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US-Ökonom: Russland durch Sanktionen "entkolonialisiert" statt gestraft

Vor fünf Jahren war das wirtschaftliche Leben in Russland fest in der Hand westlicher Unternehmen. Laut Experten ändert sich das derzeit. Die durch die westlichen Sanktionen zeitweise unterbrochenen Lieferketten der Industrie sind wiederhergestellt.
US-Ökonom: Russland durch Sanktionen "entkolonialisiert" statt gestraftQuelle: AFP © NATALIA KOLESNIKOVA

Als Reaktion auf den Ukraine-Krieg wurden Russland erhebliche Finanz- und Wirtschaftssanktionen auferlegt. Das Land wurde vom Handel auf Basis des US-Dollars abgeschnitten, erhebliche staatliche und private Vermögenswerte im Ausland sind eingefroren. Die Europäische Union hatte angestrebt, auf russische Energieimporte völlig zu verzichten. Doch die russische Wirtschaft stehe trotz der umfangreichen Sanktionen so stark da wie kaum eine andere Volkswirtschaft der Welt, konstatiert der renommierte US-Ökonom James K. Galbraith in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung:

"Russland stabilisierte das eigene Finanzsystem, das durch die Abkopplung vom SWIFT-Zahlungssystem einem Schock ausgesetzt war. Der anfängliche Rückgang des Rubels wurde schnell aufgefangen. Lieferketten in der Industrie, die durch die Sanktionen unterbrochen worden waren, wurden wiederhergestellt.

Was also geschah, war, dass russische Unternehmen in den Markt vordrangen, den westliche Unternehmen freiwillig oder gezwungenermaßen aufgeben mussten."

Dadurch hätten sich für die in Russland einheimischen Unternehmen beträchtliche Gewinnmöglichkeiten ergeben. Russland sei heute eines der Länder mit der höchsten Wachstumsrate der Welt, sagte Galbraith. Auf die Frage, ob Russland letztendlich von den Sanktionen sogar profitiert habe, sagte der Ökonom: "Ja, Russland wurde durch die Sanktionen effektiv entkolonialisiert."

Vor fünf Jahren sei das wirtschaftliche Leben fest in der Hand westlicher Unternehmen gewesen. Die Gastronomie, die großen Einkaufsläden, die Autos auf den Straßen. Das ändere sich derzeit: "Die Industriekapazitäten verschwanden nicht." Fabriken, Arbeiter, Ingenieure und Manager seien im Land ausreichend vorhanden gewesen. Was benötigt wurde, sei Design und Equipment gewesen.

"Besonders chinesische Autobauer bauten ihr Engagement in Russland stark aus. Sie übernahmen Produktionslinien, die zuvor von deutschen und japanischen Unternehmen betrieben wurden", sagte er weiter gegenüber der Berliner Zeitung:

"Die Sanktionen haben wirklich drastische Auswirkungen auf kleine Volkswirtschaften. Aber die Auswirkungen auf Russland sind ganz andere. Russland ist ein sehr großes Land, das reich an Ressourcen ist, über Wissenschaftler, Ingenieure und enorme Geschäftskapazitäten verfügt. Es hat sich von den chaotischen Zuständen in den 1990er Jahren weitgehend erholt."

Sich selbst hätten die USA durch die Sanktionen weniger geschadet als am Ende Europa. Der Grund dafür sei, dass die Vereinigten Staaten im Moment weitgehend "autark" seien. Bei Energieressourcen seien sie noch auf russische Lieferungen angewiesen, zum Beispiel beim Uran. "Aber die amerikanische Wirtschaft ist nicht so anfällig wie die europäische Wirtschaft für den Verlust der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland", sagte Galbraith.

Die deutsche Bundesregierung betreibe laut Galbraith eine Politik, deren Hauptopfer die deutsche Wirtschaft selbst ist. Sie habe sich von wirtschaftlichen Quellen abgeschnitten, insbesondere von Energieträgern und anderen Materialien, auf die die deutsche Industrie angewiesen ist. Es drohe somit ein historischer Einbruch der deutschen Industriekapazitäten, warnte der US-amerikanische Ökonom.

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