Medien und der Nahost-Konflikt: AP-Journalistin wegen ihrer Ansichten als Studentin gefeuert
Emily Wilder verlor ihren Job bei der Associated Press (AP) rund zwei Wochen, nachdem sie eingestellt worden war. Sie stand unter enormem Druck, seitdem "Stanford College Republicans" und später auch konservative Medien und Politiker der Republikanischen Partei darauf bestanden, sie könne nicht länger als Journalistin tätig sein, weil sie offenbar in ihrer Vergangenheit eine nicht genehme Haltung zu dem israelisch-palästinensischen Konflikt eingenommen hatte.
Associated Press staff received a memo this morning that @vv1lder is no longer with the company, after conservatives rallied to get her fired because she was part of Students for Justice in Palestine in college https://t.co/vgYdZOcRKopic.twitter.com/zcmmXn4fk0
— suhauna hussain (@suhaunah) May 20, 2021
Watching Israel bomb your Gaza bureau into dust and then firing one of your reporters for not being sufficiently pro-Israel *in college* is some of the most cucked shit I’ve ever seen https://t.co/dGV5b6ALLV
— Ken Klippenstein (@kenklippenstein) May 20, 2021
Wilder wurde gefeuert, weil sie angeblich gegen die Social-Media-Regeln des Unternehmens verstoßen hatte, die von den Mitarbeitern verlangen, zu "umstrittenen öffentlichen Themen" zu schweigen und sich nicht an organisierten Aktionen zur Unterstützung spezifischer Anliegen zu beteiligen. Wilder ist Jüdin und war Mitglied der "Jüdischen Stimme für Frieden" und der "Studenten für Gerechtigkeit in Palästina" in Stanford, wo sie im Jahr 2020 ihren Abschluss machte.
Zu Beginn dieser Woche behauptete eine republikanische Studentenorganisation an der Universität, dass die Organisationen, in denen Wilder Mitglied gewesen war, "Pro-Hamas" seien. Dieses Totschlagargument griffen auch konservative Medien auf, darunter der Washington Free Beacon und Fox News. Eine Reihe prominenter konservativer Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens prangerte Wilder seither ebenfalls an, darunter der republikanische Senator Tom Cotton.
While at Stanford from 2016-2020, Wilder was a leader in Jewish Voice for Peace and Students for Justice in Palestine, an organization with ties to Hamas affiliates, and which is notorious for inflicting acts of intimidation and violence against pro-Israel students.
— Stanford College Republicans (@Stanford_GOP) May 18, 2021
Wilders hatte lange vor ihrer Tätigkeit bei AP den republikanische Mega-Geldgeber Sheldon Adelson als einen "weit rechts stehenden, Trump unterstützenden, wie ein Nacktmull aussehenden Milliardär" beschrieben. Wilder betrachtete die Aktivitäten von Adelson, der Jude war und im Januar verstarb, als "nichts anderes als ethnisch-nationalistische Propaganda".
Laut Wilders war AP über ihren früheren Aktivismus informiert gewesen, als sie eingestellt wurde. Als ihre alten Beiträge wieder auftauchten, versicherte ihr Redakteur, dass sie "keinen Ärger bekommen" werde, weil "jeder im College eine Meinung hatte", sagte sie dem Nachrichtenportal SFGate in San Francisco. Wilder hatte in ihrer kurzen Zeit bei der Agentur nicht über den Nahen Osten berichtet und sich auf lokale Nachrichten aus Arizona konzentriert.
Doch kurz nachdem diese alten Posts ausgegraben worden waren, wurde die Journalistin über die sofortige Kündigung ihres Vertrages informiert. Wilder betont aber, dass AP nicht in der Lage war, spezifische Nachrichten oder Posts zu finden, die sie seit Beginn ihrer Tätigkeit dort veröffentlicht wurden und die gegen die Social-Media-Richtlinien verstießen.
Die Journalistin kritisierte in einem ihrer letzten Tweets in dieser Woche unter anderem den Sprachgebrauch der Medien in der Berichterstattung über den israelisch-palästinensischen Konflikt und hinterfragte, wie objektiv die journalistische Berichterstattung über den Konflikt sein kann, wenn niemals Begriffe wie "Besatzung" fallen.
“objectivity” feels fickle when the basic terms we use to report news implicitly stake a claim. using “israel” but never “palestine,” or “war” but not “siege and occupation” are political choices—yet media make those exact choices all the time without being flagged as biased
— emily wilder (@vv1lder) May 16, 2021
Menschenrechtler sowie auch die UNO prangern seit Langem die Verhältnisse der Palästinenser an und sprechen von durch Israel "besetzten Gebieten"; einige unabhängige Beobachter haben die Entrechtung der Palästinenser als Apartheid beschrieben.
In den sozialen Medien erhielt die junge Frau jedoch Unterstützung, auch von vielen, die den Fall zum Anlass nahmen, dies als Beispiel für Cancel Culture durch die Republikaner vorzuführen, die sich sonst gern über eine solche echauffieren. Journalisten verwiesen auf die Möglichkeit, zunächst jegliche Fehltritte nachzuweisen und dann entsprechende Warnungen zu erteilen, statt eine junge Journalistin direkt zu feuern.
Amazing how quickly a talented young reporter's career can be snuffed out by a Twitter mob that decided to feign outrage over some college tweets. And if @vv1lder somehow violated @AP's social-media rules, the solution is to offer guidance, not termination, to a new reporter. pic.twitter.com/PuGAwN0Aot
— Glenn Kessler (@GlennKesslerWP) May 20, 2021
Wilder selbst ist auch der Ansicht, dass sie der Cancel Culture zum Opfer gefallen ist. Ihr Kündigungsschreiben von AP besagt, dass die Agentur durch die Online-Kampagne gegen sie unter Druck gesetzt wurde, eine Überprüfung ihres Verhaltens durchzuführen. Sie glaubt jedoch, dass AP selektiv vage definierte Unternehmensregeln anwendete, um ihre anschließende Entlassung zu rechtfertigen.
"Das ist ein Eingeständnis, dass dies durch die Kampagne gegen mich veranlasst wurde. Es ist wirklich bedauerlich, dass Associated Press ihrer Verantwortung nicht nur mir gegenüber, sondern allen Journalisten gegenüber nicht gerecht wird, nur weil eine Gruppe von College-Studenten eine Hexenjagd veranstalten wollte", so Wilder.
In den sozialen Medien zeigten sich einige fassungslos, dass so etwas ausgerechnet kurz nach der gezielten Behinderung journalistischer Arbeit durch die Bombardierung auch von AP-Büros in dem Kriegsgebiet passieren konnte. Die Gewerkschaft News Media Guild, die Journalisten vertritt, kündigte an, die Entlassung zu überprüfen, die bisher nicht klar begründet worden war.
Our full statement: pic.twitter.com/CjyzmBe0uO
— News Media Guild (@NewsMediaGuild) May 21, 2021
Am 15. Mai bombardierten israelische Streitkräfte das elfstöckige Gebäude, in dem Associated Press und Al Jazeera gearbeitet und sich weitere Büros sowie mehrere Wohnungen befunden hatten, mit der Behauptung, dass der militärische Geheimdienst der Hamas im Gebäude operiere.
Zwölf AP-Angestellte und freie Mitarbeiter des Nachrichtendienstes arbeiteten in dem Büro, als das israelische Militär telefonisch eine Warnung aussprach und den Bewohnern und Anwesenden eine Stunde Zeit gab, das Gebäude zu evakuieren.
Die Evakuierung wie auch der Angriff wurden dokumentiert. AP-Journalist Fares Akram beschrieb, wie er aus der Ferne beobachtet hatte, wie israelische Drohnen das Gebäude ins Visier genommen hatten, gefolgt von drei heftigen Luftangriffen von F-16-Jets.
"Das Gebäude, das für einige Menschen ein Zuhause, für andere ein Büro und für mich beides war, verschwand in einer Staubwolke."
Während Al Jazeera ankündigte, "jeden verfügbaren Weg zu verfolgen, um die israelische Regierung für ihre Handlungen verantwortlich zu machen", zeigte sich AP "schockiert und entsetzt" über den israelischen Luftangriff. Die Behauptung, dass sich in dem Gebäude Mitglieder der Hamas befanden, hat bisher keine israelische Stelle belegt. Laut dem Präsidenten und CEO von AP Gary Pruitt hatte seine Nachrichtenorganisation "keinen Hinweis auf eine Hamas-Präsenz in dem Gebäude".
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