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Angst vor Blackouts: Europäische Gaspreise steigen nach Stopp von Nord Stream 2 wieder an

Während Nord Stream 2 laut Experten vor den derzeit hohen Weltmarktpreisen schützen könnte, hat die Verzögerung der Zertifizierung die Gaspreise erneut verteuert. Die Inbetriebnahme der Ostsee-Gaspipeline könnte sich bis ins kommende Jahr hinziehen.
Angst vor Blackouts: Europäische Gaspreise steigen nach Stopp von Nord Stream 2 wieder anQuelle: www.globallookpress.com © Karl-Josef Hildenbrand/ dpa/ Global Look Press

Der Winter steht vor der Tür, doch könnte er es noch bis in die Wohnungen schaffen. Diesmal ist es aber noch schwieriger als bisher, auf den Kreml als Verantwortlichen zu zeigen. Der niederländische Gaspreis für den nächsten Monat, der als Maßstab für Europa gilt, stieg am Mittwoch um 8 Prozent auf 101,60 Euro pro Megawattstunde (MWh). Der Preis ist damit im November um fast 60 Prozent gestiegen, womit er aber noch unter dem Höchststand von 155 Euro vom 6. Oktober liegt.

Die Bundesnetzagentur hat am Dienstag erklärt, dass sie die Zertifizierung von Nord Stream 2 gestoppt habe, das Genehmigungsverfahren für die Inbetriebnahme wurde vorläufig ausgesetzt. Zunächst müsse das in der Schweiz ansässige Betreiber-Konsortium hinter der Pipeline eine Tochtergesellschaft nach deutschem Recht gründen, um eine Betriebsgenehmigung zu erhalten.

Das Verfahren zur Zertifizierung durch die Energieregulierungsbehörde ist Voraussetzung für den Gastransport in den deutschen Binnenmarkt. Die Nord Stream 2 AG mit Sitz im schweizerischen Zug verwies daraufhin auf die notwendige Gründung einer Tochtergesellschaft nach deutschem Recht.

Laut einer von Reuters zitierten Quelle aus Regierungskreisen könnte sich der Start von Nord Stream 2 damit bis März 2022 hinschleppen. Brüsseler Analysten zufolge könnte sich der Prozess sogar noch bis April oder gar August 2022 hinziehen, da auch Brüssel erst noch grünes Licht geben muss, nachdem die deutschen Regulierungsbehörden ihre Empfehlung abgegeben haben.

Die Verzögerungen im Genehmigungsverfahren weckten Befürchtungen, dass es in Europa, das ein Drittel seines Gases aus Russland bezieht, zu Stromausfällen kommen könnte. Dass die Gasspeicher in Deutschland und Österreich schlecht gefüllt sind, ist bereits bekannt. Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft waren die von Gazprom belieferten Anlagen in Deutschland Ende Oktober nur zu 21 Prozent gefüllt, unterdurchschnittlich im Vergleich zu den Gasspeichern anderer Länder.

In den vergangenen Wochen hatten gestiegene Energiepreise die Inflationsrate in die Höhe getrieben, einige nicht neutrale Beobachter benannten Moskau als Sündenbock. Aus am Mittwoch veröffentlichten Daten geht jedoch hervor, dass die Inflationsraten sowohl in der Europäischen Union als auch in Großbritannien im Oktober auf über 4 Prozent gestiegen sind und damit die Zielvorgaben der Zentralbank um mehr als das Doppelte überstiegen haben. Beispielsweise seien allein für britische Verbraucher die Gaspreise um 28 Prozent in die Höhe geschnellt.

Der Gaspreis für den Beginn des nächsten Jahres ist ebenfalls gestiegen, da der Markt jetzt erst gegen Ende der Heizperiode mit größeren Gaszuflüssen durch Nord Stream 2 rechnet. Die Nachfrage könnte dann bereits ihren Höhepunkt überschritten haben. Der niederländische Gaspreis für Januar stieg um 7,8 Prozent auf 101,61 Euro pro MWh, während der britische Großhandelspreis für die ersten drei Monate des Jahres 2022 um fast 12 Prozent auf 2,45 Pfund pro Therm anstieg.

Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft hat am Mittwoch deutlich vor Verzögerungen gewarnt. "Wir bedauern, dass es beim Zertifizierungsprozess für Nord Stream 2 zu Verzögerungen kommt, vertrauen aber auf die Bundesnetzagentur und ihre unabhängige Expertise", so der Vorsitzende Oliver Hermes der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Es liege im Interesse der Erdgaskunden in Deutschland und der EU wie auch im Interesse der Betreiber, dass diese Milliardeninvestition juristisch unangreifbar genehmigt werde und dann verlässlich und sicher Energie nach Europa geliefert werden könne.

Das Gas aus russischen Pipelines sei aktuell deutlich günstiger als Gas auf dem Spotmarkt, sagte Hermes:

"Dies schützt uns ein Stück weit vor den derzeit hohen Weltmarktpreisen. Nord Stream 2 trägt entscheidend zur Energiesicherheit und zur Diversifizierung unserer Lieferwege bei."

Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, dass Russland die Aussetzung des Zertifizierungsverfahrens für die Gas-Pipeline Nord Stream 2 nicht für eine politische Entscheidung hält. Das Konsortium bearbeite die Anfragen der deutschen Aufsichtsbehörde rechtzeitig und Russland müsse Geduld haben. Es gebe bestimmte Normen in der europäischen Gesetzgebung und die Betreiberfirma sei bereit, alle Anforderungen zu erfüllen, so Peskow.

Die Nachrichtenagentur Interfax zitierte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa mit den Worten, Moskau erwarte keine Änderung der Frist für den Zertifizierungsprozess.

Unter dem Druck steigender Preise und schlecht gefüllter Speicher hatte der russische Präsident Wladimir Putin Gazprom im Oktober angewiesen, die Reserven in Deutschland und Österreich aufzufüllen. Moskau sagte zu, dass unabhängig von der Inbetriebnahme der Nord Stream 2 alle vereinbarten Mengen geliefert würden. Auch Abnehmer im Westen bestätigten, dass Russland verlässlich liefere.

Zuvor hatte es wie auch immer motivierte Vorwürfe gegenüber Russland gegeben, dass Gas-Lieferungen vorsätzlich knapp gehalten würden, um eine rasche Inbetriebnahme der entgegen vieler Hindernisse fertiggestellten Ostsee-Pipeline zu erwirken. Angesichts der Gaskrise hatte Russland jedoch schon mehr geliefert als vereinbart. Allein nach Deutschland ist der Export in den ersten neuneinhalb Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 30 Prozent gestiegen.

Als Begründung für den Anstieg der Preise nannten russische Quellen – neben der Erholung der Weltwirtschaft nach den Corona-Einschränkungen – den Energiehunger in Asien. Nicht zuletzt die USA hätten zusätzliches Flüssiggas lieber dorthin und nicht nach Europa geliefert, erklärte Elena Burmistrowa, die Chefin von Gazprom-Export, auf einer Konferenz in Amsterdam Anfang des Monats.

Die gleiche Begründung führte auch beispielsweise die Berliner GASAG an, nachdem die Verbraucherpreise zuletzt stark angezogen hatten. Laut Burmistrowa habe Russland kein Interesse an extrem hohen Gaspreisen. Die "Rekordpreise" könnten den Übergang zu erneuerbaren Energien in der EU beschleunigen, wie sie die Deutsche Presse-Agentur zitiert  – eine Aussicht, die in Deutschland im Hinblick auf die Energiewende hoffnungsvoll geäußert wurde.

Auch durch einen Rückgang der Exporte aus Norwegen, einem weiteren wichtigen Lieferanten Großbritanniens und der EU, wurden in dieser Woche die Gaspreise in Europa angetrieben. Grund für den Rückgang sind Wartungsarbeiten an der Infrastruktur.

Gazprom hatte im September die Fertigstellung der Leitung bekannt gegeben. Die Pipeline wurde je zur Hälfte von Gazprom sowie den Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell finanziert. Durch die 1.230 Kilometer lange Pipeline von Russland nach Deutschland sollen jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas geliefert werden.

Die Bundesnetzagentur hat vier Monate Zeit für ihre Prüfung. Mit dem Verfahren hatte sie offiziell am 8. September begonnen. Durch die Aussetzung wird dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge die Uhr aber angehalten.

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