Mobilisierte werden für Erfolg der neuen russischen Offensive sorgen
Eine Analyse von Rafael Fachrutdinow und Michail Moschkin
Im Rahmen der am 21. September begonnenen und am 29. Oktober beendeten Teilmobilmachung wurden 300.000 Männer eingezogen. Nach dem Stand vom 1. November wurden 87.000 von ihnen ins Kampfgebiet geschickt. Diese Angaben führte der Verteidigungsminister Sergei Schoigu während der Sitzung seines Ministeriums an. Eine Woche zuvor, als Schoigu dem Präsidenten die Beendigung der Mobilmachung meldete, nannte er noch eine Anzahl von 82.000 Soldaten. Von diesen würden 41.000 in Kampfeinheiten eingesetzt, berichtete Schoigu. Bei einem Gespräch mit dem Präsidenten betonte er:
"Wir legen besonderen Wert darauf, dass Soldaten vorbereitet, ausgebildet und ausgerüstet [in den Kampf] entsandt werden."
Ins Gebiet der Spezialoperation würden keine Soldaten geschickt, die ihren Grundwehrdienst ableisten und regulär einberufen wurden. Alle, die ihren Grundwehrdienst beenden, werden anschließend nach Hause geschickt, erklärte der Verteidigungsminister.
Die im Rahmen der Teilmobilmachung Eingezogenen erhalten eine Ausbildung von etwa 3.000 Instrukteuren mit Kampferfahrung aus der Spezialoperation, zitierte die Nachrichtenagentur RIA Nowosti Schoigu am 1. November. Die Lehrpläne konzentrieren sich auf die Ausbildung unter Feldbedingungen, den Einsatz von Mitteln der Nachrichtenübermittlung sowie Navigation und Aufklärung, sagte der Minister. Laut Schoigu werden in Ausbildungszentren unter anderem Besatzungsmitglieder für Panzer und Kampffahrzeuge, Artilleristen, Scharfschützen, Spezialisten für Drohnen und elektronische Kriegsführung vorbereitet.
Außerdem wies der Verteidigungsminister die Befehlshaber der Wehrkreise und der Nordflotte (die seit 2020 den Status eines Wehrkreises hat) auf die Notwendigkeit hin, neu formierte Verbände gemeinsam mit denjenigen Verbänden einzusetzen, die an der Spezialoperation in der Ukraine bereits teilnehmen.
Militärexperten glauben, dass die Verstärkung des Truppenkontingents im Gebiet der Spezialoperation durch Soldaten, die im Rahmen der Teilmobilmachung eingezogen und ausgebildet wurden, den Verlauf der Militäroperation positiv beeinflussen kann. Der Militärexperte und Kapitän zur See Wassili Dandykin merkte an:
"Betrug die Stärke unseres Truppenkontingents vorher noch etwa 150.000 bis 200.000 entlang der ganzen Front, wird diesmal eine Verstärkung der Verteidigung bemerkbar, doch nicht nur das. Es wurde gemeldet, dass 41.000 Mobilisierte in Kampfeinheiten geschickt wurden. Die Verstärkung kommt mit Technik und Waffen – das ist sehr ernst."
Nach Dandykins Meinung kann schon die bisherige Anzahl der an die Front geschickten Mobilisierten hilfreich sein, etwa während der aktiven Verteidigung der Frontabschnitte bei Cherson, Nikolajew und Kriwoi Rog.
Der Analytiker Michail Onufrijenko äußerte in einem Kommentar gegenüber der Zeitung Wsgljad die Vermutung, dass 87.000 Mobilisierte theoretisch ausreichen, um Lücken am Frontabschnitt Charkow zu füllen und eine durchgehende Verteidigungslinie von der russischen Grenze bis zur Stadt Krasny Liman einzurichten.
Dabei ist es laut Onufrijenko unwahrscheinlich, dass Mobilisierte an schwierigen Frontabschnitten, etwa an der Verteidigungslinie des Flusses Oskol an der östlichen Grenze des Gebiets Charkow, eingesetzt werden. Auch der momentan wichtigste Frontabschnitt von Cherson sei ohne Heranziehung von Mobilisierten verstärkt worden. Onufrijenko erklärte:
"Cherson wird gegenwärtig neben regulären Truppen auch von Mitarbeitern privater Militärunternehmen und Freiwilligen verteidigt. Dieser Abschnitt ist gedeckt."
"Allem Anschein nach werden die Mobilisierten jetzt in Zug- und Kompaniegruppen zusammengefasst und in bereits bestehende Bataillonskampfgruppen eingegliedert. Ich hörte, dass sie auf die eine oder andere Weise Bataillonskommandanten unterstellt sind. Dort werden sie auch in Kampfkoordinierung unterrichtet. Bataillonskampfgruppen nur aus Mobilisierten gibt es nicht. Das wäre unklug und ineffektiv", fügte er hinzu.
Der Berater des ersten Oberhaupts der DVR und gegenwärtiger Berater des Fraktionsvorsitzenden der Partei "Gerechtes Russland – Für die Wahrheit", Alexander Kasakow, erklärte seinerseits:
"Betrachtet man die Lage strategisch, dann brauchen wir die 300.000 Mobilisierten nicht für eine Verstärkung der Verteidigungsstellungen oder um die Front zu halten. Zumal Russland an der nördlichen und südlichen Flanke echte Verteidigungslinien aufgebaut hat, und nicht einfach Stützpunkte, zwischen denen Sabotagetrupps durchsickern könnten. Alle Versuche der ukrainischen Streitkräfte, anzugreifen – ob an den Frontabschnitten Cherson, Saporoschje oder in der Lugansker Volksrepublik bei Swatowo und Kremennaja – scheitern. Die ukrainische Armee erleidet Verluste und zieht sich zurück."
Dabei wies Kasakow darauf hin, dass russische Gebiete – der Westen der DVR und der Norden des Gebiets Saporoschje – immer noch vom Gegner besetzt sind. Seiner Einschätzung nach werden Mobilisierte zu Kampfeinsätzen im Zuge der Befreiung dieser Territorien eingezogen.
Es sollte angemerkt werden, dass Russlands Verteidigungsministerium ursprünglich plante, weniger als die 300.000 Männer einzuziehen, von denen die Rede in der präsidialen Verordnung über die Teilmobilmachung war. Darauf verwies Mitte Oktober Wladimir Putin selbst.
Kasakow vermutete:
"Unsere Offensive beginnt auf leisen Sohlen, obwohl sie sich wahrscheinlich erst gegen Ende November voll entfalten wird."
Tatsächlich war zu Beginn der Woche eine Aktivierung von Vorstößen in der Donezker Volksrepublik – bei Ugledar südwestlich von Donezk und um Awdejewka, der nördlichen Trabantenstadt von Donezk – zu beobachten. Die Truppenbewegungen zeugen möglicherweise von Plänen, die von ukrainischen Truppen in einen befestigten Raum verwandelte Stadt Ugledar von drei Seiten einzukesseln.
Zugleich begannen Vorstöße in der Nähe von Artjomowsk (Bachmut) im Nordosten der DVR und Marjinka westlich von Donezk. Wie Wsgljad berichtete, ließ die Verlegung ukrainischer Truppen und Technik (darunter HIMARS-Anlagen) an den Chersoner Frontabschnitt die ukrainische Armee am Donezker Abschnitt ohne operative Reserven zurück. Andererseits haben Russlands Streitkräfte seit dem Beginn der Teilmobilmachung die Lücken an allen Frontabschnitten vollständig geschlossen, während die Fähigkeit des Gegners, die eigenen Mobilisierungsreserven weiter auszuschöpfen, fraglich bleibt. Kasakow erklärte:
"Allem Anschein nach handelt es sich bei den 87.000 russischen Mobilisierten um diejenigen, die erst vor Kurzem die Uniform ausgezogen und nicht vergessen haben, wie man Waffen bedient. Sie müssen nicht erneut in Taktik ausgebildet werden. Ich sprach mit einem Bataillonskommandanten am Frontabschnitt Cherson. Vor zwei Wochen wurde sein Verband durch ein Hundert Mobilisierte verstärkt, sie kämpften gemeinsam mit den regulären Soldaten und waren genauso gut."
Laut dem Experten werden Mobilisierte zur Auffüllung regulärer Verbände geschickt. Dies sei das ideale Vorgehen, weil die Neuankömmlinge in bereits bestehende Verbände eingegliedert würden. Letztere verfügen auch über eigene Truppenübungsplätze für weitere Trainings.
Aus anderen Mobilisierten würden separate Panzer-, Artillerie- und Fernmeldeeinheiten formiert, die eigene Aufgaben haben, sagte Kasakow. Seiner Meinung nach wäre es sinnvoll, die zurzeit außerhalb des Gebiets der Spezialoperation ausgebildeten 213.000 Reservisten zu nutzen, um Berufssoldaten zu ersetzen. Letztere sollten dann an der Front eingesetzt werden. Er erklärte:
"Aus Berufssoldaten könnten Sturmbrigaden aufgestellt werden. Außerdem könnten die Mobilisierten die regulären Einheiten an denjenigen Frontabschnitten ersetzen, die gründlich befestigt sind."
Gleichzeitig werden russische Streitkräfte die ukrainischen Befestigungen in der DVR – Awdejewka, Slawjansk, Kramatorsk und Konstantinowka – nicht frontal angreifen. Er sagte: "Wahrscheinlich werden wir sie von hinten umgehen, und dort liegt das Gebiet Dnjepropetrowsk. Der Logik nach sollten wir in dieser Richtung in die Offensive gehen, doch ob das der wichtigste Frontabschnitt sein wird, ist unbekannt. Deshalb werden die alliierten Streitkräfte mit großer Wahrscheinlichkeit auch eine zweite Hilfsoffensive durchführen. Außerdem denke ich, dass Moskau plant, die Ukraine über den Winter ohne Zugang zum Schwarzen Meer zu lassen und eine Landbrücke nach Transnistrien zu schlagen. Doch welche Richtung Priorität hat, weiß nur Russlands Generalstab."
Übersetzt aus dem Russischen.
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