Deutschland

SPD ganz staatsmännisch: Schulz schaufelt den Weg zur GroKo frei

Mit aufrüttelnden Appellen wirbt die Spitze der SPD um die Zustimmung der Parteibasis zu Koalitionsgesprächen mit CDU und CSU. Die Angst vor Neuwahlen und Druck aus dem Ausland sollen ein "Ja" beim Parteitag ermöglichen. Die Jusos halten dagegen.
SPD ganz staatsmännisch: Schulz schaufelt den Weg zur GroKo freiQuelle: www.globallookpress.com

Zurzeit mehren sich Stimmen innerhalb der SPD, die eine Neuauflage der Großen Koalition im Interesse der Partei befürworten. Jeden Tag schrumpft die Zahl der GroKo-Verweigerer: Nur bis zu 20 Bundestagsabgeordnete der SPD-Fraktion von 153 sind zurzeit dagegen. Am 16. Januar stimmte die Parlamentarische Linke in der SPD bei einer Probeabstimmung für die GroKo: Damit hat Martin Schulz die Abgeordneten im Parlament hinter sich. Aber er will auf Nummer sicher gehen und tourt derzeit zu den einflussreichsten Landesverbänden, um den Widerstand an der Parteibasis zu brechen. 

Mit Staunen beobachtet man den Wandel des einstigen Kanzlerkandidaten der Partei. So konterte Martin Schulz in einem ZDF-Gespräch dem Moderator, der ihn auf seine eigenen Worte nach den Wahlen ansprach, für die SPD in der Opposition zu bleiben sei ein Wählerauftrag, dass die Politik ein "dynamischer Prozess" sei. Nun habe die Partei ein "Rettungsauftrag" inne, um die Verantwortung für das regierungslose Land zu übernehmen. 

Ins gleiche Horn blasen auch die anderen Parteigrößen. So erinnerte der Außenminister und einstige SPD-Chef Sigmar Gabriel seine Partei an ihre staatspolitische Verantwortung. Der Bild sagte er, nicht nur Europa schaue gebannt auf den SPD-Parteitag, sondern viele Menschen weit darüber hinaus:

Die Welt schaut deshalb wirklich auf Bonn am kommenden Sonntag. Weltweit ist die Hoffnung groß, dass die SPD dafür sorgt, dass Deutschland endlich Frankreich die Hand zur Erneuerung und Stärkung Europas reicht.

Damit bekommt er ausgerechnet von der wirtschaftlichen Gremien der EU den starksten Rückenwind. Der neue Eurogruppen-Chef, der portugiesische Finanzminister Mário Centeno, äußerte im Handelsblatt die Hoffnung, dass die Koalitionsbildung in Berlin schnell vorankomme:

Europa braucht die Regierung so bald wie möglich.

Parteipolitischer Scheideweg 

Die Werbung für die GroKo verläuft nicht ohne parteipolitisches Kalkül. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) warnte, ein Nein zur GroKo und eine darauf unausweichlich folgende Neuwahl bringe die SPD in Schwierigkeiten. 

Ich weiß nicht, mit welcher Perspektive sich die SPD dann für einen Wahlkampf aufstellen sollte", sagte sie der Welt.

Das gleiche Argument brachte der konservativ ausgerichtete "Seeheimer Kreis":

Wenn sich die SPD am Sonntag doch noch einer GroKo verweigern sollte, riskierte sie bei Neuwahlen einen Absturz auf 15 bis 16 Prozent. Und davon wird sie sich langfristig nicht erholen", sagte Edgar Franke, einer der Sprecher des Kreises, Focus Online.

Trotzdem ist die Skepsis in den Reihen der SPD gegenüber einer weiteren GroKo noch groß. In mehreren, allerdings kleineren Landesverbänden war Koalitionsverhandlungen eine Absage erteilt worden - entweder vom Parteivorstand wie in der Berliner SPD oder auf Parteitagen wie in Sachsen-Anhalt und Thüringen. Der Vorstand der Hamburger SPD sprach sich am Dienstagabend dagegen für Gespräche über eine Neuauflage der Großen Koalition aus. Die Hamburger SPD stellt 15 der insgesamt 600 Delegierten des Sonderparteitags. 

Wirtschaft klagt über Belastungen - will aber trotzdem die GroKo

Am geschlossensten wettern die Jusos um deren Chef Kevin Kuhnert gegen die Große Koalition, in der Presse wird er mittlerweile als Schulz "gefährlichster Widersacher" benannt. Die Jugendorganisation der SPD steht zu 100 Prozent hinter ihm. Ihm geht es vor allem um das Profil der Partei, das sich im Bund mit der Union endgültig auflösen würde. Viele in der Partei befürchten, dass die SPD dem Schicksal vieler sozialdemokratischer Parteien in Europa folgt und bei Wahlergebnissen im Endeffekt im einstelligen Bereich landet.  

Der Kampf des Martin Schulz für die GroKo ist also noch nicht entschieden und Überraschungen auf dem Parteitag am kommenden Sonntag sind immer noch möglich. Dennoch könnte die entscheidende Stimme bereits gesprochen haben: Die deutsche Wirtschaft setzt darauf, dass die SPD den Weg für eine Große Koalition frei macht.

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Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, sagte den Partnerzeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft, zwar seien die meisten Unternehmen in einer guten Lage.

Dennoch wächst auf Dauer ohne eine verlässliche und kalkulierbare Politik die Verunsicherung in der Wirtschaft.

Schweitzer beklagte zugleich, dass die bei den Sondierungsgesprächen zwischen Union und SPD vereinbarten Vorhaben die Unternehmen deutlich belasten.

Schulz will am Mittwoch auch bei den Sozialdemokraten in Bayern um Zustimmung zu Koalitionsverhandlungen werben. Dazu nimmt er an der Winterklausur der Landtagsfraktion im schwäbischen Kloster Irsee teil. 

(rt deutsch/dpa)

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