Deutschland

Ginkgobäumchen und Friedenspfahl: Bürgerpark in Berlin-Mitte zur atomwaffenfreien Zone erklärt

In einem versteckten Berliner Bürgerpark fand letzte Woche eine von außen unscheinbare, aber äußerst symbolträchtige Aktion statt. Es geschah nur wenige Wochen vor dem 80. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf die zwei japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki.
Ginkgobäumchen und Friedenspfahl: Bürgerpark in Berlin-Mitte zur atomwaffenfreien Zone erklärt© Bernd Mewes

Von Wladislaw Sankin

Ort der feierlichen Zeremonie war der Krausnickpark, ein winziges, zwischen Wohnhäusern gut verstecktes Ruheparadies. In der Nähe der Oranienburgerstraße in Berlin-Mitte liegt es zentral und doch für Touristenblicke unsichtbar. Gekommen waren etwa 60 Friedensbewegte, die zwei Bäumchen und einen Friedenspfahl in den Boden setzten. Bei dem wechselhaften Wetter an diesem Nachmittag blitzte die Sonne kurz hervor und auf dem nahegelegenen Spielplatz tummelten sich Kinder. Keine Fernsehteams waren dabei, es gab nur eine von einigen Teilnehmern für die Eigennutzung geführte Bilddokumentation. Fröhliche Laune, schöne Reden und zum Schluss ein kleines Konzert.

Eine eingeschworene Gemeinschaft, die sich über Jahre kennt und nun gemeinsam noch eine weitere Veranstaltung über die Bühne bringt? Aktivismus als Selbstzweck? Nein, so einfach ist es nicht. Die Aktion besitzt eine enorme symbolische Tragweite und hat direkt mit der aktuellen deutschen Innenpolitik zu tun.

Schirmherrin der Veranstaltung ist die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). An dem aufragenden Holzbalken des Friedenspfahls kommt der dort angebrachte Gebetsspruch "May Peace Prevail on Earth" (Möge Friede auf Erden sein) zum Vorschein. Ein solcher Pfahl ist 1976 zuerst in Japan gesetzt worden, inzwischen gibt es 250 000 davon in 180 verschiedenen Staaten – einen in Berlin an der Friedensglocke im Volkspark Friedrichshain, einen in Cottbus und einen in Reitwein. Vom Reitweiner Sporn aus gab Marschall Georgi Schukow im April 1945 seinen Befehl zum Sturmangriff auf die Seelower Höhen, dem letzten Hindernis auf dem Weg der Siegerarmee zum Führerhauptquartier.

Auch Ginkgobäume sind ein starkes Symbol, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Diese Bäume gab es schon vor den Dinosauriern und es gibt sie immer noch, denn sie sind extrem überlebensfähig. Nach dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima waren Ginkgobäume die ersten Pflanzen, die unmittelbar am Ground Zero wieder zu blühen begannen. Hier in Berlin werden sie zum Andenken an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki 1945 eingepflanzt.

Der bei Zeremonie anwesende Gerhard Emil Fuchs-Kittowski erklärt: "Ginkgobäume scheinen auch etwas in sich zu haben, was beim Abbau der Strahlenkrankheit am ehesten noch helfen kann, wie man es bei nicht total verstrahlten Menschen feststellen konnte". Fuchs-Kittowski ist Präsident des Deutschen Friedensrates und er ist derjenige, der diese Idee des Gedenkens im Jahre 2017 als Erster vorschlug, als ICAN den Friedensnobelpreis erhielt.

Bei der Aktion geht es ihm um den Protest gegen neue atomwaffenfähige Mittelstreckenraketen, die die USA in Deutschland stationieren wollen und es geht um die Einhaltung des 2+4-Vertrages durch die Bundesregierung. "Wir sehen aber, dass es die deutsche Regierung ist, die diesen Vertrag auf anderen Ebenen bewusst bricht – und so ist es innenpolitische Symbol-Politik und ein Mahnen und ein Sticheln unweit des Kanzleramts", sagt er bei unserem Gespräch.

Doch bei der Einweihung überlässt er die Bühne den anderen, denn es sind vor allem der 1999 gegründete Anwohnerverein Bürgerpark Krausnickdreieck e. V. sowie die Friedensglockengesellschaft, die sich um die Pflanzaktion kümmerten. Die Anerkennung des Krausnickdreiecks als atomwaffenfreie Zone solle ein Zeichen setzen, "dass wir Bürger Frieden wollen", erklärt die Vereinsvorsitzende Anja Schnur. "Das hier ist nicht mehr wegzuwischen", meint sie.

Die Anerkennungsurkunde wird von Aicha Kheinette von der deutschen ICAN-Sektion überreicht. Sie hofft, dass andere dem Beispiel folgen. Denn der Weg zu einer atomwaffenfreien Welt führe nicht allein über Abrüstungsverträge, sondern auch über viele kleine, mutige Aktionen. "Noch immer sind mehr Menschen gegen Atomwaffen, auch in Deutschland", versichert Kheinette. Den Anwesenden erzählt sie eine kleine Geschichte.

Vor wenigen Wochen hatte sie Kunihiko Sakuma kennengelernt, der am 6. August 1945 als Kleinkind mit seiner Mutter in einem Haus drei Kilometer vom Zentrum der Explosion entfernt war, als ein US-Kampfflugzeug die erste Atombombe über Hiroshima abwarf, der drei Tage später eine zweite Atombombe auf Nagasaki folgen sollte. Sakuma überlebte radioaktiv verstrahlt und hat seither unter den gesundheitlichen Folgen und dem Trauma zu leiden.

Eine direkte Verbindung zu Japan stellte aber eine Japanerin her, die sich spontan zur Veranstaltung gesellte. Ihr Redebeitrag an diesem Nachmittag war die Rezitation des Goethe-Gedichts "Ginkgo biloba". Zum Abschluss stimmte Gabi Parakeninks von der Rotfuchs-Singegruppe das bei solchen Aktionen obligatorische Lied an, den Protestsong "We Shall Overcome" und animierte alle zum Mitsingen. Der Song drückt die Hoffnung der Versammelten aus und ist ein Signal an alle Kriegstreiber und Hitzköpfe dieses Landes: "We shall live in Peace" (Wir werden in Frieden leben).

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