Die iranischen Warnungen vor Unruhen im Inland sollten ernst genommen werden
Eine Analyse von Robert Inlakesh
Inmitten anhaltender Unruhen in Iran hat Teheran sowohl Israel als auch westliche Geheimdienste beschuldigt, einen Bürgerkrieg innerhalb der Islamischen Republik anzustacheln. Die Auswirkungen dieser Beschuldigung in Bezug auf die Ausrichtung der iranischen Staatspolitik sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
In den vergangenen acht Wochen wurde Iran von Wellen politischer Unruhen heimgesucht, die von Protesten für Frauenrechte bis hin zu ausgewachsenen Unruhen und Terroranschlägen reichten. Während dieser Zeit haben sich westliche Medien, Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eingeschaltet, um die iranische Regierung zu verurteilen und zu versuchen, sie zu delegitimieren. Im Laufe der Wochen eskaliert die Gewalt ebenso wie die Rhetorik der iranischen Regierung und wie jene der Iranischen Revolutionsgarde (IRGC). Teheran scheint nun kurz davor, die Zurückhaltung aufzugeben.
Es gab viele Debatten darüber, was in Iran vor sich geht, und obwohl es schwierig sein kann, die genauen Details der jüngsten Unruhen im Land zu entschlüsseln, ist eines sicher – der Westen ist sehr stark darin verwickelt, die Autorität Teherans zu untergraben, während die US-Regierung offensichtlich ein großes Interesse an einem Regimewechsel in Iran hat. Präsident Joe Biden erklärte kürzlich in einer Rede sogar, dass er "Iran befreien" werde, während seine Administration die unter Donald Trump begonnene Sanktionskampagne des "maximalen Drucks" aktiv durchgesetzt oder sogar verschärft hat.
Insbesondere in den vergangenen Wochen wurde Iran Zeuge einer Eskalation in Form von Angriffen durch Randalierer und Terrorgruppen, bei denen zahlreiche iranische Zivilisten und Polizisten getötet wurden. Vor zwei Wochen wurden bei zwei getrennten Terroranschlägen in den Provinzen Chuzestan und Isfahan mindestens zehn Menschen getötet. Teheran hat einen Großteil der Schuld an den Anschlägen westlichen Geheimdiensten sowie den von Saudi-Arabien finanzierten persischsprachigen Medien angelastet. Wenn wir die anhaltenden Unruhen, die lähmenden Sanktionen der USA gegen Iran zusammen mit der westlichen Isolierung des Landes auf der internationalen Bühne kombinieren, müssen in diesem Zusammenhang die Reaktionen der Teheraner Offiziellen sehr ernst genommen werden.
Anfang November begannen US-Medien, über saudische Geheimdienstanalysen zu sprechen, die auf eine unmittelbar bevorstehende Bedrohung von Saudi-Arabien durch Iran hindeuteten. Obwohl es kein offizielles iranisches Dementi oder eine Bestätigung gab, schien die Berichterstattung der iranischen Staatsmedien darauf hinzudeuten, dass ein Angriff auf Saudi-Arabien bevorstehen könnte. Es gab in der Rhetorik aus Teheran auch zunehmend den Bezug auf die Ermordung des Generals der Quds-Truppe der Revolutionsgarde, Qassem Soleimani.
Ungefähr zum selben Zeitpunkt des iranischen Raketenangriffs auf die von den USA besetzte irakische Militärbasis Ain Al-Asad im Jahr 2020, der mehr als 100 traumatische Gehirnerschütterungen unter den US-Soldaten verursachte, sagte der oberste iranische Führer Ajatollah Ali Chamenei, dieser Angriff sei nur eine Ohrfeige gewesen und nicht der volle Faustschlag. Als Chamenei kürzlich unterstrich, dass Iran sich das Recht vorbehalte, den Mord an Soleimani zu rächen, hätte dies zur Kenntnis genommen werden müssen.
Teheran hat wiederholt Warnungen an seine regionalen Gegner ausgesprochen, insbesondere jetzt, da die Gespräche über das Atomabkommen zum Stillstand gekommen sind und Versuche, die Beziehungen zu Saudi-Arabien zu normalisieren, noch keinen Durchbruch erzielt haben. Die jüngste Warnung scheint vor der Küste von Oman stattgefunden zu haben, wo vor zwei Wochen eine Kamikaze-Drohne einen Öltanker getroffen hat. Der Tanker hat Verbindungen zu einem israelischen Milliardär und sowohl Israel als auch die USA haben Iran beschuldigt, diesen Angriff durchgeführt zu haben.
Für die Vereinigten Staaten kommt es nicht infrage, einen konventionellen Krieg gegen die Islamische Republik zu führen. Falls die USA eine Invasion lancieren würden, wie sie es im Irakkrieg getan haben, dann würden sie nicht nur Schwierigkeiten bei der Eroberung von iranischem Territorium haben und viele Niederlagen erleiden. Die regionalen Verbündeten Irans könnten zusammen mit einem Arsenal an ballistischen Raketen Washingtons Verbündete und militärische Einrichtungen überall im Mittleren Osten verwüsten. Ein solcher Krieg käme in gewisser Weise dem Szenario eines Weltuntergangs gleich. Daher sind die einzigen Optionen, die die USA und ihre Verbündeten haben, um einen Regimewechsel in Teheran herbeizuführen, innere Unruhen in Iran und Wirtschaftssanktionen.
Im Hinblick auf mögliche Gegner in einem Stellvertreterkrieg gibt es eine Reihe gefährlicher Umstände für Iran, mit denen die Islamische Republik in einen Bürgerkriegszustand geführt werden könnte. Die Bevölkerung Irans beträgt derzeit etwas mehr als 88,5 Millionen, von denen nur 61 Prozent Perser sind. Der Rest sind unterschiedliche Minderheiten. Während der jüngsten Unruhen waren die Kurden für einen Großteil der regierungsfeindlichen Aktionen unter den Minderheitengruppen verantwortlich, während arabische und belutschische Gruppierungen dort, wo heute die Spannungen bestehen, prominenter auftreten. Aber bevor wir fortfahren, muss angemerkt werden, dass die meisten Iraner aus diesen Minderheitengruppen nicht versuchen, den Staat zu untergraben und auch keinen Regimewechsel in Iran erreichen wollen.
Bewaffnete kurdische Gruppierungen, die eine anti-iranische Regierungshaltung verfolgen, könnten möglicherweise ein erhebliches Problem für Iran darstellen. Frühere Versuche bewaffneter Bewegungen wurden jedoch umgehend von der Revolutionsgarde niedergeschlagen. Militante Kurden wurden in den vergangenen acht Wochen im Irak mehrmals angegriffen, nachdem sie nahe der iranischen Grenze aufgetaucht waren. Die Macht der kurdischen politischen und militärischen Bewegungen kommt von den ausgedehnten Standorten ihrer Operationen: vom Irak über Syrien bis in die Türkei. Ein vereinter kurdischer Aufstand, der sich mit beträchtlichen Ressourcen gegen Teheran richtet, könnte zu einer echten Herausforderung werden. Da Ankara jedoch im Vorfeld der türkischen Wahlen weiterhin hart gegen kurdische Gruppierungen vorgeht, ist es unwahrscheinlich, dass eine solche Eskalation zum jetzigen Zeitpunkt eintreten wird.
Die größte Bedrohung könnte jedoch von innen, von der aserbaidschanischen Minderheit im Norden Irans ausgehen. Etwa 16 Prozent der Iraner sind aserbaidschanischer Herkunft, was sie zur größten Minderheit des Landes macht. Dies bedeutet, dass selbst ein kleiner Prozentsatz von ihnen, der sich einer bewaffneten Bewegung anschließt, eine große Herausforderung für Teheran darstellen würde.
Unabhängig davon, ob die Unruhen in Iran auf westlich-saudisch-israelischen Einfluss zurückzuführen sind oder nicht, wenn sie nicht bald abflauen, wird Teheran handeln müssen. Unglücklicherweise für die Vereinigten Staaten muss man in Washington nun akzeptieren, dass die eigene Position in der Region nicht mehr die eines alleinigen Hegemon ist. Wenn man sich mit einer regionalen Militärmacht wie Iran anlegt, indem man aus dessen internen Streitigkeiten Kapital zu schlagen versucht, wird dies zu Konsequenzen für die gesamte Region führen. Was jetzt als Nächstes passiert, hängt davon ab, ob der Westen und seine Verbündeten auf die Warnzeichen aus Teheran hören.
Aus dem Englischen
Robert Inlakesh ist politischer Analyst, Journalist und Dokumentarfilmer und lebt derzeit in London. Er hat aus den besetzten palästinensischen Gebieten berichtet und dort gelebt und arbeitet derzeit für Quds News und Press TV. Er ist Regisseur des Films "Diebstahl des Jahrhunderts: Trumps Palästina-Israel-Katastrophe". Man kann ihm auf Twitter unter @falasteen47 folgen.
Mehr zum Thema - Baerbock will im UN-Menschenrechtsrat gegen Teheran vorgehen
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.