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Wissenschaftler fordern Ende der Gain-of-Function-Forschung

Die "Hamburger Erklärung 2022" möchte über einen Aufruf und dessen mediale Verbreitung die "Beendigung der hoch risikoreichen Gain-of-Function-Forschung" erreichen. Diese habe das "Potenzial der Auslöschung großer Teile der Weltbevölkerung". Zu den Unterzeichnern gehört auch der Hamburger Professor Roland Wiesendanger.
Wissenschaftler fordern Ende der Gain-of-Function-ForschungQuelle: Gettyimages.ru © picture alliance / Kontributor

Zwei Ereignisse rückten den Begriff "Gain-of-Function" in den Fokus der Öffentlichkeit. Dazu zählt die Veröffentlichung der sogenannten Fauci-Mails im September des Jahres 2021 und jüngst getätigte Aussagen des Chef-Virologen der Berliner Charité, Dr. Christian Drosten. Der Begriff "Gain-of-Function-Forschung" bezieht sich auf die Modifizierung und Erhöhung der Übertragbarkeit tierischer Viren, um deren Wirkung auf den Menschen besser untersuchen zu können. Dieser Forschungszweig dient Kritikern vor allem argumentativ mit Hinblick auf die Labor-Hypothese zum Ursprung des Coronavirus.

Dr. Anthony Fauci war bereits unter Ex-Präsident Trump der leitende Berater des Weißen Hauses zu COVID, und er ist es auch unter dem jetzigen Amtsinhaber Joe Biden. Nach der Veröffentlichung von Dokumenten im Herbst 2021 musste Fauci zugeben, dass seine Behörde trotz früherer Dementis gefährliche Gain-of-Function-Forschungen in Wuhan, China, mitfinanziert hatte. Die Dokumente, mit einem Umfang von mehr als 900 Seiten, die der US-Nachrichtenseite The Intercept  zugespielt wurden, enthielten bisher unveröffentlichte Zuschussanträge einer in den USA ansässigen Organisation. Diese hatte Staatsgelder an das umstrittene Wuhan Institute of Virology (WIV) in China weitergeleitet.

Der COVID-Berater der Bundesregierung, Christian Drosten, wurde zu Beginn des Jahres ebenfalls zur Causa Gain-of-Function-Forschung über diverse Medien inhaltlich konfrontiert und attackiert.

Drosten hatte während des gesamten Zeitraums der Coronakrise immer wieder beteuert, dass Berichte und Artikel bezüglich einer Verbindung zwischen dem Coronavirus und der Gain-of-Function-Forschung in den Bereich sogenannter Verschwörungsmythen gehörten. Doch vor allem seine Aussage in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung am 8. Februar wird nun in Erinnerung bleiben.

Angesprochen auf die Tatsache, dass in einem Hochsicherheitslabor in Wuhan Experimente durchgeführt wurden, um Viren neue Eigenschaften zu verleihen, wurde der Virologe um seine persönliche Einschätzung gebeten. Diese lautete:

"Es wurden in Wuhan durchaus Sachen gemacht, die man als gefährlich bezeichnen könnte."

Der Hamburger Nanowissenschaftler Prof. Dr. Roland Wiesendanger gilt in der aktuellen Diskussion als vehementester Kritiker Drostens. Dieser hatte Wiesendanger auf dessen Kritik hin als Extremcharakter bezeichnet und medial vorgetragene Argumente des Professors dem "Andeutungs- und Wertungsbereich" zugeordnet. Wiesendanger reagierte nun als Mitautor der Hamburger Erklärung 2022. Diese wurde am 22. Februar veröffentlicht und fordert zur umgehenden "weltweiten Beendigung der hoch risikoreichen "Gain-of-Function-Forschung an Krankheitserregern mit weltweitem Pandemie-Potenzial" auf. Gemeinsam mit über 45 internationalen Forscherkollegen möchte Wiesendanger durch diese Erklärung darauf aufmerksam machen, dass nach der aktuell laufenden Coronawelle theoretisch – und aufgrund der heutigen Erkenntnisse nicht völlig abwegig – die Gefahr bestehe, dass in Laboren noch weitaus gefährlichere Viren entstehen könnten. So heißt es in der Hamburger Erklärung zu Beginn:

"Im Bewusstsein des Auftrags und der Verantwortung von Wissenschaft und Forschung, dem Wohle der Menschheit zu dienen, nach Wahrheit zu streben und die gewonnenen Erkenntnisse der breiten Bevölkerung zu vermitteln, möchten die Unterzeichner dieser Erklärung auf eine große Bedrohung für das menschliche Dasein aufmerksam machen, welche sich in den vergangenen Jahren durch neuartige biotechnische Verfahren zur Veränderung gefährlicher Krankheitserreger ergeben hat."

Des Weiteren heißt es zu der Motivation der Erklärung in dem Text:

"Durch die sogenannte 'Gain-of-function' Forschung werden natürlich vorkommende Viren durch Veränderungen der Gensequenz so angepasst, dass ihr Andocken an und Eindringen in menschliche Zellen erleichtert wird. Dadurch entsteht ein enormes Potenzial einer Pandemie, auf welches verantwortungsvolle Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in den vergangenen zehn Jahren immer wieder hingewiesen haben."

Die gegenwärtige Corona-Pandemie zeige klar, was es bedeuten würde, wenn "Krankheitserreger extrem leicht von Mensch zu Mensch übertragbar" seien. In Bezug auf ihr Anliegen formulieren die Unterzeichner der Hamburger Erklärung eindeutige Sorgen und Befürchtungen:

"Es gibt Hinweise darauf, dass in diversen Biotechnologielaboren der Welt sehr viel gefährlichere Viren wie MERS-, Ebola- oder Nipah-Viren gentechnisch manipuliert werden. Der Ausgang solcher Experimente ist oftmals schwer oder gar nicht vorhersagbar. Kein Biotechnologielabor der Welt ist jedoch sicher genug, um einen Austritt solcher gentechnisch veränderter Viren garantiert ausschließen zu können."

Die Forderung und der damit verbundene Appell an die Politik und ausführende Wissenschaft ist ebenfalls unmissverständlich dargelegt: 

"Dennoch appellieren wir an alle Politiker und Politikerinnen der Welt, dafür Sorge zu tragen, diese 'Gain-of-function' Forschung an Krankheitserregern mit weltweitem Pandemie-Potential umgehend zu beenden."

Das mit dieser Forschung einhergehende Risiko und das "Potenzial der Auslöschung großer Teile der Weltbevölkerung" seien laut der Erklärung "nicht weiter verantwortbar". Daher fordern die Unterzeichnenden, dass der notwendige Stopp dieses Wissenschaftszweigs "durch eine unabhängige internationale Aufsichtsbehörde kontrolliert und kontinuierlich überwacht wird." Der Chef-Virologe der Berliner Charité Drosten lässt in seiner Institution ebenfalls im Bereich Gain-of-Function forschen. Der RAPID-Verbund erhielt für die erweiterte Infektionsforschung für die Jahre 2020 bis 2023 eine Förderung durch die Bundesregierung in Höhe von 759.355 Euro:

Abschließend resümieren die Wissenschaftler, dass zum einen "sich viele Chancen zur Verbesserung menschlichen Lebens" zeigen würden, aber sich daraus auch automatisch eine große Verantwortung "zum Erhalt der Schöpfung" ergäbe. Die abschließende Bitte lautet:

"Nehmen wir diese Verantwortung ernst, bevor es zu spät ist."

Neben Professor Roland Wiesendanger aus Deutschland finden sich internationale Unterzeichner aus mehreren wissenschaftlichen Bereichen, wie der Immunologie, Virologie, Mikrobiologie, Chemie, Nanowissenschaften, Genetik, Physik und vielen weiteren. So zeichneten die Erklärung Forschende und Lehrende der Stanford-Universität, des Max-Planck-Instituts,  sowie Wissenschaftler von deutschen, französischen, britischen, amerikanischen und japanischen Forschungseinrichtungen. Am Ende der Erklärung findet sich die gesamte Liste aller Unterzeichner.

Mehr zum Thema - Wuhan-Causa eine "koordinierte Verschwörung" – Wiesendanger holt wieder gegen Drosten aus

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