WWF: Haie vom Aussterben bedroht – EU ist "Drehscheibe für globalen Handel mit Haifleisch"
Jedes Jahr sterben bis zu 100 Millionen Haie und Rochen in der Fischerei. Das berichtet die Umweltorganisation WWF in einer aktuellen Studie, in der sie die Strukturen des Handels mit dem Haifleisch im Detail analysiert. Die WWF kommt zu dem Schluss:
"Der Handel mit Haifleisch entpuppt sich laut aktueller WWF-Analyse als ein komplexes, globales Geschäft, in dem europäische Staaten und die EU eine zentrale Rolle spielen."
Im Januar hatte eine im Fachjournal Nature veröffentlichte Studie ergeben, dass die Zahl der Haie und Rochen in den Weltmeeren in den vergangenen Jahrzehnten stark gesunken ist. Seit 1970 habe die Zahl dieser Tiere in den Ozeanen um 71 Prozent abgenommen, schrieben die Forscher um Nathan Pacoureau von der kanadischen Simon Fraser University.
Die Zahlen des WWF decken sich mit der Nature-Studie. Der WWF schreibt, einige der Haipopulationen seien aufgrund von Überfischung um mehr als 95 Prozent geschrumpft. Aktuell sind 36 Prozent der etwa 1.200 bekannten Hai- und Rochenarten vom Aussterben bedroht. Dennoch werden Fang und Handel mit Haien und Rochen ungebrochen fortgesetzt.
Entgegen verbreiteter Vorstellungen ist nicht der Handel mit Haiflossen der größte Posten in der Handelsbilanz, sondern der Handel mit Hai- und Rochenfleisch, dessen globaler Handelswert für den Zeitraum 2012 bis 2019 auf 2,6 Milliarden US-Dollar geschätzt wird – Haiflossen hatten im gleichen Zeitraum einen Handelswert von etwa 1,5 Milliarden US-Dollar.
Heike Zidowitz, Haiexpertin des WWF Deutschland, betont:
"Oft steht die Nachfrage nach Haiflossen aus dem asiatischen Raum im Mittelpunkt, doch unsere Analyse zeigt, dass weltweit eine beträchtliche Nachfrage nach Fleisch von Haien und Rochen besteht, die den Rückgang dieser Arten mit vorantreibt."
Die weltweit größten Exporteure des Haifleisches sind Spanien und Portugal mit einem Handelsvolumen von 184.000 Tonnen (Spanien) bzw. 105.000 Tonnen (Portugal) im Zeitraum zwischen 2009 und 2019. Dahinter folgen Uruguay (73.000 Tonnen), Japan (59.000 Tonnen) und die USA (49.000 Tonnen). Der Handelswert betrug in Spanien über 536 Millionen US-Dollar, in Portugal etwa 233 Millionen US-Dollar.
Auch als Hauptimporteure liegen an den vordersten Positionen keineswegs asiatische Länder, wie das in der Vergangenheit in Medienberichten behauptet wurde, sondern hinter Brasilien mit knapp 150.000 Tonnen drei EU-Länder: Spanien (136.000 Tonnen), Italien (89.000 Tonnen) und Portugal (60.000 Tonnen). In einem Netzdiagramm zeigt sich, dass Spanien und Portugal den Mittelpunkt für den Welthandel mit Haifisch darstellen. Spanien allein hat 85 Export- und 65 Importverbindungen.
Der WWF schließt daraus:
"Die EU hat sich als Hauptlieferant für die südostasiatischen Märkte etabliert, wobei ihre eigenen Exporte und Importe etwa 22 Prozent des gesamten globalen Haifleischhandels ausmachen."
Auch hinsichtlich des Rochenfleischhandels, dessen Handelsvolumen deutlich niedriger liegt als der von Haifleisch spielt die EU eine zentrale Rolle. Die größten Exporteure für Rochenfleisch sind zwar Argentinien (82.000 Tonnen), Sierra Leone (56.000 Tonnen) und die USA (42.000 Tonnen) – die größten Importeure sind Südkorea (142.000 Tonnen), Ghana (56.000 Tonnen) und Frankreich (26.000 Tonnen). In der Anzahl der Handelsverbindungen zeigt sich jedoch eine enge Vernetzung in Europa. Ganz vorne liegt Frankreich mit 58 Exportverbindungen und 36 Importverbindungen, dahinter folgen die USA, die Niederlande, Spanien, Südkorea und Deutschland, das immerhin 39 Exportverbindungen und 25 Importverbindungen hat.
Deutschland wird vom WWF als "der zweitgrößte Importeur im Segment von frischen Haifilets" hervorgehoben. Die Haifilets werden "frisch importiert, geräuchert und dann als sogenannte 'Schillerlocken' verkauft". Der Umfang von 32 Tonnen pro Jahr fällt jedoch kaum ins Gewicht "im Vergleich zu den Importmengen anderer Staaten in anderen Marktsegmenten".
Der WWF kritisiert, dass trotz des Artenschutzes auch geschützte Arten in den Handel kommen – auch in der EU. Zidowitz betont, dass Rückverfolgbarkeit und Transparenz kaum gegeben seien im Handel mit Hai- und Rochenfleisch. Obwohl die EU über entsprechende Instrumente verfüge, wie etwa der Fischereikontrollverordnung. Es gebe aber zu viele Schlupflöcher – etwa die Einstufung von Haien und Rochen als Beifang. Zidowitz kritisiert:
"In vielen europäischen Thunfisch-Fischereien werden regelmäßig Haie in einem größeren Umfang als die Zielarten selbst mitgefangen und als lukrativer Fang vermarktet, ohne dass überhaupt artspezifische Höchstfangmengen festgelegt wurden. Dies verhindert, dass der Überfischung Einhalt geboten werden kann."
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