerium klarstellte, gilt diese Forderung auch für andere Finanzorganisationen, die im Agrarsektor tätig sind.
"Wir erwarten, dass Sanktionsbeschränkungen gegen die russische Landwirtschaftsbank und sonstige finanzielle Organisationen, die Operationen im internationalen Handel mit Lebensmitteln und Düngemitteln durchführen, aufgehoben werden, sowie dass ein Anschluss an das SWIFT-System erfolgt", erklärte dazu die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa.
Ferner sollen Restriktionen von Transportschiffen, Erzeugern und Exporteuren von landwirtschaftlicher Produktion aufgehoben werden. Es sei notwendig, Hindernisse für die Arbeit von Versicherungsunternehmen sowie das Verbot für Lieferungen von landwirtschaftlicher Ausrüstung nach Russland aufzuheben, betonte Moskau.
"Ideologische Überlegungen"
Am 26. März hat der US-Finanzminister Scott Bessent in einem Interview mit Fox News eine Milderung der antirussischen Sanktionen für einen Fortschritt bei der Regulierung des Ukraine-Konflikts nicht ausgeschlossen. Nach seinen Angaben werden "alle Optionen in Erwägung gezogen". Der Minister sagte:
"Was die passende Weise angeht, Russland ins internationale System zurückzubringen, wird es eine lange Diskussion über viele Angelegenheiten erfordern. Jedoch halte ich es für verfrüht, die Bedingungen eines Abkommens zu diskutieren, bevor wir ein Abkommen haben."
Gleichzeitig räumt Bessent ein Szenario ein, bei dem Sanktionen gegen Russland verschärft werden. Er führte aus:
"Eine Milderung oder Verschärfung der Sanktionen wird durch weitere Schritte der russischen Führung bestimmt. Ich denke, dass Präsident Trump, ohne zu zögern, die Sanktionen verschärfen wird, wenn er dadurch einen Vorteil bei Verhandlungen erhält."
Wie das Portal Euractiv feststellt, kann Washington selbst, wenn es dies wünschen würde, nicht alle von Moskau aufgelisteten Restriktionen aufheben. Insbesondere hängt der Wiederanschluss an SWIFT unmittelbar von Brüssel ab, denn der Betreiber dieses Systems ist in Belgien registriert und untersteht der belgischen Gesetzgebung.
Dmitri Levi, Dozent des Lehrstuhls für europäische Studien der Fakultät für internationale Beziehungen der Sankt-Petersburger Staatlichen Universität, erklärte in einem Gespräch mit RT:
"Sanktionen wurden von einer Gruppe von Staaten eingeführt – den USA und dem kollektiven Westen. Deswegen ist für deren Aufhebung ein gewisser Konsens zwischen ihnen erforderlich."
Levi zufolge versuchen die USA, ihre Politik in Angelegenheit der Ukraine pragmatischer zu gestalten, während die EU entschlossen ist, die Sanktionen aufrechtzuerhalten. Der Experte erklärte:
"Die EU hat eine Systementscheidung getroffen, die Sanktionen beizubehalten. Brüssel lässt sich in seinen Aktionen von ideologischen Überlegungen leiten und wird in diesem Sinne weitermachen, solange es der Zustand der europäischen Wirtschaft zulässt. Nach einigen Angaben will die EU noch für mindestens ein Jahr die Militärkampagne in der Ukraine unterstützen."
Europa unter Druck setzen?
Wladimir Bruter, Experte des Internationalen Instituts für humanitär-politische Studien, sieht ebenfalls keine Anzeichen dafür, dass die EU ihre Haltung zu antirussischen Restriktionen ändern wird, um einen Waffenstillstand auf See zu erreichen. In einem Kommentar gegenüber RT sagte er:
"Brüssel wird sich nicht auf Änderungen einlassen. Die offizielle Position dort ist, dass eine Aufhebung der Sanktionen nur diskutiert werden kann, nachdem Russland einem Rückzug der Truppen zustimmt."
Nach Ansicht des Politologen verfügen die USA über Druckmittel gegenüber der EU, aber es sei unklar, ob Washington sie für Fortschritte in den Verhandlungen mit Russland einsetzen werde. Bruter führte aus:
"Druckinstrumente hat Washington, doch die sind nicht kostenlos. Um etwas von der EU zu bekommen, müsste Trump eine komplizierte, lange, durchdachte und verantwortungsvolle Arbeit führen. Ob er dazu bereit ist, ist eine große Frage, auch für ihn selbst. Er will wissen, was er dafür bekommt, ob sich der Aufwand lohnt."
Levy erinnerte seinerseits daran, dass die USA der EU im Rahmen des Handelskriegs bereits wirtschaftliche Beschränkungen auferlegen. Der Analytiker zweifelt daran, dass Washington unter diesen Bedingungen zusätzliche Maßnahmen gegen Brüssel ergreifen werde, um Sanktionen gegen Russland aufzuheben.
Seiner Ansicht nach ist die gegenwärtige unnachgiebige Position in der Ukraine-Krise für die USA in vielerlei Hinsicht vorteilhaft, da Trump sie als Trumpf in den Verhandlungen mit Russland einsetzen kann. Der Spezialist erklärte:
"Beim Versuch, das Abkommen zu schließen, kann sich Washington auf die EU berufen – 'Wir sind ja nicht dagegen, doch unsere europäischen Partner sind dazu nicht bereit, sie glauben euch nicht'. Das ist ihre Karte bei Verhandlungen, die sie spielen werden. Deswegen werden die USA wahrscheinlich keine wirtschaftlichen Druckmittel gegenüber der EU nutzen."
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RT am 28. März.
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