Deutschland

Norbert Röttgen: Deutschland soll "Gestaltungsmacht" werden

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen (CDU), nahm bei einer kleinen Runde vor Journalisten in Berlin Stellung zur "ganz wichtigen Initiative" von Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer. Dabei fand er harte Worte zum Zustand der Europäischen Union.
Norbert Röttgen: Deutschland soll "Gestaltungsmacht" werdenQuelle: AFP © Kay Nietfeld

von Zlatko Percinic

Es sei an der Zeit für einen "Paradigmenwechsel", sagte Röttgen am Freitag vor Journalisten aus dem In- und Ausland. Gemeint ist damit der Vorstoß von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer auf der großen weltpolitischen Bühne, eine "europäische Sicherheitszone" in Nordsyrien errichten zu wollen. Die "völkerrechtswidrige" Besatzung der Türkei müsse aufhören. Das sei für ein NATO-Mitglied "nicht akzeptabel" und nicht mit den Werten der transatlantischen Allianz vereinbar. Dabei sparte er auch nicht mit Kritik gegenüber Russland, dem er ebenso wie der Türkei in Syrien Völkerrechtsbruch vorwarf. 

Doch die härteste Kritik sparte sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses für die EU auf. Sie sei weder bei den Vorbereitungen zum türkischen Einmarsch in Syrien noch danach in der Lage gewesen, mit einer geeinten Stimme zu sprechen und eine klare Position gegenüber Ankara zu beziehen. "Bedauernswerterweise" war die EU außenpolitisch in dieser Hinsicht ein "Totalausfall", meinte Röttgen. 

Deshalb müsse Deutschland "Handlungsverantwortung" auf Basis "eigener Interessen" übernehmen und nicht mehr nur mit Analysen und Kommentaren von der Seitenlinie das Geschehen beobachten. Nach dem Rückzug der USA nicht nur aus Nordsyrien, sondern auch aus der geostrategischen Rolle des Hegemons in der Region entsteht ein Machtvakuum, welches die Dynamik der Geopolitik verändert. Zudem drängen Akteure wie Russland, der Iran und eben auch die Türkei in dieses regionale Vakuum, was den Europäern besonders bitter aufstößt.

Damit man das Feld insbesondere nicht den Russen überlässt, die man in den vergangenen Jahren als Feindbild aufgebaut und entsprechend behandelt hat und man sich in der Syrienfrage nun doch aus einer Position der Schwäche an Moskau richten muss, sollen die "E3" es richten. Gemeint sind Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Dafür müsse man "beherrschbare Risikobereitschaft" zeigen, so Röttgen, um die "eigenen Interessen" auch gegebenenfalls militärisch abzusichern. Deutschland soll wieder "Gestaltungsmacht" werden. 

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RT Deutsch fragte den CDU-Politiker, welche Interessen denn in Nordsyrien verfolgt werden, die diesen "Paradigmenwechsel" rechtfertigen sollen? Es folgte eine altbekannte Antwort, die immer wieder als Rechtfertigung für Auslandseinsätze der Bundeswehr herhalten muss: die Verteidigung unserer Sicherheit. Dieses Argument wurde bereits 2002 vom damaligen Verteidigungsminister Peter Struck angeführt, als dieser die Entsendung von deutschen Soldaten nach Afghanistan mit den Worten rechtfertigte, dass "die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auch am Hindukusch verteidigt wird." 

Welche anderen Interessen außer der Verteidigung der Sicherheit verfolgt werden sollen, wollte Röttgen dann doch nicht sagen. So wie er auch die Frage nicht zu beantworten vermochte, ob die geplante europäische Sicherheitszone in Nordsyrien eine andere Form dessen sei, was er im Jahr 2015 gefordert hatte, nämlich eine militärische Präsenz des Westens, um Syrien "nicht dem IS, Assad und Putin (zu) überlassen." An diese Aussage wollte sich Röttgen nicht mehr erinnern und meinte, dass er so etwas nie gesagt habe. Zumindest werden diese Worte auf der Seite des Bundestages dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses zugeordnet.

Ein Teil der deutschen Politik – und auch der Bundeswehr – sieht das entstehende Machtvakuum, das durch den strategischen Rückzug der USA entsteht, nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Chance, Deutschland wieder zu einer "Gestaltungsmacht" zu machen, um die Worte von Norbert Röttgen zu gebrauchen. Allein schafft das Berlin aber nicht, das ist auch ihnen bewusst. Deshalb sollen es die E3-Staaten richten. Röttgen formulierte bereits beim Berliner Forum Außenpolitik der Körber-Stiftung vor knapp einem Jahr den Wunsch, dass sich innerhalb der EU eine "Avantgarde-Gruppe" bilden sollte, die sich auf "eine gemeinsame außenpolitische Politik einigen und diese auch umsetzen" soll. Wie es scheint, ist man in dieser Hinsicht einen großen Schritt weitergekommen. 

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