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Ein Sieg für Israel oder für die Gerechtigkeit?

Die internationalen Reaktionen auf das Urteil in Den Haag gehen weit auseinander. Manche betrachten schon das Fehlen des Worts "Waffenstillstand" als einen israelischen Sieg, andere sehen einen Sieg des Völkerrechts. Ein erster Überblick.
Ein Sieg für Israel oder für die Gerechtigkeit?Quelle: www.globallookpress.com © Omar Ashtawy

Die westlichen Medien sind sich in ihrer Lesart des Den Haager Urteils weitgehend einig. Die Schlagzeile der BBC ist geradezu die Blaupause: "IGH weist Israel an, Akte des Völkermords in Gaza zu verhindern, aber nicht, den Krieg zu beenden". Ebenso die New York Times: "Das UN-Gericht lehnt es ab, zu fordern, dass Israel seinen Militäreinsatz beendet".

Aus der Region selbst gibt es seitens des Hamas-Vertreters Sami Abu Zuhri die Aussage, das Urteil werde Israel isolieren und seine Verbrechen in Gaza bloßstellen. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu missbilligte wiederum, dass der Internationale Gerichtshof den "empörenden" Vorwurf des Genozids aufgegriffen habe; und der Minister für nationale Sicherheit, Ben Gvir, sagte, "sie haben während des Holocaust geschwiegen" (ein Vorwurf, der dem zu dieser Zeit noch nicht existierenden internationalen Gericht in Den Haag schwerlich zu machen ist).

Die pointierteste Zusammenfassung dieser Sicht findet sich vielleicht in der Jerusalem Post:

"35 Minuten lang hat der Internationale Gerichtshof Israel schlechtgeredet, aber dann überraschte er den jüdischen Staat, indem er keine praktischen Anweisungen gegen die IDF gab. Es gab keine Anweisung, den Krieg einzustellen, und keine Anweisung an die IDF, sich aus Gaza zurückzuziehen. Der praktische Punkt, der Israel am meisten Schwierigkeiten bereitet, ist die Notwendigkeit, in einem Monat dem IGH Bericht zu erstatten, was die Tür offen lässt, dann eine ernsthaftere Anweisung zu erteilen."

Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa wandte sich mit einer Ansprache an die Nation und erklärte, der Beschluss in Den Haag sei "ein Sieg für das Völkerrecht, für die Menschenrechte und vor allem für die Gerechtigkeit".

Heute steht Israel vor der internationalen Gemeinschaft, und seine Verbrechen gegen die Palästinenser sind offengelegt. … Wir sind fest davon überzeugt, dass es nach diesem Urteil jetzt ernsthaftere Bemühungen für eine Waffenruhe geben wird und Verhandlungen über eine dauerhafte Zwei-Staaten-Lösung beginnen sollten."

Die Bedeutung des Verfahrens für Südafrika zeigte sich auch in der Anwesenheit von Außenministerin Naledi Pandor bei der Urteilsverkündung in Den Haag.

Die deutschen Medien konzentrieren sich vor allem auf das, was ihrer Ansicht nach nicht in der Anweisung des Gerichts steht. "UN-Gericht ordnet kein Ende von Militäreinsatz in Gaza an", schreibt die Bild, und auch die taz schließt: "Kämpfe müssen nicht gestoppt werden."

Die Erläuterung, die die taz dazu liefert, ist gleichsam modellhaft für alle anderen.

"Südafrika, das die Klage eingereicht hatte, wollte erreichen, dass Israel seine Militäroperationen im Gazastreifen sofort einstellt. Dem folgten die Rich­ter:innen [sic] nicht.

Der Gerichtshof hat Israel aber konkret aufgefordert, dafür zu sorgen, dass seine Truppen im Gazastreifen keinen Völkermord begehen. Zugleich müsse Israel sicherstellen, dass sich die humanitäre Lage in Gaza verbessert, erklärten die Richter. Israel müsse auch die humanitäre Hilfe für den Gazastreifen ermöglichen."

Die Reduzierung des Urteils auf "mehr Schutzmaßnahmen für Palästinenser" (RND) oder auf die Forderung, Israel müsse "einen Völkermord verhindern" und "sicherstellen, dass sich die humanitäre Lage dort verbessere" (Spiegel) geht nur auf, wenn man die Definition des Völkermords aus der Völkermordkonvention – die das Gericht bei den provisorischen Maßnahmen ausdrücklich eingefügt hat – übergeht. Schließlich darf den "Mitgliedern der Gruppe der Palästinenser in Gaza" kein schwerer körperlicher oder seelischer Schaden zugefügt und schon gar nicht dürfen sie getötet werden. Es wurde also nicht verboten, den Rasen zu betreten, sondern lediglich, keinen Grashalm zu krümmen.

Ein "Abweichler" im westlichen Lager bleibt weiterhin der schottische Ministerpräsident Humza Yousaf. Er teilte mit:

"Die Anweisung des IGH ist klar. Das Töten und die Zerstörung in Gaza müssen enden. Es muss dringend humanitäre Hilfe gewährt werden, um mehr Leid zu verhindern. Die Geiseln müssen sofort freigelassen werden. Angesichts von so viel Tod und Zerstörung werden wir weiterhin eine sofortige Waffenruhe fordern."

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