Nach dem UN-Beschluss zu Srebrenica: Schritte Richtung Versöhnung oder weitere Spaltung?
Von Marinko Učur
Die Ankündigung der Regierungsmehrheit Montenegros, einen Beschluss zum Völkermord im Konzentrationslager Jasenovac, wo während der Existenz des von den Nazis geschaffenen Vasallenstaates Unabhängiger Staat Kroatien (USK, kroatisch Nezavisna Država Hrvatska; NDH) 700.000 Menschen, nämlich Serben, Juden, Roma sowie andere Antifaschisten durch die kroatische Ustascha brutal getötet wurden, auf die Tagesordnung des Parlaments zu setzen, stieß bereits auf großes Interesse.
In den Nachbarländern Montenegro und Kroatien, beide ehemalige Mitglieder der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ), wurde diese Absicht auf jeweils eigene Weise verteidigt bzw. verurteilt. Die montenegrinischen Regierungsmehrheit verteidigte ihre Idee mit der unbestreitbaren Tatsache, dass eine ähnliche Entschließung noch nirgendwo auf der Welt zur Annahme empfohlen wurde und dass es nur allzu verständlich sei, denjenigen Respekt und Ehrfurcht zu erweisen, die während des Zweiten Weltkriegs durch die Hand der faschistischen deutschen Besatzer oder ihrer Diener im Unabhängigen Staat Kroatien, unter der Führung des faschistischen Diktators Ante Pavelić, ermordet wurden.
Warum erst jetzt, nach knapp 80 Jahren, fragen die Kritiker dieser Absicht in Zagreb und ebenso Gegner aus den Reihen der montenegrinischen Opposition, die dem ehemaligen Präsidenten Milo Đukanović nahestehen und ihre Zurückweisung dieser Idee angekündigt haben. Andererseits behaupten die Initiatoren der Idee, dass es für die Länder, die im Zweiten Weltkrieg gelitten haben, nie zu spät sei, auch auf diese Weise ihren ermordeten Bürgern Respekt zu erweisen. Gleichzeitig haben sie nunmehr ein überzeugendes Argument in der Hand, nämlich die jüngste Verabschiedung der Entschließung in der UN-Generalversammlung zum "Völkermord in Srebrenica", also zu dem tragischen Leid der Muslime, das 29 Jahre später wieder ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt wurde.
Es ist klar, dass in New York durch die Verabschiedung der "post festum"-Entschließung über das Leiden von 7.000 Muslimen-Bosniaken in der UN-Schutzzone Srebrenica im Juli 1995 ein Präzedenzfall geschaffen wurde. Aber es war auch zu erwarten, dass dadurch die Geister der Vergangenheit nicht zur Ruhe kommen und dass einige weitere Nationen ähnliche Entschließungen mit und wegen einer eventuell unvergleichbar größeren Opferzahl ankündigen würden.
Das montenegrinische Parlament ist mit der Verabschiedung der mit dem endgültigen, etwas geänderten Titel "Entschließung zum Völkermord in den Lagersystemen Jasenovac, Dachau und Mauthausen" das erste Parlament der Welt, das sich solch eines verabschiedeten Dokuments in Form einer Entschließung rühmen kann. Der Parlamentspräsident in Podgorica Andrija Mandić, der auch der Einreicher der Entschließung war, weist stolz auf diese Tatsache hin und erklärt, dass Montenegro das erste Land auf dem Planeten sei, das in dieser Weise seine Haltung zum Verbrechen des Völkermords im kroatischen Ustascha-KZ Jasenovac zum Ausdruck gebracht habe.
"Dies ist das Ergebnis unserer Idee und unserer Vereinbarung. Niemand hat sich von außen eingemischt", sagte Mandić bei dieser Gelegenheit und hob hervor, dass Montenegro mit der Annahme der Entschließung einen Schritt nach vorne gemacht hat, und zwar von weit hinten, wohin es jene gebracht hatten, die dieses Land durch ihre Verbindungen mit der organisierten Kriminalität gefangen genommenen haben.
Das Dokument wurde mit knapper Mehrheit durch den Willen von 41 Parlamentsabgeordneten angenommen. Ungeachtet der Einwände der Opposition und ihres demonstrativen Verlassens des Plenarsaals während der Abstimmung ließ sich der Parlamentspräsident Andrija Mandić die Gelegenheit nicht nehmen, noch darauf hinzuweisen, dass "dies die Position der Mehrheit von Montenegro" sei.
Einer der Oppositionsführer – Andrija Nikolić, zugleich der Vorsitzende der Parlamentsfraktion der DPS (Demokratische Partei der Sozialisten Montenegros; Demokratska Partija Socijalista Crne Gore) – sagte, dass die Regierungskoalition wegen der Annahme dieser Entschließung für den Schaden, den sie dadurch Montenegro zufügt, haften werde. Einige Oppositionelle gingen sogar noch einen Schritt weiter und behaupteten, dass dies ein Stolperstein für die Bestrebungen in Podgorica zum EU-Beitritt sein würde. Mit der Verabschiedung der Entschließung zu Jasenovac erledige die derzeitige Regierung Montenegros die "schmutzigen Aufgaben" der serbischen Regierung in Belgrad, behauptete Ranko Krivokapić, der ehemalige Außenminister und ehemalige enge Mitarbeiter des ehemaligen Präsidenten Milo Đukanović.
Natürlich ließ die offizielle Reaktion aus Zagreb nicht lange auf sich warten. Der kroatische Premierminister Andrej Plenković wies darauf hin, dass "die angenommene Entschließung in Montenegro bewusste politische Signale der Spaltung innerhalb dieses Landes aussendet und es um die Instrumentalisierung durch ein anderes Land in der Region geht", und spielte damit auf Serbien an, dem zugeschrieben wird, Zwietracht in die Beziehungen zwischen Podgorica und Zagreb bringen zu wollen. Das Außenministerium Kroatiens führte sogar aus, "dass die Entschließung zum Völkermord in Jasenovac die UN-Entschließung zum Völkermord in Srebrenica abwertet und relativiert".
Es wird mittlerweile immer deutlicher, dass die Entschließung zu Srebrenica tatsächlich eine Lawine ausgelöst hat, die nicht mehr einfach gestoppt werden kann. Es ist illusorisch, über die Beweggründe für ihre Annahme zu sprechen. Zur Erinnerung: Befürworter behaupten, diese würde Frieden und Versöhnung mit sich bringen. Aber nie verheilende Wunden aus der Vergangenheit wurden nunmehr aktueller denn je. Alle, die einst eine Flut solcher und ähnlicher Entschließungen vorhersagten, hatten offensichtlich recht. Die Frage ist nur, welche Resolution als nächstes eingebracht und wer der neue Antragsteller sein wird.
Eine wichtige Frage bleibt jedoch bei all dem offen: Warum meldet sich ausgerechnet Kroatien in dieser Angelegenheit abfällig? Warum droht es, dass dadurch die bilateralen Beziehungen und der "europäische Weg" Montenegros gefährdet werden könnten? Welche politische Macht hat Kroatien in der EU – und kann dieses Land Montenegro erpressen, insbesondere wenn bekannt ist, dass Zagreb nur ein treuer Vollstrecker von Anordnungen aus Berlin und Brüssel ist? Hat das moderne und europäische Kroatien etwa nicht, wie es doch gern von sich selbst behauptet, seine Nazi- und Ustascha-Vergangenheit hinter sich gelassen?
Sofern doch, dann sollte es über einen solchen Beschluss nicht aufgebracht sein. Sollte dies aber noch immer nicht der Fall sein ... dann sollte sich endlich bald einmal ein kroatischer Politiker vom Format Willy Brandts aufraffen, vor dem Denkmal für die Opfer von Jasenovac niederknien und um Vergebung für die im Namen des kroatischen Volkes in der Nazizeit dort begangenen Verbrechen bitten.
Bis dahin werden die Ustascha-Ikonographie und Serbophobie im "modernen Kroatien" kein seltenes Phänomen sein.
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