Könnten iranische Drohnen Russlands Militär in der Ukraine helfen?
Eine Analyse von Alexei Grjasew
Am vergangenen Montag behauptete der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, Iran bereite sich darauf vor, "mehrere hundert" unbemannte Luftfahrzeuge nach Russland zu schicken, die bei Moskaus Militäroperation in der Ukraine eingesetzt werden sollen. Iran wies diese Behauptung rundweg zurück, und Russland kommentierte sie gar nicht erst. Hingegen gaben Teheran und Moskau bekannt, dass Präsident Wladimir Putin nächste Woche die iranische Hauptstadt besuchen wird, um Gespräche mit Präsident Ebrahim Raisi zu führen.
"Gemäß unseren Geheimdienstinformationen …"
"Unsere Informationen deuten darauf hin, dass die iranische Regierung sich darauf vorbereitet, Russland kurzfristig mehre hundert unbemannte Drohnen zu liefern, einschließlich solcher, die waffenfähig sind", behauptete Sullivan, als er gegenüber Journalisten das Thema Ukraine erörterte. Daher kann man, auch wenn es nicht ausdrücklich gesagt wurde, davon ausgehen, dass die USA jetzt mit iranischen Drohnen in im Kampfgebiet in der Ukraine rechnen.
"Es ist noch unklar, ob Iran bereits Drohnen nach Russland geliefert hat", sagte Sullivan und fügte hinzu, dass das Land bereits in diesem Monat mit der Ausbildung russischer Streitkräfte für den Einsatz der Drohnen beginnen werde. "Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie Russland in Ländern wie Iran nach militärischen Fähigkeiten sucht, die bereits eingesetzt werden, um Saudi-Arabien anzugreifen", erklärte Sullivan.
In Moskau war es zum Zeitpunkt der Pressekonferenz Sullivans früher Dienstagmorgen, aber russische Offizielle gaben bisher noch keinen Kommentar zu diesem Thema ab. Es gab jedoch eine andere Nachricht aus dem Kreml, in der ankündigt wurde, dass Putin am 19. Juli Teheran besuchen werde. Die Tagesordnung und Einzelheiten des bilateralen Treffens zwischen Putin und dem iranischen Präsidenten Raisi wurden jedoch nicht bekannt gegeben.
"Es wird ein Treffen der Staatsoberhäupter der Garantiestaaten des Astana-Prozesses geben, der, wie Sie wissen, der Prozess zur Förderung einer Lösung der Krise in Syrien ist. Es wird in der Tat ein Treffen zwischen Putin, Raisi und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan geben. Neben dem trilateralen Treffen werden auch bilaterale Gespräche stattfinden", sagte der Sprecher des Kremls Dmitri Peskow.
Was Teheran betrifft, so hat es rundweg bestritten, dass es irgendwelche Pläne gibt, mit Russland zusammenzuarbeiten, indem man es mit Drohnen beliefert. Auf die Frage eines Medienvertreters nach der Behauptung, die der Nationale Sicherheitsberater der USA aufgestellt hatte, entgegnete der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanaani:
"Die Zusammenarbeit zwischen Iran und Russland bei bestimmten fortschrittlichen Technologien geht auf die Zeit vor dem Ukraine-Krieg zurück. In der jüngeren Vergangenheit gab es keine größeren Entwicklungen auf diesem Gebiet."
Was wir über das iranische Drohnenprogramm wissen
Schon bevor Russland seine Militäroperation in der Ukraine startete, hatte Washington dem iranischen Drohnenprogramm misstrauisch gegenübergestanden. Im vergangenen November hatten die USA Sanktionen gegen iranische Unternehmen eingeführt, die angeblich an der Entwicklung und Produktion von Kampf- und Aufklärungsdrohnen beteiligt gewesen waren.
Nach Angaben der USA behaupteten diese Unternehmen, an "privater Forschung" beteiligt zu sein, während sie heimlich die Entwicklung von Drohnen für die Iranische Revolutionsgarde substantiell unterstützten und internationale Finanztransaktionen zugunsten der iranischen Regierung durchführten. Letztere soll wiederum Drohnen auch an Verbündete geliefert haben – darunter auch an Gruppierungen, die von den USA als terroristische Organisationen eingestuft werden. Bemerkenswerterweise bestand das US-Finanzministerium, das die Einhaltung Sanktionen überwacht, schon damals darauf, dass iranische Drohnen "den internationalen Frieden und die internationale Stabilität bedrohen".
Denis Fedutinow, Chefredakteur des Magazins Drone Aviation, sagte RT DE, dass es sich lohnt, sich mit iranischen Drohnen zu befassen – denn das Land entwickelt solche seit den 1980er-Jahren. "Derzeit verfügt Iran über mehrere Dutzend verschiedener Typen von Drohnen, von Mini-Drohnen bis hin zu Langstreckenmodellen für mittlere Flughöhen", erklärte er.
Einige iranische Drohnen wurden von der Bauweise von US-Drohnen inspiriert. Beispielsweise ist die Qods Yasir dem Design der Boeing Insitu ScanEagle nachempfunden, die 2012 von den Iranern in ihrem Luftraum abgefangen werden konnte, während die Schahed 171 Simorgh und Saegheh-2 viel mit der RQ-170 Sentinel gemeinsam haben, die 2011 den iranischen Luftraum verletzte. Optisch dem US-amerikanischen MQ-1 Predator ähnlich, sind die Angriffsdrohnen von Typ Schahed 129 von besonderem Interesse, da sie seit 2014 eine aktive Rolle im Bürgerkrieg in Syrien spielen.
"Iran ist nicht sonderlich daran interessiert, technische Informationen über seine Drohnen mit anderen zu teilen und wird nur das enthüllen, was ihm einen Vorteil bringt. Aber zweifellos hätte eine Zusammenarbeit mit Iran den Vorteil, das das Land große Erfahrung in der Entwicklung von Drohnen hat", bemerkte Fedutinow. Trotzdem kann die iranische Technologie der türkischen Konkurrenz nicht das Wasser reichen. "Türkische Entwickler arbeiten mit den weltweit führenden Anbietern verschiedener Drohnen-Subsystemen zusammen, was es ihnen erleichtert, anspruchsvollere Geräte zu entwickeln."
Braucht Russland iranische Drohnen?
Wiktor Litowkin, ein pensionierter Oberst und Militärexperte für die Nachrichtenagentur TASS, teilte RT DE mit, dass "alle Drohnen im Wesentlichen gleich sind. Der einzige Unterschied besteht in ihrer Rolle, ihrer Nutzlast und ihrer Flugdauer und Reichweite. Iran hat keine herausragenden Drohnen, alle anderen aber auch nicht".
Auch Russland entwickelt seit geraumer Zeit eigene Drohnen. Der frühere russische Vizeministerpräsident und neue Leute von Roskosmos Juri Borissow, der für die Beaufsichtigung der Verteidigungsindustrie zuständig ist, teilte im vergangenen Monat mit, dass Russlands Militär "Zugang zu fast allen Arten unbemannter militärischer Luftsysteme hat, einschließlich Modellen für Aufklärung und Angriff, sowie taktischen, operativen und operativ-taktischen Modellen". Gleichzeitig bestreitet er nicht, dass Russland "die Vorteile von Drohnen schon viel früher hätte erkennen müssen". Auf die Frage von RT DE nach dem "Mangel an Drohnen in der russischen Armee" versprach Borissow, "die Produktion hochzufahren", und fügte hinzu: "Das braucht aber seine Zeit."
Dies kann als Zeichen gedeutet werden, dass Russland iranische Drohnen als Übergangslösung betrachtet, bis russische Drohnen in Dienst gestellt werden können. Fedutinow argumentiert, dass Moskau im Falle der Unterzeichnung eines Abkommens hauptsächlich an schweren Aufklärungs- und Angriffssystemen interessiert wäre.
"Wenn sie der russischen Armee zur Verfügung gestanden hätten, dann sehe ich kein Hindernis für den Einsatz solcher Systeme in der Ukraine. Und was zivile Opfer oder Eigenbeschuss betrifft, so tragen Drohnen hochpräzise Waffensysteme mit sich, die solche Risiken minimieren", sagte Fedutinow.
Demgegenüber äußerte Litowkin Zweifel, ob iranische Drohnen in der Ukraine eingesetzt werden könnten. "Keine Art von Waffe konnte bisher den Verlauf des Krieges ändern. Nuklearwaffen könnten das, aber eine Eskalation des Konflikts in der Ukraine zu einem Atomkrieg kommt nicht in Frage. Drohnen sind per se keine Waffen, sie sind Kampfplattformen", sagte er.
Könnte Iran Russlands Bedarf an Drohnen decken?
"Es sieht danach aus, als hätten iranische Unternehmen mit der Massenproduktion von Drohnen begonnen. Und es sieht sogar danach aus, dass sie damit begonnen haben, ihre Drohnensysteme an bestimmte Kunden zu verkaufen", sagte Fedutinow auf die Frage, ob Iran in der Lage wäre, Drohnen zu exportieren. Litowkin stimmt dem zu. Ihm zufolge "hat Iran eine beträchtliche Anzahl von Drohnen hergestellt, die derzeit gelagert werden".
"Iran ist in keine Kriege verwickelt, also braucht es diese Drohnen nicht, während Russland sie in seinem Ukraine-Feldzug einsetzen könnte. Kein Frage also, dass wir verschiedene UAV-Typen aus Iran kaufen könnten", meinte der Militärexperte.
Wladimir Saschin vom Institut für Orientalistik der Russischen Akademie der Wissenschaften, ein Iran-Experte, widerspricht dem: "Iran hat viele Gegner in der Region, darunter Israel, die Golfstaaten, Jordanien und Ägypten. Es gab sogar Vorschläge zur Gründung einer Nahost-NATO. All diese Entwicklungen halten den Druck auf Iran aufrecht, daher glaube ich nicht, dass es seine Verteidigungsfähigkeiten gefährden wird, indem das Land seine Drohnen an ein anderes Land abgibt."
Saschin hat auch Zweifel an Teherans Fähigkeit zur Massenproduktion und zum Export von Drohnen: "Iran liefert Drohnen an seine Verbündeten, hauptsächlich an die Huthi im Jemen. Und die Anzahl liegt kaum in den Hunderten, in den Dutzenden wären eine realistischere Schätzung, wobei wir nicht einmal wissen, welche Modelle geliefert werden. Neben militärischen Drohnen stellt Iran aber auch einfachere Modelle her, die man fast als Spielzeuge bezeichnen könnte. Ich glaube nicht, dass Iran in der Lage ist, den Produktionsumfang in so kurzer Zeit zu steigern. Die Systeme, die derzeit in Iran hergestellt werden, können kaum breit exportiert werden."
Was spricht noch dagegen?
"Ich denke nicht, dass es vor dem 24. Februar irgendwelche Pläne gab, Drohnen nach Russland zu verkaufen. Vielleicht gab es danach einige Gespräche darüber, aber ich bezweifle, dass tatsächlich etwas passieren wird", sagte Saschin.
Er glaubt, dass auch politische Erwägungen mit im Spiel sind: "Iran steht dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine neutral gegenüber. Die Position Irans ist, dass so bald wie möglich ein Waffenstillstand erreicht werden sollte. Ich glaube daher nicht, dass es plant, für eine Seite Partei zu ergreifen, indem man Russland mit Drohnen beliefert und sich somit dem Westen widersetzt."
Saschin gab auch zu bedenken, dass Teheran stark in die Wiener Gespräche über die Wiederaufnahme des iranischen Atomabkommens eingebunden sei, das von der Regierung von Donald Trump einseitig für nichtig erklärt worden war.
"Iran will, dass diese Wiederaufnahme zustande kommt, weil das dazu führen würde, dass die westlichen Sanktionen gegen das Land aufgehoben werden. Die Europäische Union, Japan und andere Länder unterstützen Teheran in dieser Angelegenheit. Sie können es kaum erwarten, dass die Sanktionen gelockert werden, denn das wird ihnen einen sofortigen Zugang zur iranischen Wirtschaft verschaffen, die sich derzeit in einer Notlage befindet. Teheran benötigt dringen externe Investitionen in allen Branchen. Und Iran braucht Technologie. Offensichtlich kann Russland dem Land jedoch nicht helfen, während die EU und Japan dies können", erklärte Saschin.
Durch die Lieferung von Drohnen an Russland wäre Iran einem noch größeren Druck aus dem Westen ausgesetzt, was seine zukünftigen Partnerschaften mit Ländern gefährden würde, die Investitionen und Technologie bereitstellen könnten. "Das ist nicht die Art von Risiko, die Iran einzugehen bereit ist, eine solche Konstellation nützt ihm nichts", fügte Saschin hinzu.
Auch ein Handel hinter den Kulissen zwischen Moskau und Teheran sei nicht möglich, sagte der Experte. "In heutiger Zeit würde so ein Handel nur wenige Stunden geheim bleiben. Auch wenn Iran seine Drohnen heimlich an Russland liefern würde, so würden diese spätestens im Kampfgebiet entdeckt. Dies brächte Iran in eine schwierigere Situation", so Saschin.
Mehr zum Thema - Bericht: Russische Delegation besucht Flugplatz in Iran für Vorführung iranischer Kampfdrohnen
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Übersetzt aus dem Englischen
Alexei Grjasew ist ein russischer Journalist mit den Schwerpunkten Politik, Philosophie und militärische Auseinandersetzungen.
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