"An die Kredit-Nadel": Neue Waffenlieferungen an Kiew offenbaren die US-Strategie der Spannung
Eine Analyse von Irina Taran und Maxim Lobanow
John Kirby drückte seine Zuversicht aus, dass der Antrag des US-Präsidenten Joe Biden an den Kongress genehmigt wird, zusätzliche Gelder bereitzustellen, sodass die USA "ununterbrochene Unterstützung für die Ukraine leisten können". Zuvor unterzeichnete der "Chef" im Weißen Haus in Washington, D.C. ein Gesetz über die Lieferung von Waffen an Kiew im Rahmen eines neuerlichen Lend-Lease Acts [Ukraine Democracy Defense Lend-Lease Act of 2022]. Den Experten zufolge offenbart dies eine Strategie der USA, die Spannungen in der Ukraine möglichst zu erhöhen.
Der Pentagon-Sprecher John Kirby erklärte, dass die noch verbleibenden 100 Millionen Dollar Militärhilfe der US-Behörde für Kiew bereits in diesem Monat auslaufen werden.
"Von dem, was durch die laufenden Verpflichtungen vorgesehen ist, verbleiben 100 Millionen Dollar ... Diese Summe reicht ungefähr bis zur dritten Woche dieses Monats, so lautet unsere grobe Schätzung. Deshalb bestehen wir weiterhin darauf, dass der Kongress den Antrag des Präsidenten über zusätzliche Hilfsmittel so schnell wie möglich genehmigt, damit wir der Ukraine ununterbrochene Hilfe leisten können", sagte Kirby bei einem Briefing.
Dabei ist Kirby zuversichtlich, dass die Anfrage von Joe Biden an den Kongress genehmigt wird, da beide Kammern im Kongress einen parteiübergreifenden Konsens über die Lage in der Ukraine haben. Dennoch rief er die Abgeordneten zur raschen Zustimmung auf. Nach seinen Worten sei "die Zeit von entscheidender Bedeutung".
"Wir erhalten genügend [positive] Signale vom Kongress, die Hilfe an die Ukraine wird von beiden Parteien unterstützt. Alles, was dort zu hören ist, deutet darauf hin, dass Maßnahmen bezüglich zusätzlicher Gelder ergriffen werden und dem Antrag entsprochen wird. Das schließt unseren Wunsch nicht aus, möglichst schnell zu handeln, damit es keine Rückschläge gibt", sagte der Pentagon-Pressesprecher.
Kirby betonte zudem, dass Washington die Intensität der Lieferungen von Waffen an Kiew nicht senken werde.
"Was das Tempo [der Lieferungen] betrifft, so wird es dasselbe sein wie bisher", sagte er.
Kirby räumte auch ein, dass es den ukrainischen Streitkräften an Ausbildung für einige gelieferte Waffen fehle, wie etwa für Haubitzen, weswegen das Pentagon dem ukrainischen Militär in der Handhabung dieser Artilleriegeschütze zur Seite stehe.
Zuvor unterzeichnete der Präsident im Weißen Hauses ein Gesetz über die Weitergabe von Waffen an die Ukraine im Rahmen einer Neuauflage vom historischen Lend-Lease Act.
"Das Gesetz ermächtigt die Administration im Verlauf des Haushaltsjahres 2023, im Rahmen des Lend-Lease-Programms militärische Ausrüstung an die Ukraine und andere osteuropäische Länder zu liefern. Dieses Gesetz entbindet die Regierung von der Einhaltung bestimmter gesetzlicher Regelungen, die das Verleihen oder Liefern von militärischer Ausrüstung an das Ausland regulieren, wie etwa die Begrenzung der Leihfrist auf fünf Jahre oder die Forderung gegenüber den Empfängerländer, alle Kosten zu tragen, die den Vereinigten Staaten beim Leasing von Rüstungsgütern entstehen", so das Pentagon in einer Presseerklärung.
Zudem forderte Biden den Kongress auf, seinen Antrag auf zusätzliche Budget-Zuweisungen in Höhe von mehr als 30 Milliarden Dollar zu genehmigen, die hauptsächlich als militärische Unterstützung für Kiew verwendet werden sollen.
"Es besteht ein dringender Bedarf. Die Ressourcen habe ich fast aufgebraucht, die mir von einer überparteilichen Mehrheit im Kongress zur Unterstützung der ukrainischen Kämpfer zur Verfügung gestellt wurden", so Biden in einer Erklärung auf der Webseite des Weißen Hauses. "Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Hilfslieferungen stoppen, während wir weitere Schritte des Kongresses abwarten. Diese Frist läuft in etwa zehn Tagen ab."
US-Lieferungen und deren Liquidierung
Zur Erinnerung sei erwähnt, dass Washington seit Beginn der russischen Sonderoperation in der Ukraine rund 3,8 Mrd. US-Dollar an Militärhilfe für Kiew bereitgestellt hat, so laut Angaben des Pentagon.
Die Rede ist insbesondere von 5.500 Panzerabwehrlenkraketen (ATGMs) Javelin sowie tragbaren SAM Stinger, Panzerabwehrsystemen AT-4, taktischen Drohnen, Granatwerfern, Gewehren, Pistolen und Schrotflinten. Darüber hinaus berichtete das Pentagon letzte Woche über die Lieferung von 80 US-amerikanischen Haubitzen an die Ukraine.
Unterdessen hat Russland bereits wiederholt die Vernichtung ganzer Lieferungen US-amerikanischer und anderer westlicher Waffen in der Ukraine gemeldet. So berichtete der offizielle Vertreter des russischen Verteidigungsministeriums Generalmajor Igor Konaschenkow am 7. Mai über die Zerstörung einer großen Ansammlung von den USA und anderen westlichen Länder gelieferten Waffen in der Nähe eines Bahnhofs in der Region Charkow.
Über eine Liquidierung US-amerikanischer und westlicher Waffen in der Ukraine berichtete das Verteidigungsministerium ebenso wiederum am 8. Mai.
"Hochpräzise Flugkörper der russischen Luftwaffe zerstörten Waffen und militärische Ausrüstung der USA und westlicher Länder, die an den Bahnhof Sol in der Nähe der Siedlung Soledar geliefert wurden", sagte Konaschenkow bei einem Briefing.
"Meister der Aufrüstung"
Nach den Worten von Alexei Podberjoskin, Direktor des MGIMO-Zentrums für militärische und politische Studien, belegen die jüngsten Äußerungen von Kirby und Biden über Waffenlieferungen in die Ukraine, dass die Vereinigten Staaten eine Strategie "der Verschärfung von Spannungen, der Anwendung von Gewalt und von militärischen Maßnahmen gegen das russische Militär mittels der ukrainischen Streitkräfte" verfolgen.
"Washingtons gegenwärtige Strategie wird von einer absoluten Mehrheit des Kongresses, der Mitglieder des Repräsentantenhauses und des Senats, unterstützt. In diesem Sinne ist mit keiner abrupten Kehrtwende zu rechnen, etwa im Hinblick auf die Eindämmung der Waffenlieferungen in die Ukraine. Während die USA dies als "Hilfe" bezeichnen, handelt es sich in Wirklichkeit um eine militärisch-technische Stimulierung der Aggressionsbereitschaft [oder des Konfliktpotentials] Kiews, was eine gewaltsame Auseinandersetzung mit Russland provoziert. Man sollte sich keiner Illusion hingeben – diese Politik Washingtons wird sich weiter verschärfen", äußerte der Experte im Gespräch mit RT.
Laut Podberjoskin ist die Methode, wie Washington Waffen an die Ukraine liefert, insbesondere das leihweise Liefern (Lend-Lease), "für die Vereinigten Staaten einfach sehr praktisch".
"Die Amerikaner zwingen der Ukraine einen Kreditvertrag auf, wonach die dann selbst für diese Lieferungen aufkommt. Die Vereinigten Staaten setzen Kiew faktisch an die Kredit-'Nadel'. Nicht genug damit, dass die ukrainische Regierung die Interessen der USA vertritt, sie wird auch noch aus dem Staatsbudget dafür bezahlen", so der Analyst.
Podberjoskin ist der Auffassung, dass die Worte von Kirby und Biden über die Befürwortung des Antrags des US-Präsidenten im Kongress darauf hindeuten, dass die Initiative sehr wahrscheinlich beide Kammern passieren wird und die Lieferungen von US-Waffen an die Ukraine "nur zunehmen werden".
"Washington könnte damit beginnen, taktische Offensivraketen zu übergeben, bevor es möglicherweise dazu übergeht, Langstrecken-Mehrfachraketenwerfer zu liefern. Die USA wollen dem Anschein nach die russischen Grenzgebiete gefährden, weil solche Waffen eine hohe Zielgenauigkeit haben. Auch Lieferungen von S-300 durch Washingtons Verbündete wie Zypern oder Polen sind nicht auszuschließen. Doch das Problem für die Streitkräfte der Ukraine ist, dass sie nicht wissen, wie sie diese Waffen effektiv einsetzen können", so der Experte.
Wie Podberjoskin betont, gibt es außerdem keine Garantie dafür, dass die US-Waffenlieferungen die ukrainischen Streitkräfte überhaupt erreichen, zumal die russischen Truppen die Transportinfrastruktur für die Lieferung von Waffen sowie die entsprechenden Lager stetig eliminieren. Die Waffen, welche trotzdem bis zu den ukrainischen Streitkräften gelangen, werden nach Ansicht des Experten nicht in der Lage sein, den Verlauf der russischen Spezialoperationen in der Ukraine wesentlich zu beeinflussen.
"Solch eine Art von Lieferungen ist nicht in der Lage, das Kräfteverhältnis grundlegend zu verändern, sie werden das Ergebnis der Spezialoperation und deren Wirksamkeit nicht beeinflussen. Mit diesen Waffen ist den ukrainischen Streitkräften nicht mehr geholfen", sagte Podberjoskin.
Laut dem pensionierten Oberst Wiktor Baranjez gegenüber RT profitieren letztlich die US-Amerikaner davon, dass die ukrainischen Streitkräfte bildlich "in amerikanischen Waffen baden", doch auch er betont, dass ein Großteil dieser Lieferungen entweder von der russischen Seite liquidiert wird oder gar auf dem Schwarzmarkt landet.
"Und das ungeachtet systematischer und regelmäßiger Lieferungen von Waffen in die Ukraine. Die Vereinigten Staaten tun dies, um die ukrainische Seite in ihre Konfrontation mit Russland hineinzuziehen. Die USA sind Weltmeister darin, die Ukraine aufzurüsten", so der Analyst.
Nach Ansicht von Baranjez scheitern die Pläne Washingtons an den russischen Streitkräften, die ihre Aufgaben zur Demilitarisierung der Ukraine konsequent und effektiv umsetzen.
"Das russische Militär unterbindet die Lieferwege für Waffen. Aus dem russischen Verteidigungsministerium wird regelmäßig über die Zerstörung von Waffen- und Munitionslagern berichtet, was in der jetzigen Phase des Sondereinsatzes von strategischer Bedeutung ist. Je mehr Russland die Lieferungen der USA und des Westens im Allgemeinen zunichtemacht, je gezielter es die Arterien für solche Lieferungen kappt, desto schneller begreift der Westen, dass die Bereitstellung seiner Waffen keine Bedeutung hat und sinnlos ist", so der Experte abschließend.
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Übersetzt aus dem Russischen
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