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Greentech Festival ehrt Erfinder – offenbar ohne Erfindung

Das Greentech Festival in Berlin zeichnete den "Erfinder" Jeremiah Thoronka für vermeintlich "innovative" Ökostrom-Technik in Sierra Leone aus. In der Fachwelt kennt allerdings niemand seine "bahnbrechende" Erfindung. Auch sonst wirft die Preisverleihung Fragen auf.
Greentech Festival ehrt Erfinder – offenbar ohne ErfindungQuelle: Legion-media.ru © Maria Castro

Für den 23-jährigen Jeremiah Thoronka könnte es kaum besser laufen, denn für seine Ökostrom-"Erfindung" wurde er in letzter Zeit mit Preisen überhäuft. So erhielt der aus Sierra Leone stammende Thoronka den mit 100.000 US-Dollar dotierten "Global Students Award", zudem trat er unter anderem bei der Climate Overshoot Commission und der UNESCO auf und besuchte im Mai 2022 Papst Franziskus. Zu seinen jüngsten Auszeichnungen zählt nun auch ein Preis in der Kategorie "Youngster" des Greentech Festivals in Berlin, der ihm am 14. Juni 2023 verliehen wurde. In der Pressemitteilung des Festivals heißt es in Bezug auf die Preisverleihung:

"Jeremiah war 17, als er ein spezielles Gerät erfand, das die Vibrationen von Fußgängern und Verkehr an belebten Straßen auffängt und in Elektrizität umwandelt. Mit nur zwei Geräten versorgt sein Start-up Optim Energy mittlerweile mehrere Schulen und Haushalte in Gemeinden in seinem Heimatland Sierra Leone kostenlos mit Strom."

Auf der Webseite des von Thoronka initiierten "The Index Projekt" heißt es weiter, dass seine Erfindung "kostenlose Elektrizität für 150 Haushalte mit 1.500 Bürgern sowie auch für 15 Schulen, die mehr als 9.000 Schüler besuchen" liefere.

Allerdings gibt es in Bezug auf seine Erfindung mehrere Probleme: Zum einen ist sie nicht neu – der piezoelektrische Effekt ist bereits seit mehr als 140 Jahren bekannt. Zum anderen ist es praktisch unmöglich, dass mit einer Anwendung des piezoelektrischen Effekts derart große Mengen elektrischer Energie bereitgestellt werden können.

Piezoelektrische Anwendungen, bei denen mit kinetischer Energie durch Kompression von Kristallen Elektrizität erzeugt wird, sind bereits seit Jahrzehnten im Einsatz – allerdings nicht zur Stromerzeugung für Haushalte, sondern vor allem im Bereich der Druckmessung und Sensorik und in Piezo-Feuerzeugen, bei denen der Effekt zur Erzeugung von Zündfunken eingesetzt wird. Daneben gibt es auch noch spielerische Anwendungen wie zum Beispiel blinkende Turnschuhe für Kinder, bei denen der Effekt genutzt wird, um LED-Lämpchen zum Leuchten zu bringen.

Die elektrische Leistung von Piezo-Elementen liegt üblicherweise im Milliwattbereich. Demnach müsste es sich bei Thoronkas "Erfindung", mit der angeblich hundert Haushalte mit Strom versorgt werden, um eine Anlage von gigantischen Ausmaßen handeln, für die Milliardeninvestitionen notwendig gewesen wären. Oder Thoronka hat eine nahezu nobelpreiswürdige Entdeckung gemacht, die das Fachgebiet der Piezoelektrizität revolutionieren würde. Beides ist jedoch unwahrscheinlich, zudem gibt es mysteriöserweise keine Fotos, Aufnahmen oder technischen Dokumentationen von der vermeintlichen Anlage in Sierra Leone. In Fachpublikationen findet sich dazu ebenfalls nichts. Und auch Energieexperten ist der Name Thoronka unbekannt.

Auf Nachfrage von Tichys Einblick erklärte Michael Beckmann, Professor für Energieverfahrenstechnik an der TU Dresden, dass eine solche Anlage zwar theoretisch möglich wäre, aber der Aufwand "stünde in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem Ergebnis". Rüdiger Ballas, Prodekan an der Wilhelm-Büchner-Hochschule Darmstadt und Experte für piezoelektrische Anwendungen, hält eine Anlage in diesem Ausmaß demnach für utopisch:

"Ich sehe darin keinerlei physikalische Sinnhaftigkeit."

Zudem bestehe das Problem, dass die elektrischen Ladungen aufwendig zwischengespeichert werden müssten, um einen konstanten Stromfluss zu ermöglichen. In dieser Größenordnung könne dies "kein Mensch bezahlen". Um auf diese Weise eine effektive Stromversorgung zu ermöglichen, "müsste er [Thoronka] die Leistungsfähigkeit des Materials schon auf unvorstellbare Weise verbessert haben. Aber dann würde man ihn in der piezoelektrischen Community auch kennen".

Dessen ungeachtet wurde Thoronka seit dem Jahr 2021 mit Preisen überhäuft. Eine der ersten Erwähnungen Thoronkas findet sich in einem Betrag für die BBC vom 27. Juli 2021 (How Pedestrians are lighting homes in Sierra Leone). Aus dem Text geht nicht hervor, ob die Autorin die vermeintliche Anlage in Sierra Leone selbst besucht hat. Einige Formulierungen legen jedoch nahe, dass dies nicht der Fall war. Dennoch erhielt Thoronka, der damals Student im britischen Durham war, später den mit 100.000 US-Dollar dotierten "Global Students Award". Das Greentech Festival hatte zunächst nicht auf Anfragen reagiert, veröffentlichte mittlerweile jedoch eine Pressemitteilung. In dieser heißt es:

Stellungnahme des GREENTECH FESTIVALS zum Preisträger Jeremiah Thoronka (Youngster)

Berlin, 22. Juni 2023

Uns erreichte in den letzten Tagen eine Anfrage zu dem Preisträger Jeremiah Thoronka (22, Sierra Leone), der bei den GREEN AWARDS in der Kategorie Youngster durch eine Jury ausgezeichnet wurde.

Mit dieser Kategorie werden junge Personen für ihr Engagement für den Umweltschutz geehrt, was sich sowohl auf ihr persönliches Engagement als auch die ihrerseits aktivierte Community bezieht.

Die Grundlage der Auszeichnung in dieser Kategorie ist vorranging, dass die Person eine Vorbildfunktion übernehmen kann und viele Menschen zum Engagement für Umweltschutz begeistert. Der Einsatz einer jeden Person und insbesondere auch junger Menschen für Umweltbelange ist gerade für Länder und Regionen, die technologisch vor sehr großen Herausforderungen stehen, von höchster Bedeutung, auch aus globaler Perspektive.

Das Projekt Optim Energy lief von 2017 bis 2021 und ließ sich nicht mehr vor Ort besichtigen. Jeremiah Thoronka erlangte als Person eine weltweite Aufmerksamkeit (u. a. TED, UNDP, Global Student Prize, BBC).

In der Jury wurden während des Auswahlprozesses Herausforderungen in Bezug auf sein Projekt erörtert. Es wurde festgestellt, dass der Empfänger, vor allem durch sein hohes Engagement in so jungen Jahren und seine Vorbildfunktion in seinem Heimatland, die Kriterien der Kategorie Youngster erfüllt.

Im Rahmen der Preisverleihung haben wir Jeremiah Thoronka als einen jungen Menschen kennengelernt, der viele für das Thema der Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen sensibilisieren und begeistern kann.

Gemeinsam mit unserem Knowledge Partner Boston Consulting Group arbeiten wir fortlaufend daran, unseren Auswahlprozess zu optimieren und die unabhängige Prüfung hinsichtlich der gesetzten Kriterien zu intensivieren."

Zusammengefasst: Die vermeintliche, doch so revolutionäre Anlage in Sierra Leone wurde mittlerweile aus unbekannten Gründen demontiert. Dies ist natürlich bedauerlich, da sich die Fachwelt sicherlich für diese Anlage, bei der es sich um die größte ihrer Art handeln müsste, interessiert hätte. Die Jury des Greentech-Festivals scheint mittlerweile außerdem der Meinung zu sein, dass es für die Preisverleihung nicht relevant sei, ob die Anlage noch existiert (oder jemals existierte): Es sei wichtiger, dass Thoronka junge Menschen für das Thema Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen "begeisterte" und daher eine "Vorbildfunktion" habe.

Erstaunlich ist im Übrigen auch, dass die vermeintliche Anlage in dem Jahr demontiert wurde, in dem Thoronka den mit 100.000 Dollar dotierten "Global Students Award" erhielt.

Insgesamt entsteht somit der Eindruck, dass es beim Greentech Festival in erster Linie um "grüne" Themen geht und weniger um Technik oder gar Fachexpertise und Realitätssinn. Die Preisverleihung passt jedoch in die heutige Zeit, in der auch die Tagesschau über "stromlose Fernseher" berichtet.

Mehr zum Thema – Faktenfuchs hat geschlafen: ARD-Tagesschau fällt auf afrikanischen Fake-Erfinder rein

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