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NATO-Verteidigungsminister beraten über neues Waffen-Paket für die Ukraine

Bei einem zweitägigen Treffen besprechen NATO-Verteidigungsminister die Aufstockung der Waffenlieferungen an die Ukraine sowie die Anträge Schwedens und Finnlands auf Beitritt zum transatlantischen Militärbündnis. Allerdings zeichnen sich Hindernisse ab.
NATO-Verteidigungsminister beraten über neues Waffen-Paket für die UkraineQuelle: AP © AP Photo/Olivier Matthys

Weniger als zwei Wochen vor einem Gipfel der NATO-Staats- und Regierungschefs in Madrid treffen sich in dieser Woche die Verteidigungsminister der NATO, um über die Aufstockung der Waffenlieferungen an die Ukraine sowie über die Anträge Schwedens und Finnlands auf Beitritt zum transatlantischen Militärbündnis zu beraten. Ihr zweitägiges Treffen in Brüssel begann an diesem Mittwoch vor dem Hintergrund weiterer Forderungen der ukrainischen Regierung nach mehr und schwereren Waffen, um die russischen Truppen abzuwehren. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte vorab, die Mitglieder des Bündnisses seien "entschlossen, der Ukraine weiterhin die militärische Ausrüstung zur Verfügung zu stellen, die sie braucht, um sich durchzusetzen, einschließlich schwerer Waffen und Langstreckensysteme".

Wie es am Mittwoch hieß, will die NATO die Ukraine noch stärker beim Umstieg auf westliche Waffensysteme unterstützen. Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte am Rande eines Verteidigungsministertreffens, er erwarte, dass sich die Alliierten beim Gipfeltreffen Ende Juni in Madrid auf ein umfassendes Unterstützungspaket einigen. Dieses solle auch den Übergang von Ausrüstung aus der Sowjetzeit zu moderner NATO-Ausrüstung und die Interoperabilität mit dem westlichen Militärbündnis erleichtern. 

Bislang nutzt die Ukraine überwiegend Ausrüstung, die noch in der Zeit der früheren Sowjetunion entwickelt wurde. Das erschwert es dem Westen, geeigneten Nachschub an Waffen und Munition zur Verfügung stellen.

Die Vorbereitungen für die Unterstützung laufen bereits seit längerem. Stoltenberg hatte im April gesagt, die NATO arbeite daran, der Ukraine beim Umstieg auf Waffen und Systeme nach NATO-Standard zu unterstützen. Der Übergang erfordere viel Wissensaustausch und Know-how, erklärte der Norweger am Mittwoch. Es sei eine Herausforderung, von den älteren auf modernere Systeme umzusteigen.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin ist Gastgeber des Treffens von rund 50 Nationen, bei dem die Waffenlieferungen an die Ukraine erörtert werden sollen. Die Ukraine müsse mehr schwere Waffen von der NATO erhalten, ließ Stoltenberg bereits am Dienstag im Vorfeld des Treffens einer von den USA geleiteten "Kontaktgruppe", die Richtung durchklingen. Die NATO versuche, sich an die "ständig wechselnden" Forderungen Kiews anzupassen, sagte dazu der US-Gesandte.

Zuvor hatte Stoltenberg Schweden und Finnland besucht, die einen Antrag auf Beitritt zur NATO gestellt haben, aber aufgrund türkischer Einwände wahrscheinlich nicht offiziell zum Gipfeltreffen vom 29. bis 30 Juni in Madrid eingeladen werden. Aber der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij sei laut Stoltenberg bei dem Madrider Gipfel eingeladen worden, entweder persönlich oder per Videokonferenz zu sprechen.

Unter anderem fordert die Ukraine moderne Raketenabwehrwaffen, laut dem ukrainischen Präsidenten Selenskij wird er in diesen Tagen Gespräche über die Lieferung solcher Systeme führen, allerdings sagte er nicht, mit wem er sprechen werde - es seien aber nicht nur europäische Politiker. "Wir wiederholen gegenüber unseren Partnern, dass die Ukraine moderne Raketenabwehrwaffen benötigt", sagte Selenskij.

Laut der stellvertretenden ukrainischen Verteidigungsministerin Hanna Malyar hat die NATO bisher lediglich 10 Prozent der von Kiew angeforderten Waffen geliefert.

"Egal wie sehr sich die Ukraine anstrengt, egal wie professionell unsere Armee ist, ohne die Hilfe westlicher Partner werden wir nicht in der Lage sein, diesen Krieg zu gewinnen", sagte Malyar in einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz am Dienstag.

Die Ukraine sei bisher nicht in der Lage, Parität herzustellen und würde 5.000 bis 6.000 Artilleriegeschosse pro Tag einsetzen, während Russland zehnmal mehr einsetze. Allerdings gehen Beobachter davon aus, dass die Ukraine mit den Forderungen auch versucht, den Vorkriegsbestand wiederherzustellen, zudem verändern sich die Angaben dessen, was benötigt wird, sehr oft. Nach Angaben des Pentagons konzentrierten sich die Bemühungen zunächst um die Versorgung der Ukraine auf tragbare Panzerabwehr- und Flugabwehrraketen, verlagern sich angesichts der Art der derzeitigen Kämpfe im Donbass auf Panzer und schwere Artillerie.

Laut Michail Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten, benötigt Kiew dringend 1.000 Haubitzen, 300 Mehrfachraketen, 500 Panzer, 2.000 gepanzerte Fahrzeuge und 1.000 Drohnen.

Während die USA bisher vier HIMARS-Raketenwerfer zugesagt haben, teilte der Berater des US-Verteidigungsministers, Colin Kahl, am Dienstag mit, dass diese mit schweren Lenkraketen mit einer Reichweite von 70 Kilometern ausgestattet werden sollen. Bei einer Veranstaltung des Center for New American Security prophezeite Kahl am Dienstag außerdem die Pläne des russischen Präsidenten Wladimir Putin für die Ukraine: "Ich glaube immer noch, dass er Pläne für einen bedeutenden Teil der Ukraine hat, wenn nicht sogar für das ganze Land. Allerdings glaube er nicht, dass Russland diese Ziele erreichen könne.

Unterdessen ist US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Brüssel, wo er die Sitzung der Kontaktgruppe für Verteidigungsfragen in der Ukraine leitet. Laut einem ungenannten US-Beamten, der in der Pressemitteilung des Pentagon zitiert wird, "wissen die Ukrainer selbst am besten, womit sie es zu tun haben, und wir suchen aktiv nach ihren Informationen über die Bedingungen auf dem Schlachtfeld".

"Im Allgemeinen halten wir ihre Einschätzungen für zuverlässig und stichhaltig", so der US-Beamte weiter. Die Verteidigungsminister, die diese Woche zusammentreffen, wollen auch die Verstärkung der Streitkräfte an der Ostflanke der NATO und anderswo erörtern, die seit der Militäroperation Russlands in der Ukraine an Tempo gewonnen hat. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits in der vergangenen Woche angekündigt, dass Deutschland seine Truppenpräsenz in Litauen weiter ausbauen wird. In dem an die russische Exklave Kaliningrad grenzenden Land beteiligt sich die Bundeswehr bereits jetzt mit mehr als 1000 Soldaten an der Sicherung der NATO-Ostflanke.

"Dies bedeutet mehr Präsenz, mehr Fähigkeiten und eine höhere Bereitschaft, mit mehr NATO-Kampftruppen vor Ort, um unsere Gefechtsverbände im Osten zu stärken, mehr Luft-, See- und Cyberabwehr, vorbereitete Ausrüstung und Waffenlager", so Stoltenberg. Vor allem die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen dringen seit Beginn des Krieges in der Ukraine auf eine deutlich größere Unterstützung durch Bündnispartner. Zudem ist geplant, Strukturen aufzubauen, die im Fall einer konkreten Bedrohung eine noch schnellere Verstärkung der vor Ort befindlichen Kräfte ermöglichen. Dazu ist nach Angaben von Stoltenberg vorgesehen, das Bereitschaftsniveau von Truppen zu erhöhen und bestimmte Streitkräfte speziell auf die Verteidigung einzelner Länder vorzubereiten.

Auf einen Zeitrahmen für den Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO wollte sich Stoltenberg nicht festlegen. Da er die nordischen Länder beschuldigt, kurdische Kämpfer zu unterstützen, blockiert der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Beitrittsgesuche.

"Mein Ziel ist es, dieses Problem so schnell wie möglich zu lösen, da aber mehrere Nationen an diesem Prozess beteiligt sind, kann ich Ihnen nicht genau sagen, wann wir es lösen werden", sagte Stoltenberg. Wegen der Bedenken der Türkei "wird dies etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen, als wir ursprünglich erwartet haben", so der NATO-Sprecher.

Allerdings betonte Erdogan in einer Rede vor den Abgeordneten seiner Regierungspartei jüngst erneut: "Wir werden unsere Haltung ganz sicher nicht ändern, bis Schweden und Finnland klare, konkrete und entschlossene Schritte im Kampf gegen den Terrorismus unternehmen".

Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace sieht es als das Ziel des NATO-Gipfels in Madrid Ende Juni an, sicherzustellen, "dass Schweden und Finnland erfolgreich den nächsten Schritt in Richtung NATO-Beitritt gehen”, wie er am Mittwoch sagte. "Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir die Bedenken der Türkei anhören und verstehen und darauf hinarbeiten, dass die Türkei den Beitritt unterstützt und dass wir diese Bedenken entkräften können", so Wallace.

In Übereinstimmung mit der bisherigen britischen Linie warb Wallace für Waffenlieferungen und betonte, dass der Westen mehr tun müsse, um die Ukraine im Kampf gegen die viel besser ausgerüsteten russischen Truppen zu unterstützen. "Die ukrainischen Streitkräfte im Osten des Landes stehen zum Teil seit 90 Tagen an der Frontlinie. Sie sind erschöpft. Sie sind oft, was die Artillerie betrifft, zahlenmäßig sehr, sehr stark unterlegen".
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie der Widerspruch zu den Einschätzungen beispielsweise des US-Beraters Kahl, dass die Ukraine standhaft bleiben werde, in der Praxis umgesetzt werden soll.

Sevim Dagdelen, Obfrau der Fraktion Die Linke im Auswärtigen Ausschuss und Sprecherin für Internationale Politik, warnte jedoch, dass die Bundesregierung mit der Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine in den nächsten Monaten die Gefahr einer direkten deutschen Kriegsbeteiligung erhöhe.
Anlässlich der Beratungen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel über weitere Waffenlieferungen, zu denen US-Verteidigungsminister Lloyd Austin 50 Staaten ins NATO-Hauptquartier geladen hat, mahnte Dagdelen weiter:

"Durch die massiven Waffenlieferungen wird inzwischen ein Stellvertreterkrieg Russlands und der NATO in der Ukraine geführt. Gerade mit der Lieferung von Raketenwerfern, mit denen die Ukraine in der Vergangenheit auch zivile Wohngebiete im Donbass beschossen hat, droht die Ausweitung des Krieges hin zu einem dritten Weltkrieg." Die Bundesregierung müsse umgehend eine neue diplomatische Initiative für einen sofortigen Waffenstillstand starten, statt immer neue Waffen zu liefern.

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