Deutschland

Rechte Gewerkschafter auf dem Vormarsch – weil die linken zu handzahm sind

Rechte Gewerkschaftsaktivisten gewinnen mit "linkem" Habitus und pseudo-kämpferischer Sprache nicht nur bei Daimler an Zulauf - auch weil die großen Gewerkschaften nicht mehr als Streiter für Arbeiterrechte wahrgenommen werden. Doch auch die AfD distanziert sich.
Rechte Gewerkschafter auf dem Vormarsch – weil die linken zu handzahm sind Quelle: Reuters

Auch traditionell als eher "links" wahrgenommene Institutionen wie die Gewerkschaften müssen nun zusehen, wie ihnen von "rechts" das Wasser abgegraben wird: Explizit rechte Aktivisten schwingen sich in großen deutschen Betrieben zu den "wahren Arbeitnehmervertretern" auf. Das ist möglich, weil die großen Gewerkschaften von vielen Beschäftigten nicht mehr als kämpferischer Streiter für ihre Interessen wahrgenommen werden. Der bekannteste dieser neuen Zusammenschlüsse nennt sich "Zentrum Automobil" und konnte bei Daimler bereits Betriebsratsposten ergattern.

Im Zentrum des Interesses steht vor allem das Daimler-Stammwerk Untertürkheim. Dort können die Beschäftigten seit diesem Donnerstag - wie in zahlreichen deutschen Firmen - einen neuen Betriebsrat wählen. Mit 243 Namen bildet die IG Metall die stärkste Liste, doch gleich danach kommt mit 187 Kandidaten das "Zentrum Automobil", wie der Deutschlandfunkberichtet.

Diese Gruppe will gewerkschaftliche Strukturen als "Korrekturfaktor gegen das Monopol der großen Gewerkschaften" aufbauen, wie das "Zentrum Automobil" mitteilt. Die großen Gewerkschaften seien heute mit den Funktionseliten der Politik so eng verbunden, dass sie nicht mehr Teil der Lösung, sondern des Problems seien, so die These des Zentrums. "Wir bringen das Fass zum Überlaufen", fügt Oliver Hilburger an. Der 48-Jährige ist Mitbegründer des Vereins "Zentrum Automobil" und sieht sich als Opposition zu den "Staatsgewerkschaften".

Solche Klassenkampf-Rhetorik fällt scheinbar auf fruchtbaren Boden: Bei den letzten Betriebsratswahlen in Untertürkheim erreichte die Gruppierung rund zehn Prozent. Das alarmierte den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Baden-Württembergs DGB-Landeschef Martin Kunzmann sagt laut DLF über Hilburger: "Das ist der Wolf im Schafspelz. Für mich will das 'Zentrum Automobil' die Belegschaft spalten." Er fordert eine inhaltliche Auseinandersetzung damit, dass rechtsradikales Denken offenbar auch in den Betrieben, vor allem bei Daimler, um sich greife.

Oliver Hilburger sieht sich der AfD nahe, doch die Partei möchte ihn gar nicht als Mitglied - er bewege sich zu weit rechts, heißt es. Der baden-württembergische AfD-Bundestagsabgeordnete Jürgen Braun formuliert die Absage so:

"Wir sagen natürlich nicht, warum wir jemand nicht genommen haben als Mitglied. Wir sind als Partei aktiv, wir sind aber keine politische oder soziale Resozialisierungseinrichtung für Leute, die mal irgendwelche Probleme früher gehabt haben.

Wahrscheinlich spielt Braun darauf an, dass Oliver Hilburger fast 20 Jahre lang Gitarrist der 2010 aufgelösten Rechtsrockband "Noie Werte" war, wie der DLF anmerkt. Musik dieser Band fand sich auch auf Bekennervideos der NSU-Terroristen.

Dass das "Zentrum Automobil" gerade in sozialen Netzwerken große Reichweiten erfahre, sei ein Verdienst der "Werde-Betriebsrat!"-Kampagne des rechten Netzwerks "Ein Prozent", wie das Medium Vorwärtsmutmaßt. Der DGB-RegionsGeschäftsführer für Leipzig-Nordsachsen Erik Wolf hat in Görlitz eine "Zentrums"-Veranstaltung beobachtet und urteilt gegenüber dem Vorwärts knapp: Eine "Propagandashow" sei das, was Hilburger und Co. vor Ort aufgeführt hatten.

Die interessieren sich einen Scheißdreck für die Anliegen der Kollegen.

Die Aufregung um mutmaßliche Neonazis in seinen Betriebsräten ruft sogar den Konzernchef auf den Plan. Der Daimler-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche sagte laut Zeit mit Blick auf die Aktivitäten des "Zentrums":

Was wir tun können, ist, glaube ich, ziemlich gleichbedeutend mit dem, was wir als Teil der deutschen Gesellschaft insgesamt tun können, nämlich für unsere Werte einstehen, die wir für richtig und gut halten, und für diese Werte zu werben.

Doch was ist, wenn die Werte der Konzernlenker nicht jenen der Arbeitnehmer entsprechen? Hat denn nicht genau diese sich immer weiter öffnende Schere zwischen den Einkommen das "Zentrum Automobil" erst möglich gemacht – in Kombination mit einer jahrelangen Arbeitsverweigerung der großen deutschen Gewerkschaften?

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