US-Strategie-Dokumente: Große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Eine Analyse von Manuela Guter
Bereits am 18. September erreichten die Pläne einer zivil-militärischen Bio-Verteidigungsstrategie das Publikum. Ein Dokument über die Nationale Sicherheitsstrategie wurde am 13. Oktober veröffentlicht. Am 27. Oktober erschien das Papier der US-Regierung über die Nationale Verteidigungsstrategie und die Revision der Nuklear- und Raketenabwehrstrategien, über die RT DE bereits berichtete.
In beiden Dokumenten sind China und Russland die Hauptfeinde. Man wolle "China aus der Konkurrenz werfen" und "Russland einschränken". Bezeichnend sind die Eingangsworte im Text der Sicherheitsstrategie: "Auf der ganzen Welt ist der Bedarf an amerikanischer Führung so groß wie nie zuvor. Wir sind mitten in einem strategischen Wettbewerb, um die Zukunft der internationalen Ordnung zu gestalten."
Interne Kritik unter Fachleuten
Das Dokument über die Nationale Verteidigungsstrategie erfährt in den USA interne Kritik unter Fachleuten. Ohne auf die umfassende Thematik im Einzelnen eingehen zu können, sei dennoch auf die offenbar realistische Sichtweise des Experten Seth Jones hingewiesen. Er ist Vize-Präsident der Denkfabrik Zentrum für Strategische und Internationale Studien (CSIS) und Direktor des "Internationalen Sicherheitsprogramms".
Seth Jones kritisierte gegenüber der Presse die Diskrepanz zwischen den hochgesteckten Zielen in den Texten und den konkreten Problemen an "der Basis der Rüstungsindustrie". Es sei nicht klar, wie man den Bedarf an aktuellen und künftigen Waffen erfüllen könne.
Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Laut Jones gebe es eine Lücke zwischen dem, was die Nationale Verteidigungsstrategie sagt, und dem, worauf die USA vorbereitet sind:
"Die Industriebasis [der Rüstungsindustrie, Anm.] ist, zumindest meiner Meinung nach, in keiner Weise darauf vorbereitet, die Chinesen zu bekämpfen, geschweige denn sie abzuschrecken."
Jones sagte, das Dokument beschreibe die Bedrohung durch China recht gut. "Was fehlt ist, was wir dagegen tun werden."
Auch fehle in der Nationalen Verteidigungsstrategie ein Eingeständnis oder eine Anerkennung dessen, worauf viele Experten bestehen. Der Krieg in der Ukraine habe aufgedeckt, dass die Vereinigten Staaten, und insbesondere die amerikanische Rüstungsindustrie, nicht ausreichend vorbereitet und positioniert seien oder über die Reserven verfügten, um große Kriege zu gewinnen.
"Ich denke, wie wir alle wissen, hat der Krieg in der Ukraine die Mängel an der Basis der US-Verteidigungsindustrie aufgedeckt [und] dasselbe für unsere europäischen Partner und Verbündeten getan", sagte Jones.
Militärische Planspiele zeigen immensen Waffenverschleiß
Er kam auch auf die militärischen Planspiele zu sprechen, die (im Format von Computer-Programmen) in seiner Forschungsinstitution durchgeführt wurden, um die Schlagkraft und Resistenz der US Army zu testen.
"Wenn Sie sich die – ungefähr zwei Dutzend Mal wiederholte – Simulation eines Kriegsgeschehens in der Straße von Taiwan ansehen (…) haben die USA dabei alles ausgegeben. (…) Die USA verbrauchten in der ersten Woche des Konflikts alle ihre gemeinsamen Luft-Boden-Raketen und präzisionsgelenkten Langstrecken-Anti-Schiffs-Raketen. Und wir haben ähnliche Kriegsspiele gesehen, die von Regierungsbehörden durchgeführt wurden", sagte Jones.
Strategie-Planer geben Detailkenntnisse von sich
Auf einem Pressetreffen des Pentagon sagte ein hochrangiger Verteidigungsbeamter gegenüber Journalisten (er hatte an dem Strategieentwurf mitgearbeitete, durfte aber nicht offiziell sprechen), dass die Strategie-Planer davon ausgingen, dass Russland wahrscheinlich im Frühherbst 2021 in die Ukraine einmarschieren würde.
Ein zweiter hochrangiger Verteidigungsbeamter, dem es ebenfalls nicht erlaubt war, sein Gesicht zu zeigen oder namentlich genannt zu werden, sagte zu Russlands "anhaltender nuklearer Bedrohung": "Ich würde nicht sagen, dass es unser Kalkül ändert, aber es fokussiert den Geist." (Im Grunde ein Eingeständnis, dass das Pentagon nicht von einem russischen Erstschlag ausgeht, sonst müsste man "das Kalkül ändern".)
Spitzen-Verteidigungssysteme angekündigt – jedoch ohne Datum.
Tom Karako, ein hochrangiger Mitarbeiter des Internationalen Sicherheitsprogramms von CSIS und Direktor des US-amerikanischen Raketenabwehrprojekts, sagte auf diesem Presse-Briefing, er habe gemischte Gefühle hinsichtlich der aktualisierten Überprüfung der Raketenabwehr im Rahmen der "Nationalen Verteidigungsstrategie" durch die Regierung. "Wir besitzen diese wirklich großartigen neuen Missionsbereiche, die ich begrüße: Verteidigung der Guam-Insel, UAS-Abwehr, Marschflugkörperabwehr, Hyperschallabwehr, Weltraumsensoren. (...) Aber es gibt keine genaue Angabe, wann sie zur Verfügung stehen."
Das sei etwas eigenartig, so Karako, weil der erste Satz im Text der Nationalen Verteidigungsstrategie sich auf das "entscheidende Jahrzehnt" bezieht. Im Text werde immer wieder darauf verwiesen. Die Frage sei, ob diese großartigen Fähigkeiten, sei es die Raketenabwehr oder etwas anderes, in diesem entscheidenden Jahrzehnt eintreffen oder auf das nächste Jahrzehnt verschoben werden.
Der Abnutzungskrieg, in den die USA Russland einbinden wollen, hat auch einen Abnutzungseffekt auf die westlichen militärischen Ressourcen. Und nicht nur auf die militärischen, sondern auch – und vor allem – auf die wirtschaftlichen Kräfte und finanziellen Reserven.
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